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DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
HUNDERTDREIZEHNTER BAND.
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WIEN, 1904.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
BUCHH«lNDLER der kaiserlichen AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
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SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN KLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
CXIII. BAND. ABTEILUNG I. Jahrgang 1904. — Heft I bis X.
(MIT 35 TAFELN, 2 KARTEN, 1 KARTENSKIZZE UND 30 TEXTFIGUREN.)
'^' WIEN, 1904.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHE.N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
INHALT.
Seite Abel 0., Über einen Fund von SiViüheriuin gigantenin bei Adrianopel.
(Mit 1 Tafel und 3 Textfiguren.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.J .... 629 Albanese N., Ein neuer Fall von Endotropismus des Pollenschlauches und
abnormer Embryosackentwicklung bei Sibb.ild/j procumbens L.
(Mit 2 Doppeltafeln.) [Preis; 1 K= 1 Mk.j 653
Bobisnt 0., Zur Anatomie einiger Palmenblätter. (Mit 4 Tafeln.) [Preis:
1 K 40 h = 1 Mk. 40 Pfg.] 345
Brezina A. und Cohen E., Über Meteoreisen von De Sotoville. (Mit
3 Textfiguren.) [Preis: 40 h = 40 Pfg.] 89
— Über dodekaedrische Lamellen in Oktaedriten. (Mit 1 Tafel.) [Preis:
40 h = 40 Pfg.] 577
Doelier C. Die Silikatschmelzen. (Erste Mitteilung.) (Mit 7 Textfiguren.)
[Preis- 1 K 50 h = 1 Mk. 50 Pfg.] 17?
— Die Silikatschmelzen. (Zweite Mitteilung.) (Mit 4 Textfiguren.) [Preis : 50 h = 50 Pfg.] 495
Gräfe V., Untersuchungen über die Holzsubstanz vom chemisch-phj'sio-
logischen Standpunkte. [Preis: 80 h = 80 Pfg.] 253
Grcilach H., Spektralanalytische Untersuchungen über die Entstehung des Chlorophylls in der Pfianze. (Mit 3 Tafeln.) [Preis: 1 K 30 h = 1 Mk. 30 Pfg.] 121
Höfef H., Gipskriställchen akzessorisch im dolomitischen Kalk von
Wietze (Hannover). [Preis : 20 h = 20 Pfg.] 169
— Der Sandstein der Salesiushöhe bei Ossegg (Böhmen). (Mit 1 Text- figur und 1 Kartenskizze ) [Preis; 50 h = 50 Pfg.) 296
Hussak E., Über das Vorkommen von Palladium und Platin in Brasilien.
(Mit 2 Tafeln und 6 Textfiguren.) [Preis: 2 K 10 h = 2 Mk. 10 Pfg.] 379
Linsbauer K., Untersuchungen über die Lichtlage der Laubblätter. L Orien- tierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage mono- kotyler Blätter. (Mit 3 Tafeln.) [Preis : 1 K 80 h = 1 Mk. 80 Pfg.] 35
Molisch H., Die Leuchtbakterien im Hafen von Triest. (Mit 1 Tafel.) [Preis:
50 h = 50 Pfg.] 513
Nestler A., Zur Kenntnis der Symbiose eines Pilzes mit dem Taumellolch.
(Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 529
Porlheim L., v.. Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der
Blüten. (Mit 3 Tafeln und 1 Textfigur.) [Preis: 80 h = 80 Pfg.] . 619
VI
Seife
Schaffey F. X., Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im
Herbste 1902. (Mit 1 Karte.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 104
Schnarf K., Beiträge zur Kenntnis des Sporangienwandbaues der Poly- podiaceae und der Cyaiheaceae und seiner systematischen Be- deutung. (Mit 1 Tafel.) [Preis : 70 h = 70 Pfg.] 549
Senft Em., Über den mikrochemischen Zuckernachweis durch essigsaures
Phenylhydrazin. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 90 h = 90 Pfg.J ... 3
Siebenrock F., Über partielle Hemmungs-Erscheinungen bei der Bildung einer Ri.ickenschale von Testudo tornieri Siebenr. (Mit 1 Text- figur.) [Preis: 30 h = 30 Pfg.] 29
— Die südafrikanischen Teshido-Arten der Geoinefrica-Gruppe s. 1.
(Mit 5 Tafeln.) [Preis: 1 K 20 h = 1 Mk. 20 Pfg.] 307
Siep J. und Becke F., Das Vorkommen des Uranpecherzes zu St. Joachims- thal. (Mit 3 Tafeln, 1 Übersichtskarte und 4 Textfiguren.) [Preis: 1 K 70 h = 1 Mk. 70 Pfg.] 585
Thum E., Über statocystenartige Ausbildung kristallführender Zellen.
(Mit 1 Tafel.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 327
Wielowieyski H., v.. Über nutritive Verbindungen der Eizellen mit Nähr- zellen im Insektenovarium und amitotische Kernprozesse. (Vor- läufige Mitteilung.) (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 60 h = 60 Pfg.J ... 677
Wiesner J., Über den Einfluß des Sonnen- und des diffusen Tageslichtes auf die Laubentwicklung sommergrüner Holzgewächse. Photo- metrische Untersuchungen auf pflanzenphysiologischem Gebiete. (IV. Abhandlung.) [Preis : 60 h = 60 Pfg.] 469
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIII. BAND. I. UND IL HEFT. JAHRGANG 1904. — JÄNNER UND FEBRUAR.
ABTEILUNG L
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN
(MIT 5 TAFELN, 1 KARTE und 4 TEXTFIGUREN.
^ WIEN, 1904.
AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN H OF- UND STAATS DR UCKEREL
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
INHALT
des 1. und 2. Heftes Jänner und Februar 1904 des CXIII. Bandes Abteilung" I der Sitzung'sberiehte der mathem.-naturw. Klasse.
Seite
Senft Em., Über den mikrochemischen Zuckernachweis durch essigsaures
Phenylhydrazin. (Mif 2 Tafeln.) [Preis: 90 h = 90 Pfg.J .... 3
Siebenrock F., Über partielle Hemmungs-Erscheinungen bei der Bildung einer Rückenschale von Testudo tornieri S i e b e n r. (Mit 1 Text- figur.) [Preis: 30 h = 30 Pfg.] 29
Linshauer K., Untersuchungen über die Lichtlage der Laubblätter. L Orien- tierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage mono- kotyler Blätter. (Mit'S Tafeln.) [Preis: 1 K 80 h = 1 Mk. 80 Pfg.] 35
Brezina A. und Cohen E., Über Meteoreisen von De Sotoville. (Mit
3 Textfiguren.) [Preis : 40 h = 40 Pfg.] 89
Schaffer F. X., Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im
Herbste 1902. (Mif'l Karte.) [Preis: 50 h = 50 Pfg.] 104
Preis des ganzen Heftes: 3 K 30 h =: 3 Mk. 30 Pfg.
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIII. BAND. L UND II. HEFT.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE, KRYSTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE, PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
über den mikroehemisehen Zuekernachweis durch essigsaures Phenylhydrazin
von
Em. Senft.
Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Mit 2 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1904.)
Einleitung,
Der Nachweis des Zuckers in dem Gewebe der Pflanzen ist sowohl in anatomischer als auch physiologischer Beziehung häufig von großer Wichtigkeit. Es werden ja auch zahlreiche Methoden für diese Zwecke in Anwendung gebracht.
Der von Emil Fischer^ in die Chemie eingeführte Zucker- nachweis mittels essigsaurem Phenylhydrazin erschien mir zum mikrochemischen Zuckernachvveise viel sicherer als die bis jetzt gebrauchten Reaktionen und ich habe bereits früher nach einer Reihe von einschlägigen Versuchen meine zu diesem Zwecke modifizierte Methode kurz mitgeteilt.^
Nun will ich im nachstehenden diese Methode eingehender besprechen und ihre Anwendbarkeit bei mikrochemischen Arbeiten darlegen.
Vorerst erscheint es zweckmäßig, eine kurze Kritik der bisherigen Methoden des mikrochemischen Zuckernachweises zu geben.
1 Fischer Em., Synthesen in der Zuckergruppe. Berichte der Deutschen ehem. Gesellschaft, 1890, Bd. 23, p. 2114 und Fortsetzungen.
2 Senft Em., Zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers. Pharm. Post, Wien 1902, Nr. 29.
1*
4 Em. Senft,
I. Die bis jetzt zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers
gebrauchten Methoden.
Die Eigenschaft der Glykosen (Monosaccharide-Hexosen), aus alkalischen Kupfeiiösiingen unter erfolgter Reduktion das rote Kupferoxydul abzuscheiden, wurde zum mikrochemischen Nachweise des Zuckers zuerst gebraucht.
Zu diesem Zwecke wurde die Kupfersulfatmethode viel- fach modifiziert, so von Sachs,^ Flückiger,^ Schimper,^ A. Fischer,'^ A. Mayer,^ Czapek,^ Hofmeister'' und anderen.
Die Reaktion gab sich kund in der Ausscheidung eines amorphen Niederschlages von Kupferoxydul. Unter günstigen Verhältnissen konnte das letztere auch krystallinisch gewonnen werden (Taf. I, Fig. 1).
Alle Modifikationen der ursprünglich S a c h s's c h e n ^ Methode haben ihre Vorteile, sie sind jedoch alle mit dem unliebsamen Fehler behaftet, daß durch die alkalische Kupfer- lösung in der Siedehitze ja mitunter ohne vorheriges Erwärmen auch andere Stoffe Glykose abspalten oder überhaupt reduzie- rend wirken und so häufig das Vorhandensein von Zucker vortäuschen können (Glykoside, manche Farbstoffe, Phloro- glucin, Amylodextrin und andere).
Weiter ist auch als ein sehr unliebsamer Umstand die Unhaltbarkeit des Reagens zu berücksichtigen.
1 Sachs, Mikrochemische Reaktionsmethoden. Münch. akad. Sitzungs- berichte, 1859, Flora 1862, p. 289.
2 Flückiger, Pharmakognosie.
3 Schimper, Anleitung zur mikroskopischen Untersuchung der vegeta- bilischen Nahrungs- und Genußmittel. Jena 1900.
4 Fischer A., Beiträge zur Physiologie der Holzgewächse. Pringsheim's Jahrbücher, Bd. XXII, p. 73.
ö Mayer A., Mikrochemische Reaktion zum Nachweise der reduzierenden Zuckerarten. Ber. der Deutschen botan. Gesellschaft, 1885, p. 332.
6 Czapek, Über die Leitungswege der organ. Baustoffe im Pflanzen- körper. Diese Sitzungsberichte, Bd. CVI, Abt. I, März 1897, S. 14 des Separat- abdruckes.
' Hofmeister in Pringsheim's Jahrbücher für wissensch. Botanik, Bd. 31 V. 1897, p. 688.
8 Saclis 1. c.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 5
Diese Nachteile wurden bald erkannt und man versuchte es, dieselben durch verschiedene Modifikationen der ursprüng- lichen Methode möglichst zu verringern. Es ist dies jedoch nie vollkommen gelungen. Vor allem wird von verschiedenen Körpern glykosidischer Natur durch die bei der Reaktion einer- seits angewendete Hitze bei Vorhandensein von Wasser und starkem Alkali, anderseits durch Enzyme die Glykose ab- gespalten.
G. Kraus ^ hat tur den mikrochemischen Zuckernachweis zum Unterschiede des indirekten Nachweises eine direkte, von ihm als morphologische Reaktion bezeichnete Methode angewendet. Dieselbe beruht darauf, daß durch Einwirkung von Glyzerin oder Alkohol die Zuckerausscheidung in Tröpfchen- form erfolgt. Diese Methode besitzt ebenfalls ihre Nachteile, welche darin bestehen, daß die Zuckerarten aus unreinen Lösungen erst bei Vorhandensein von größeren Mengen auf diese Art zu isolieren sind; anderseits werden durch Glyzerin oder Alkohol viele andere Körper in Tröpfchenform aus- geschieden.
Molisch- empfiehlt zum mikrochemischen Zuckernach- weise a-Naphtol und Schwefelsäure, respektive Thymol und Schwefelsäure.
Diese prompt auftretende Reaktion hat nur den Nachteil, daß unter Einwirkung von Schwefelsäure von verschiedenen Stoffen (Glykosiden, Zellulose, Stärke und anderen) Glykose gebildet, beziehungsweise abgespalten wird, ferner daß auch andere Stoffe, namentlich manche Zersetzungsproduk'te des Zuckers,'^ diese Reaktion liefern.
II. Das Prinzip der modifizierten Fischer'schen Phenyl-
hydrazinmethode.
Die als Monosaccharide bezeichneten Zuckerarten, welche Aldehyd- oder Ketongruppen enthalten, besitzen bekanntlich die Fähigkeit, sich entsprechend den Aldehyden und Ketonen
1 G. Kraus, Botanische Zeitung, 1876, p. 604.
■- Molisch, Zwei neue Zuckerreaktionen. Diese Sitzungsberichte, math.- naturw. Kl., Bd. 97, Abt. I, p. 264. •" Hoppende y 1er, Furfurol.
6 Em. Senft
mit Phenylhydrazin zu verbinden. Bei gewöhnhcher Temperatur verbinden sie sich mit einem Molekül Phenylhydrazin zu farb- losen, meist in Wasser leicht löslichen Hydrazonen.
Bei Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin im Über- schusse verbinden sich die Monosaccharide, ebenso Milch- zucker, Isomaltose und Maltose mit 2 Molekülen Phenyl- hydrazin zu gelben, in Wasser fast unlöslichen Verbindungen, den Osazonen.
CgHi206 + 2N2H3.C6H, =z 2H20 + H2 + CeH,oO,(N,H.C6H5),.
Traubenzucker, Fruchtzucker und Mannose bilden die Osazone direkt, während der Rohrzucker zuerst in die beiden ersteren gespalten werden muß, um das Osazon bilden zu können.
Wie ich in der Einleitung bemerkt habe, hielt ich diese Methode für den mikrochemischen Nachweis geeignet; sie mußte jedoch zu diesem Zwecke eine Modifikation erfahren.
Die Verwendung des Reagens in wässeriger Auflösung, wie sie zum Nachweise des Zuckers diente, konnte aus folgenden Gründen nicht benützt werden:
1. Das Behandeln der Schnitte in größerer Menge dieser Lösung würde dadurch nachteilig werden, daß die Zuckerarten, die in Wasser löslich sind, noch vor der Einwirkung des Reagens aus dem Schnitte herausgelaugt würden und daß es zur Bildung des Osazons außerhalb des Präparates kommen möchte.
2. Die minimale Menge der zuzusetzenden Flüssigkeit, welche nötig wäre, um den Raum zwischen Deckglas und Objektträger auszufüllen und das Präparat zu bedecken, möchte bei Erwärmen am Wasserbade schnell verdunsten.
Durch den eventuellen vorsichtigen Ersatz der ver- dampfenden Flüssigkeit durch eine neue Menge hätte man nie eine konstante, zur Durchführung der Reaktion notwendige Konzentration erlangt.
3. Es war schließlich auch wünschenswert, bei der An- wendung der Reaktion eine Flüssigkeit zu gebrauchen, in
Mikrochemischer Zuckernachweis. 7
welcher die Zuckerarten nur schwer löslich sind und welche zugleich, um das Übertragen zu ersparen und die damit meist verbundene Schädigung der Objekte zu verhindern, eventuell zugleich als Einschlußflüssigkeit dienen könnte.
Als eine solche Flüssigkeit hat sich das Glyzerin bewährt; es besitzt nicht die Nachteile der wässerigen Auflösung und ist auch erfreulicherweise imstande, beide Komponenten des Reagens, wie das salzsaure Phenylhydrazin, so auch das essig- saure Natrium aufzulösen. Dagegen bleiben die gebildeten Osazone vollkommen intakt. Durch Versuche gelangte ich zu dem Schlüsse, daß die Lösungen der Reagentien in Glyzerin im Verhältnisse 1:10 am zweckmäßigsten sind. Beide Kom- ponenten des Reagens sind, wie bereits erwähnt wurde, in Glyzerin leicht löslich. Insbesondere, wenn beide Salze früher pulverisiert waren, geht die Auflösung, welche eventuell durch Erwärmen am Wasserbade beschleunigt werden kann, sehr schnell vor sich. Die Lösungen werden in getrennten Stift- fläschchen aufbewahrt und das Reagens erst im Bedarfsfalle zusammengemischt. Manchmal geschieht es, daß in der Auf- lösung von Phenylhydrazin nach längerer Zeit eine spärliche Abscheidung von Phenylhydrazinkriställchen zustande kommt; dadurch wird jedoch das Reagens und auch der Erfolg der Reaktion nicht im geringsten beeinträchtigt. Die Phenyl- hydrazinlösung dunkelt, dem Lichte ausgesetzt, etwas nach und wird gelb bis bräunlich. Durch das Aufbewahren derselben in blauen Fläschchen wird diese Eigenschaft, welche, nebenbei bemerkt, keinen Einfluß auf die Reaktion ausübt, verhindert.^
Zur Ausführung der Reaktion benütze ich noch immer Lösungen, welche ich mir vor drei Jahren hergestellt habe. Es ist demnach das Reagens von ausgezeichneter Haltbarkeit.
Zur Reaktion werden natürlich der leichten Löslichkeit des Zuckers wegen keine früher in Wasser aufgeweichten Schnitte benützt, sondern entweder frisches Material, Glyzerin- oder Alkoholmaterial und bei den getrockneten Objekten (Drogen und anderen) Schnitte des unaufgeweichten Objektes.
1 Die Firma M e r c k in Darmstadt hat mein Reagens in ihr Reagentien- verzeichnis hineingenommen und es kann dasselbe von dieser Firma in tadel loser Qualität fertig bezogen werden.
8 Em. Senft,
Das als Lösungsmittel für beide Komponenten des Reagens gebrauchte Glyzerin vereinigt in den früher erwähnten Vor- zügen noch eine bis zu gewissem Grade quellende und auf- hellende Eigenschaft, so daß auch dickere Schnitte recht brauchbare Bilder liefern.
Zur Ausführung der Reaktion werden auf dem Objekt- träger je ein Tropfen der Phenylhydrazin- und Natriumacetat- lösung mit einer Präpariernadel innig vermischt und der Schnitt des fraglichen Objektes hineingelegt. Das mit dem Deckgläschen bedeckte Präparat legen wir beiseite, um es nach einigen Stunden und den zweiten Tag zu untersuchen.
Das zweite, ebenso hergestellte Präparat wird am siedenden Wasserbade eine halbe Stunde erwärmt und auskühlen gelassen. Bei zuckerhaltigen Schnitten gibt sich schon während des Erwärmens am Wasserbade die Reaktion durch eine intensive Gelbfärbung der Schnitte selbst, sowie auch der dieselben umgebenden Flüssigkeit kund. Gewöhnlich schon beim Ab- kühlen des Präparates kann man unter dem Mikroskope sehr schöne Garben oder Büschel des Osazons wahrnehmen, welche teils im Gewebe selbst, teils außerhalb des Schnittes und da besonders am Rande des Deckgläschens sich abgeschieden haben.
Das Erwärmen der Schnitte am Wasserbade dient in den meisten Fällen bloß zur Beschleunigung der Reaktion, denn man kann in gewissen Fällen, auf welche ich später eingehen will, ohne vorheriges Erwärmen — und diesen Umstand erwähne ich als besonders wichtig — zu gleichen Resultaten gelangen, nur mit dem Unterschiede, daß bei Erwärmen die Ausbildung der Osazonkristalle sehr schön und rasch in den oben angegebenen Formen erfolgt, bei der in der Kälte vor sich gegangenen Reaktion kommt es bloß zur Bildung kleiner Büschel, meist aber zur Bildung von Sphärokristallen, welche im polarisierten Lichte deutlich doppelbrechend erscheinen.
Dadurch, daß die Reaktion auch in der Kälte erfolgt und der Zucker durch den energischen Eingriff der Wärme aus dem Gewebe nicht heraustritt, werden wir in die Lage versetzt, das Reagens lokal einwirken lassen zu können.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 9
Je nachdem, ob wir bloß den Zucker im Gewebe nach- weisen oder ob wir die LokaHsation desselben studieren wollen, werden wir uns bald der ersteren, bald der letzteren Methode bedienen, am besten, wenn wir stets beide gegenseitig zur Kontrolle ziehen.
Die Menge des Zuckers steht mit der Ausscheidung des Osazons sowie auch der Form und Größe seiner Kristalle im direkten Zusammenhang.
Ebenfalls spielt der Wassergehalt des Objektes eine große Rolle. Je wasserreicher das Gewebe des untersuchten Objektes ist, desto schönere Osazonkristalle kommen zur Ausscheidung.
Auf die einzelnen Formen der Osazone, welche bei der Reaktion zutage treten, werde ich bei der Ausführuno einiger Versuche näher eingehen.
Das einzige, was sich gegen diese Methode einwenden ließe, ist das, daß durch die wasserentziehende Eigenschaft des Glyzerins die Zellen zarter Gewebe kollabieren können.
Dieser Nachteil kommt aber kaum in Betracht, denn es handelt sich uns nicht darum, das Gewebe, sondern die Inhalt- stoffe zu studieren.
Ein gleichzeitig hergestelltes Wasserpräparat wird das gewünschte Bild ergänzen.
Die das Bild störenden Luftbläschen können erst nach erfolgter Reaktion, wo kein Austritt des Zuckers in das benach- harte Gewebe mehr zu befürchten ist, mittels der Luftpumpe beseitigt werden. Schnitte, welche durch eine übermäßige Ausscheidung mit Osazon bedeckt sind, können von den anhaftenden Kriställchen durch Abspritzen mit Wasser brauch- bar gemacht werden, da auf diese Weise nur mehr die im Gewebe selbst gebildeten Kristalle übrigbleiben.
Auch das längere Abschwemmen der Schnitte im Wasser ist für das gebildete Osazon, welches fast vollkommen wasser- unlöslich ist, von keinem Nachteil.
Handelt es sich darum, das Osazon aus dem Gewebe zu entfernen, so kann dieses mit siedendem Alkohol geschehen; es sind indes die Osazone bei längerer Einwirkung auch in kaltem Alkohol löslich.
10 Em. Senft,
Die Löslichkeit der Osazone in xA.ll<ohol kann auch dazu dienen, um in solchen Fällen, wo das Osazon in weniger charakteristischen Kristallen oder in amorphen Schollen sich abscheidet, dieses durch Umkristallisieren aus heißem Alkohol rein zu gewinnen.
Aus alkoholischen Lösungen kristallisieren dann die Osazone bei spontaner Verdunstung des Alkohols meist in schönen kleinen Büscheln aus. Das Umkristallisieren kann in fraglichen Fällen auf einem hohl geschliffenen Objektträger oder einem Uhrgläschen vorgenommen werden.
Eine für uns sehr wichtige Eigenschaft der Osazone ist ihre große Resistenz gegen Kalilauge. In Präparaten, auf welche ich lange Zeit selbst 30^0 Kalilauge einwirken Heß, zeigte das Osazon keine Veränderung. Diese Eigenschaft kann vorteilhaft zum nachträglichen Aufhellen der Präparate benützt werden Die Neutralisation der mit Kalilauge aufgehellten Schnitte mittels Essigsäure wird anstandslos vertragen.
Zum eventuellen Nachfärben der Objekte dürfen nur wässerige oder Glyzerin-, nie aber alkoholische Lösungen benützt werden. Auch gegen Chloral zeigen sich die Osazone, wenn auch nicht in dem Maße wie gegen Kalilauge, resistent.
Auf alle Fälle übt auf dieselben die zum Aufhellen der Präparate gebräuchliche 60prozentige Chlorallösung nach einer nicht zu langen Einwirkung keinan schädigenden Einfluß aus.
Als Einschlußmittel für die Präparate nimmt man entweder Glyzerin oder Glyzeringelatine; Kanadabalsameinschluß ist wegen der den Osazon schädigenden Vorbehandlung mit Alkohol unbrauchbar.
Bevor ich die vorgeführte Methode auf den Nachweis des Zuckers in Zellen und Geweben anwendete, prüfte ich zuerst unter dem Mikroskope die Einwirkung der Reagentien auf gelösten oder in Körnchenform benützten Zucker.
Zu diesem Zwecke habe ich teils mit wässerigen Zucker- lösungen 1:1, teils mit gleich schweren Zuckerkörnchen die Reaktion ausgeführt.
Je ein Tropfen der Zuckerlösung oder das Zuckerkörnchen wurden mit dem Reagens vermengt und von jeder Art zwei Präparate hergestellt.
Mikrochemischer Zuckernachvveis.
11
Um gleiche Bedingungen bei allen Proben einzuhalten, habe ich auch die beiden Reagenskomponenten mit einer kleinen Meßpipette abgemessen.
Das eine Präparat bewahrte ich ohne es zu erwärmen auf das zweite erhitzte ich am kochenden Wasserbade und beob- achtete von Zeit zu Zeit die eingetretene Veränderung.
Zur besseren Übersicht gebe ich die Resultate der Unter- suchung in Tabellenform wieder:
1. Präparate kalt behandelt.
Nach 24 Stunden
Dritter Tag
Vierter Tag
Fünfter Tag
Dextrose- körnchen
Lävulose- körnchen
Saccha- rose- körnchen
Dcxtrose- lösung
Lävulose-
lösLing
Saccha- rose- lösung
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Q bO 5
Zitronen- 1 Zitronen- gelbe
gelbe Färbung
Färbung
Spärliche Abschei- dung von kleinen Sphäriten
Reichliche Abschei- dung von
kleinen Sphäriten
Die Kristallbildung nimmt immer zu.
Zitronengelbe Färbung, auch nach einigen Tagen erfolgt keine Osazonbildung.
Zitronen- gelbe Färbung
Spärliche Abschei- dung von
kleinen Sphäriten
Die Krystall-
abscheidung nimmt
immer zu.
Die Kristallabscheidung nimmt immer zu.
Zitronengelbe Färbung, auch nach einigen Tagen erfolgt keine Osazonbildung.
12
Em. Senft,
2. Präparate am kochenden Wasserbade behandelt.
Nach 5 Minuten
Nach 10 Minuten
Nach 15 Minuten
Nach 1 '., Stunde und Abkühlung
Dextrose- körnchen
Dextrose- lösuno:
Lävulose- körnchen
Lävulose- lösuna:
Saccha- rose- körnchen
Saccha-
rose-
lösunsj
Schwach gelbliche Färbung
Stark orange- gelbe Färbung
Intensive zitronen- gelbe Färbung
Starke
gelbe Färbung
Intensiv
zitronengelbe
Färbung
Intensive,
stark
orangegelbe
Färbung
Intensive
orangegelbc
Färbung
Intensive
orangegelbe
Färbung
Schwach gelbliche Färbung
Schwach
zitronengelbe
Färbung
Noch
intensivere
zitronengelbe
Färbung
Fast
gelbbraune
Färbung
Fast
gelbbraune
Färbung-
Gelbbraune Färbung
Orangegelbe Färbung-
Starke
orangegelbe
Färbung
Langsame Abschei- dung von überaus kleinen Osazon- kriställchen in Büscheln oder Sphäriten.
Rasche Abscheidung
großer Osazon-
kristalle in Nadeln,
großen Büscheln und
Garben.
Rasche .Abscheidung
von sehr dicht
stehenden, kleinen
Körnchen, Sphäriten
und Büscheln von
Osazon. An der
Peripherie erfolgt
die .\usscheidung
von großen Garben.
Rasche und sehr reichliche Abschei- dung von sehr großen Garben und Büscheln von Osazon.
Langsame und geringe Abscheidung von meist amorphen
Körnchen von Osazon.
Rasche und reich- liche Abscheidung
großer Osazon-
nadeln in Büscheln
und Garben von
Osazon.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 1 3
Aus diesen Versuchen geht hervor:
1. Die Reaktion tritt bei Erwärmen bei der Dextrose und Lävulose schon in kurzer Zeit (5 Minuten) auf.
1. Bei der Saccharose geni^igt eine kurze Kochdauer, um dieselbe durch das Reagens in Invertzucker zu überführen.
3. In Objekten, welche wasserhaltig sind, respektive wo sich die Zuckerarten in der Lösung befinden, kommt es bei Erwärmen zur raschen und reichlichen Abscheidung von großen Osazonkristallen in Nadeln.
4. Die Abscheidung der Osazone in wasserarmen Objekten, insbesondere in solchen, wo die Zuckerarten in fester Form (Kristallen, Kristallmassen) enthalten sind, erfolgt eine langsame und spärliche Abscheidung von Körnchen, Sphäriten und verkümmerten Büscheln von Osazon.
5. Lävulose und Dextrose bilden auch in der Kälte mit essigsaurem Phenylhydrazin die Osazone, und zwar die Lävulose sehr schnell (in einigen Stunden), die Dextrose erst nach 24 Stunden und später.
6. Saccharose geht in der Kälte mit essigsaurem Phenyl- hydrazin auch nach langer Einwirkung des Reagens keine Verbindung ein und man ist somit durch unsere Reaktion imstande, im Gewebe Saccharose von Dextrose respektive Lävulose zu unterscheiden.
IIL Versuche über Zuckernachweis in Pflanzengeweben.
Bei allen meinen Versuchen ließ ich in der früher an- gegebenen Weise entweder auf die Schnitte des Objektes das Reagens über Nacht kalt einwirken, worauf die Untersuchung am zweiten Tage erfolgte oder es wurde das Präparat durch eine halbe Stunde am kochenden Wasserbade erhitzt, gleich nach dem Erkalten unter dem Mikroskop untersucht und auch noch tags darauf geprüft.
Der Kürze halber sollen im nachfolgenden die kalt be- handelten Präparate mit I, die heiß behandelten mit II bezeichnet
werden.
1. Algen.
Aus dem Bassin des botanischen Gartens fischte ich Ende Oktober an einem sehr kühlen Vormittage einige Algen.
14 Em. Senft,
Zu Hause brachte ich dieselben in ein größeres Gefäß mit Wasser und spülte sie ab, um ein reichliches Sediment von mikroskopischen Algen zu erhalten.
Dieses zentrifugierte ich und benützte das Sediment, von welchem das Wasser fast vollständig abgegossen wurde.
Je ein Tropfen des Zentrifugates wurde mit dem Reagens gemengt, das eine Präparat bei Seite gelegt, das andere erhitzt.
Im Zentrifugate befinden sich hauptsächlich folgende Algen: Micrasterias falcata, Scenedesmns obliqwis und quadri- canda, Docidiuni baccuhim, Pediastrum Boryanum, Anabaena und Spirogyra-F äden sowie andere.
Außer diesen sind vorhanden einige A' avicula- Arten, spärliche Infusorien (Phactis und Etiglena). Pflanzlicher Detritus ist nur in geringer Menge vorhanden.
I. Am zweiten Tag fallen sofort in einzelnen Zellen selbst sowie diesen anhaftende kleine, gelbliche und bräunliche, starre, lichtbrechende Tröpfchen auf (Taf. I, Fig. 2, abc).
Der Zellinhalt hat eine rostgelbe Farbe angenommen. Manche Zellen sind durch die Tröpfchen förmlich bedeckt.
Stellenweise kann man wahrnehmen, daß diese Tröpfchen die Neigung besitzen, sich zu vereinigen, denn es kommen Tröpfchen verschiedener Größe vor.
Am dritten Tag hat die Ausscheidung von Tröpfchen wesentlich abgenommen, dafür findet man aber im ganzen Präparate ziemlich reichliche, große Sphärokristalle, welche im durchfallenden Lichte schmutzig orangegelb, im auffallenden Lichte leuchtend gelb erscheinen (Taf. I, Fig. 2, d, e). Außer diesen finden sich dort, wo größere Anhäufungen von Algen vorkomm.en, deutliche Büschel von gelben Nadeln, welche mit den bis jetzt gesehenen Osazonen identisch waren.
Um mich davon zu überzeugen, daß es sich in diesem Falle tatsächlich um ausgeschiedenes Osazon handelt, habe ich diesen Versuch mit einer größeren Menge (1 cm^ des Zentri- fugates) durchgeführt. Nach zwei Tagen waren die Sphärite wieder zu finden.
Nun wurde das Ganze auf ein kleines Filterchen ab- gespritzt, zuerst das Glyzerin durch wiederholtes Nachwaschen
Mikrochemischer Zuckernachweis. 1 5
mit kleinen Mengen Wassers entfernt und darauf der Rückstand mit heißem Alkohol erschöpft.
Der Alkohol färbte sich intensiv gelb und hinterläßt nach Verdunsten hübsche, kleine, typische Osazonbüschel.
Eine kleine Probe der am Filter gebliebenen Algen zeigt unter dem Mikroskope, daß die früher so reichlich vorhandenen kleinen Kügelchen verschwunden sind.
II. Das heiß behandelte Präparat verhielt sich genau wie das sub I angeführte, nur erfolgte die Ausscheidung der Sphärokörner schon in einem Tage.
Bei einem anderen Versuche, welchen ich mit Algen an- stellte, die ich dem Aquarium des pflanzenphysiologischen Institutes entnahm (fast ausschließlich aus Spirogyra- Arten mit etwas Zygnema und Ullothrix untermischt), bekam ich das Osazon nicht.
Die Veränderung durch das Reagens äußerte sich nur in einer intensiven Rotfärbung der Chlorophyllkörper.
2. Crassula imbricata (Stengelquerschnitt).
Das Grundparenchym ist dicht mit Stärke gefüllt.
I. Die Stärke bleibt intakt. In Zellen, welche dicht mit Stärke gefüllt sind, zeigt sich eine intensiv gelbe Färbung.
Zu einer Osazonbildung kommt es auch nach einigen Tagen nicht.
II. Die Stärke ist vollkommen verkleistert und schon bei Abkühlen des Präparates kommt es zur Bildung von Osazon im ganzen Grundparenchym. Die Korkschichte erfährt in beiden Fällen eine intensive Braunfärbung.
3. Canna (Blattstiel).
I. Die Cuticula sowie die an beiden Seiten der Gefäßbündel im Halbkreise angeordneten Sklerenchymelemente färben sich intensiv gelb. Nach 24 Stunden scheiden sich in dem die Gefäß- bündel scheidenartig umgebenden Parenchym der Bündelhülle Wiesner's^ (Zuckerscheide), welche als eine kontinuierliche
1 Wiesner, Anatomisches und Histochemisches über das Zuckerrohr in Karsten, Botanische Untersuchungen, Berlin 1867, p. 113.
16 Em. Senft,
Hülle die Gefäßbündel umkleidet, reichliche Sphärite von Osazon ab (Taf. I, Fig. 3).
IL Die Ausscheidung des Osazons ist viel reichlicher und es lagern sich im ganzen Grundparenchym. kleine Sphärite in Form von Halbkugeln an den Zellwänden ab (Taf. I, Fig. 4). Die Bündelhülle ist stellenweise durch Osazone vollgepfropft, auch in den Siebbündeln sowie auch auf denselben scheidet sich massenhaft das Osazon ab.
4. Maranta squarrosa (Blattstielquerschnitt).
Das Grundgewebe führt nur in den peripheren Schichten Chlorophyll, im Zentrum ist es dicht mit Stärke erfüllt.
I. Die Cuticula sowie die verholzten Elemente der im Grundparenchym zerstreuten Gefäßbündel färben sich in- tensiv gelb.
Zu einer Ausscheidung von Osazon kommt es auch nach einigen Tagen nicht.
II. Schon bei Erwärmen färben sich die Schnitte intensiv gelb, nach Vg Stunde ist die Stärke fast vollkommen aufgelöst und aufgequollen.
Bei Abkühlen scheiden sich im Grundparenchym massen- haft sehr schöne Büschel oder Sphärite von Osazon ab (Taf. I, Fig. 5).
Die Cuticula sovxie die verholzten Elemente werden fast orangegelb gefärbt.
Stellenweise verlaufen einzelne Gefäßbündel quer durch den Blattstiel. Bei diesen hat sich das Osazon in der Zucker- scheide ausgeschieden. Die Gefäße selbst bleiben farblos.
5. Crassula imbricata (Blattlängsschnitt).
I. Die Chlorophyllkörner färben sich rostrot, sonst ist keine Veränderung merkbar.
II. Es erfolgt eine reichliche Abscheidung von Osazon- büscheln und Sphäriten, welche in der Blattspitze am reich- lichsten sich vorfinden.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 17
6. Convallaria majalis (Blätter).
In einem aus Mazzon in Südtirol stammenden Herbar- materiale von C. majalis fand Mitlach er ^ in den Blättern, insbesondere in der Epidermis und den angrenzenden Partien des Mesophylls massenhafte, zu Büscheln vereinigte Nadeln und Krystallaggregate, welche ganze Komplexe des Blattes eingenommen haben.
Nach seinen Untersuchungen über diesen Körper gelangt Mitlacher zum Schlüsse, daß es sich hier wahrscheinlich um ausgeschiedene Kristalle von Zucker handelt, welcher aus dem Glykoside (Convallarin?) durch Einwirkung von Pilzen ab- gespalten wurde. Er bekam tatsächlich auch in den künstlich mit Schimmelpilzen infizierten, früher von diesen Krystallen freien Blättern, in den von Pilzen ergriffenen Stellen ähnliche Ausscheidungen von Krystallnadeln.
Die Untersuchung dieser Krystalle hat ebenfalls mit größter Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein von Zucker gedeutet.
Ich benützte diese Gelegenheit zur Ausführung der Phenyl- hydrazinprobe und bekam an den Stellen, wo früher die Kristalle vorhanden waren, eine reichliche Ausscheidung von Osazon in Büschelform. Später traf sich noch zweimal die Gelegenheit, Convallaria-Blättev, welche von Pilzen befallen waren, zu untersuchen.
In beiden Fällen trat an den befallenen Stellen die Probe sehr deutlich auf.
Wenn auch in dem benachbarten Mesophyll ebenfalls eine Ausscheidung von Osazon stattfand, so war dieselbe im Ver- gleiche zu der lokalen massenhaften Ausscheidung ver- schwindend klein.
7. Flores Verbasci.
Die Staubgefäße verschiedener Verbascum -Arien sind behaart und erscheinen mit langen, dünnwandigen, einzelligen.
1 Mitlacher, Die zur Neuaufnahme in die achte Ausgabe der österr. Pharmakopoe in Aussicht genommenen Drogen. Pharm. Post, 1902. Hb. Convallanae.
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 2
18 Em. Senft,
keulenförmigen Haaren bedeckt, in vvelciien sich nach Vogl/ ähnlich wie in den Epithelzellen der Filamente, eigentümliche, den Sphärokristallen von Inulin gleichende, gelb gefärbte Körner vorfinden.
Die Haare sind in frischem Zustande mit einem gelben Zellsaft erfüllt, aus dem nach Eintrocknen oder nach Zusatz von Glyzerin oder Alkohol die Sphärokristalle ausgeschieden werden und nach Vogl- einer Zuckerart anzugehören scheinen.
Dieses für meine Untersuchungen so geeignete Objekt behandelte ich zur Entscheidung der Frage, ob es sich hier tatsächlich um Zucker handelt, in der bekannten Art und ver- wendete hiezu eine frische Pflanze.
I. Die Cuticula der Haare färbt sich alsbald gelb, am zweiten Tage ist eine Ausscheidung von Osazon im Lumen der Haare angedeutet, am dritten Tage sieht man sehr schön ausgebildete, meist der Wand anliegende, intensiv gelbe Sphärite (Taf. I, Fig. 6).
II. Es kommt zur Bildung von Osazon außerhalb der Haare in Form von Sphäriten und Büscheln, welche den Haaren aufliegen oder unregelmäßig im Präparate zerstreut sind.
Daß es sich hier tatsächlich um ausgeschiedenes Osazon handelt, dafür spricht vor allem die Bildung desselben außerhalb des Präparates in Büscheln bei dem heiß behandelten Objekte, die sehr intensive fast orangerote Farbe der Sphärite sowie auch ihre Löslichkeit in Alkohol.
8. Birne (sehr zuckerreiche Spielart).
I. Nach 24 Stunden befinden sich im ganzen Präparate dichte Sphärite, oft zu zwei bis drei anemander gereiht (Taf. I, Fig. 7), außerdem amorphe, intensiv gelb gefärbte Schollen in den einzelnen Zellen (Taf. I, Fig. 8).
Die Sklerenchymnester färben sich intensiv gelb. Die Aus- scheidung des Osazons ist keine übermäßige.
II. In einigen Minuten färbt sich das ganze Präparat sowie auch die dasselbe umgebende Flüssigkeit intensiv gelb, etwa
1 A. V. Vogl, Pharmakognosie, p. 128.
2 L. c.
Mikrochemischer Zuckelnachweis. 19
in 10 Minuten ist eine deutliche Ausscheidung von gelben, schon mit freiem Auge merkbaren Körnchen sichtbar.
Nach einer halben Stunde sieht man außerordentlich große, schöne, zu den verschiedensten, meist verzweigten Formen gruppierte Nadeln (Taf. I, Fig. 9), außerdem kleinere, zu Garben vereinigte Krystalle (Taf. I, Fig. 10 a, b, c, d).
Am zweiten Tage ist die Ausscheidung des Osazons noch deutlicher geworden und die im Parenchym zerstreuten Sklerenchymnester fallen schon bei der makroskopischen Be- sichtigung durch ihre orangerote Farbe auf. Außer den früher erwähnten Knstallformen sind noch kleine, stark lichtbrechende, gelbe Kugeln von deutlich krystallinischer Struktur entstanden (Taf. I, Fig. 11).
Manche von ihnen zeigen in der Mitte ein dunkleres Zentrum, um welches sich ein dichtes Kristallgefüge abgelagert hat (Taf. I, Fig. 12). Häufig ist die ganze Kristallaggregation so dicht, daß die Sphärokörner fast als vollkommen homogene Kugeln erscheinen.
Die schon in der Kälte erfolgte Reaktion ist auf das Vor- handensein von Invertzucker zurückzuführen.
Da jedoch die Birne sehr beträchtliche Mengen von Rohr- zucker enthält, ist es natürlich, daß die Ausscheidung der Osazone durch die in der Hitze erfolgte Umsetzung des Rohr- zuckers zu Invertzucker bedeutend stärker wird. Bei vielen der nächsten Versuche wiederholt sich dieser Umstand oft.
Das Vorkommen von Saccharose neben Glykose in süßen Früchten hat Hofmeister durch die Invertinmethode häufig nachgewiesen (Birne, Apfel, Hagebutte, Johannisbrot u. v. a.).
9. Apfel.
I. Bei der kalten Behandlung der Präparate kommt es zu einer lokalen Ausscheidung von Osazon in den Parenchym- zellen.
Dasselbe erscheint in Form mehr weniger deutlich aus- gebildeter Sphärite, welche entweder frei in den Zellen liegen oder häufig der Zellwand in Form von Halbkugeln anhaften (Taf. I, Fig. 13).
20 Em. Senft,
Außer diesen findet man in manchen Zellen amorphe Schollen, wie wir sie bei dem früheren Versuche gefunden haben; stellenweise zeigen jedoch diese anscheinend amorphen Gebilde eine deutliche kristallinische Struktur und es unterliegt keinem Zweifel, daß sich diese Massen allmählich aus den Büscheln, respektive Sphäriten umgebildet haben (Taf. I, Fig. 14).
Bei schwacher Vergrößerung fällt sofort die Anhäufung des Osazons in den Bündelhüllen auf.
Die Gefäße selbst bleiben farblos.
IL Reichliche Bildung von großen Büscheln, darunter manche aus etwas breiteren, straffen Nadeln, welche oft am Rande etwas ausgebreitet sind (Taf. I, Fig. 15). Am zweiten Tage kam es zur reichlichen Bildung kleiner Büschel und Sphärite; die Spitzen mancher Nadeln zeigen köpfchenförmige Anhäufungen sehr kleiner Kriställchen (Taf. I, Fig. 16).
10. Feige (frisch, unreif).
I. Spärliche Abscheidung von dichten Sphärokristallen, welche häufig eine ovale oder elliptische Gestalt annehmen und nicht selten zu mehreren aneinander gereiht sind (Taf. II, Fig. 1).
Die Ausscheidung des Osazons in der Bündelhülle (Zucker- scheide) ist hier außerordentlich schön sichtbar.
II. Reichliche Ausscheidung von Sphärokristallen. Die Bündelhülle ist reichlich gefüllt mit amorphen, länglichen, oft die ganzen Zellen ausfüllenden Osazonmassen (Taf. II, Fig. 2).
Die Gefäße selbst bleiben farblos.
11. Feige getrocknet (Kranzfeige).
Das Objekt ist zu zähe, um Schnitte anfertigen zu können. Es wurde daher ein Stückchen Fruchtfleisch zerquetscht und mit dem Reagens behandelt.
I. Die Peripherie des Präparates ist mit mäßigen Osazon- sphäriten bedeckt, außerhalb des Objektes kam es zur reich- lichen Ausscheidung von großen Sphäriten.
Das Innere des Präparates erscheint gelb gefärbt, Kristalle fehlen, da das Reagens in das Präparat nicht eindringen konnte.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 21
II. Es kommt zu einer übermäßigen Ausscheidung von Osazonkristallen, welche meist zu Büscheln vereinigt sind. Manche von diesen sind durch die massenhafte Anhäufung der Nadeln in der Mitte fast homogen und nur die am Rande herausstrahlenden Nadelspitzen lassen noch die kristallinische Struktur derselben erkennen (Taf. II, Fig. 3, a, b, c).
Außer diesen bildet das Osazon kleine, auf der ganzen Oberfläche grob gekörnte Kügelchen (Taf. II, Fig. 4) und voll- kommen homogen erscheinende Körper, meist von kugeliger oder unregelmäßiger Gestalt, welche auch bei den stärksten Vergrößerungen keine kristallinische Struktur mehr erkennen lassen (Taf. II, Fig. 5).
Hier finden wir die Bestätigung der Vorversuche, daß die Reaktion dort, wo der Zucker in fester Form ausgeschieden ist, zuerst eines Lösungsmittels bedarf, damit die Reaktion in vollem Maße auftritt.^
12. Johannisbrot.
I. Das ganze Parenchym färbt sich gelb und es scheiden sich Kleine, getbe, lockere Sphärite aus.
II. Das Parenchym färbt sich intensiv zitronengelb und das ganze Präparat ist mit enorm vielen kleinen Sphäriten bedeckt, jedoch auch hier steht die Ausscheidung des Osazons mit dem für Johannisbrot angenommenen Zuckergehalt von 60^0 ii^ keinem Verhältnis.
Diese Erscheinung ist ebenfalls auf den früher erwähnten Umstand zurückzuführen, daß der schon in den Früchten in Massen ausgeschiedene Zucker zuerst gelöst werden muß, damit die Reaktion vollkommen erfolgen kann.
Der Zucker kommt in den Parenchymzellen des Frucht- fleisches von Ceratonia siliqua in Form von eingetrockneten, durchscheinenden, den ganzen Zellraum ausfüllenden Massen oder auch Einzelkristallen vor.^
1 Nach A. V. Vogl kommt in den Feigen der Zucker in Form warziger Massen ausgeschieden und beträgt bis 50%. Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genußmittel. Wien 1899, p. 233.
2 A. V. Vogl, Pharmakognosie.
22 Em. Senft,
13. Rosinen.
Das P'ruchtfleisch der Rosinen ist so reicli an Zucker, daß dieser häufig auskristallisiert.
Derselbe scheidet sich meist in Form amorpher Körper, häufig auch in Kristallen aus, welche nicht selten zu strahligen Gruppen angeordnet sind.^
Zur Untersuchung benützte ich je ein kleines Stückchen des Fruchtfleisches, welchem ich die Reagentien zusetzte und mit dem Deckgläschen zerquetschte.
I. Das Objekt färbt sich alsbald an der Peripherie gelb und am zweiten Tage findet eine starke Ausscheidung von Sphäriten statt, welche sich in der das Präparat umgebenden Flüssigkeit derart abgeschieden haben, daß die kleinsten um das Objekt herum liegen und gegen die Peripherie an Größe zunehmen.
Die am Rande des Deckgläschens liegenden Sphaerite sind meist aus zwei anscheinend homogenen, orangegelben Halb- kugeln gebildet, welche sehr dicht mit außerordentlich feinen, hin- und hergebogenen Nadeln bedeckt sind (Taf. II, Fig. Qa, b).
Die früher im Präparate vorhandenen, amorph erscheinenden Zuckerkörper haben sich zuerst aufgelöst und kristallisierten in der Mitte des Präparates, wo das Reagens keinen Zutritt hatte, in großer Menge von Nadeln wieder aus.
II. In den heiß behandelten Präparaten kommt es zu einer sofortigen Bildung eines fast rotbraunen, amorphen Nieder- schlages. Selbst nach der Abkühlung erfolgt keine Kristall- ausscheidung, da das gebildete Osazon keinen Raum zur Kristallisation findet. Nur an der Peripherie des Präparates, wo die Konzentration der Lösung eine geringere ist, bilden sich sehr dichte, orangegefärbte Sphärite.
14. Dattel.
Auch im Fruchtfleische der Datteln ist der Zucker so reichlich vorhanden, daß derselbe wie bei Rosinen in amorphen Massen oder auch Kristallen vorkommt.^
1 A. V. Vogl, Pharmakognosie, Abbildung p. 546 und A. v. Vogl, Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genußmittel. Wien 1899, p. 231.
2 A. V. Vogl, 1. c. p. 231, Abbildung.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 23
I. Reichliche Abscheidung von kleinen Osazonkristallen, welche wie im früheren Objekte so um das Präparat zu liegen kommen, daß die kleinsten derselben im Inneren, die größeren in der Peripherie des Präparates auftreten.
Eine massenhafte Abscheidung von Osazon findet in der Zuckerscheide statt.
II. Die Abscheidung des Osazons ist so stark, daß das ganze Präparat damit vollkommen bedeckt erscheint.
15. Kaffeebohne (ungeröstet).
I. Am Querschnitte durch das Endosperm der Kaffeebohne färbt sich nach Behandlung mit dem Reagens die Cuticula sowie auch das den Zellwänden anliegende Fett intensiv gelb (Taf. II, Fig. 7).
Zu einer Ausscheidung von Osazon kommt es selbst nach Wochen nicht.
II. Das Fett tritt in Form von zitronengelb gefärbten Kugeln oder Tröpfchen aus dem Zellinhalte heraus. Die Bildung von Osazon bleibt auch nach Wochen aus.
Obwohl diese Arbeit bloß das Prinzip der Methode ohne Diskussion der einzelnen Fälle bringt, will ich in diesem speziellen Falle in Anbetracht des negativen Ausfalles der Phenylhydrazinreaktion auf dieses Beispiel näher eingehen.
Die Angaben über den Zuckergehalt der Kaffeebohne sind verschieden. Das Mittel beträgt 97o-
Es ist nämlich die Frage, ob der Zucker schon fertig gebildet in der Kaffeebohne vorkommt oder ob derselbe in einem Glykoside auftritt, welches erst durch Säuren, Enzyme, Hitze etc. den Zucker abgibt.
Molisch^ glaubt, daß die von verschiedenen Seiten ge- machten Annahmen, daß der Zucker hier in Form eines Glykosides vorkommt, unberechtigt sind.
Da eben aber nach Angabe desselben Autors die Fehling- sche Lösung nach kurzer Einwirkung verdünnter Salzsäure das wässerige Samenextrakt reduziert, ebenso wie ein Extrakt,
1 Molisch, Grundriß einer Histochemie der pflanzHchen Genußmittel. Jena 1891, p. 10.
24 Em. Senft,
welches einige Minuten mit Hefe in Berührung war, ist es wohl wahrscheinlich, daß es sich hier um einen Körper glykosi- discher Natur handelt, der erst, durch die Einwirkung der Säure oder eines Enzyms die Glykose abspaltend, die Reduktion ergibt.
Die kurze Dauer, welche nötig ist, um entweder durch Salzsäure oder durch Hefe die Spaltung hervorzurufen, spricht dafür, daß es sich um einen leicht spaltbaren Körper handelt.
Die Annahme von Molisch,^ daß die rasch auftretende Raspail'sche Reaktion, welche ohne Zusatz von Zucker mit Schwefelsäure allein in wenigen Augenblicken in dem Zell- inhalte des Endosperms auftritt, für ein reichliches Vorhanden- sein des Zuckers mit Bestimmtheit spricht, dürfte eben darin die Erklärung finden, daß durch Schwefelsäure aus dem vor- handenen Glykosid zuerst Zucker abgespalten wird und dann die Raspail'sche Reaktion auf Eiweißkörper (genau gesagt auf die einfach hydroxylierten aromatischen Gruppen im Eiweiß -) so verläuft, als wenn man Zucker zugesetzt hätte.
Hofmeister ^ gibt an, daß in den Kaffeebohnenschnitten vor der Inversion keine Reduktion eintritt, während nach der- selben (mittels Hefeinverten) eine deutliche Reaktion zustande kommt.
Da es mir immer gelungen ist, mit meiner Methode Zucker nachzuweisen, wogegen die Reaktion bei der Kaffeebohne aus- blieb, so glaube ich schließen zu dürfen, daß in derselben Zucker fertig gebildet nicht vorkommt, sondern in Form eines Glykosides.
Zum Schlüsse sollen nur mehr einige ergänzende Tat- sachen, welche sich bei der Durchführung dieser Reaktion herausgestellt haben, mitgeteilt werden.
Wiewohl die Phenylhydrazinprobe bei allen hier ver- zeichneten Objekten stets rasch erfolgte, konnte ich in einigen Fällen (es wurden etwa 100 Objekte untersucht) bemerken, daß sich etwa nach 14 Tagen sehr schöne, große, spießförmige.
1 Molisch, I. c.
2 Wiesner, Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 4. Aufl. (Wien 1898), p. 337.
•" Hofmeister, 1. c.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 25
schmale oder abgerundete, breite Blättchen gebildet haben, welche meist zu strahligen Gruppen vereinigt waren, mitunter auch in beträchtlich dicken Kryställchen sich zu Rosetten ver- einigten (Taf. II, Fig. 8, 9, 10).
Es ist höchst wahrscheinlich, daß es sich hier ebenfalls um ausgeschiedenes Osazon handelt.
Solche Krystalle haben sich unter anderen Objekten sehr schön gebildet in den Blättern von Ghiko biloba und der Wurzel von Dauciis Carola.
Insbesondere in den Epidermiszellen des Stengel von Elodea Canadensis waren nach 14 Tagen sehr schöne, manch- mal den ganzen Zellraum ausfüllende Rosetten ausgeschieden (Taf. II, Fig. 11).
Auf die Veränderungen, welche bei dieser Reaktion die Chlorophyllkörper erfahren haben, bin ich nicht speziell ein- gegangen. Es soll nur darauf aufmerksam gemacht werden daß dieselben manchmal vollkommen unverändert bleiben und ihre schöne grüne Farbe behalten (selbst bei Erwärmen der Schnitte), manchmal aber schon in den kalt behandelten Prä- paraten eine rostgelbe Färbung annehmen und ein stacheliges oder körniges Aussehen bekommen.
Noch eines weiteren Umstandes darf nicht vergessen werden. Es ist die intensive Gelbfärbung, welche die verholzten Membranen durch dieses Reagens erfahren.
Diese Gelbfärbung ist sehr verschieden. Die Gefäße bleiben fast oder vollkommen farblos, das verholzte Parenchym färbt sich intensiv zitronengelb bis orangegelb, die Steinzellen fast braun.
Ob hier die Speicherung des Zuckers die Ursache der Farbe ist, bleibe vorläufig unentschieden.
Mit chemisch reinem Holzzucker bekommt man bei der Phenylhydrazinprobe in der Kälte intensiv gelbe Färbungen, in dem heiß behandelten Präparate Ausscheidung von kleinen Büscheln des Xylosazons Ci7H2qN^03.
Ebenfalls wird bei der Ausführung der Phenylhydrazin- probe die verschieden stark auftretende, blaßgelbe bis braune Färbung der cuticularisierten sowie auch der verkorkten Membranen auffallen.
26 Em. Senft,
Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß wir in dem essigsauren Phenj'-lhydrazin ein sehr brauchbares Reagens zum mikrochemischen Zuckernachweise besitzen.
Es darf erwartet werden, daß dieses Reagens sowohl von den Anatomen als auch von den Physiologen mit Vorteil zur Lösung der zahlreichen Fragen über Vorkommen, Wanderung, Umwandlung und Entstehung des Zuckers wird verwendet werden können.
Zum Schlüsse erfülle ich die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Hofrat Prof. Dr. Julius Wies ner für die Aufforderung zu dieser Arbeit sowie für die mir erteilten Ratschläge meinen besten Dank zu sagen.
Mikrochemischer Zuckernachweis. 27
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
1. Kristalle von Kupferoxydul, i'^'^o^j.
2. a Micrasterias falcata -\
b Scenedesmiis quadricauda > nach Einwirkung des Reagens, ^'^^li-
c Scenedesmiis acutus )
e, d Sphärokristalle des Osazon. ^6%.
3. Canna. Eine Partie des Gefäßbündels vom Blatte, sei = Sclerenchym, bh = Bündelhülie mit ausgeschiedenen Osazonsphäriten. ^^^^/i-
4. Canna. Eine Partie aus dem Grundparenchym des Blattstieles mit an den Zellwänden abgeschiedenen Halbkugeln von Osazon. ^^o^j.
5. Maranta squarrosa. Eine Partie des Grundparenchym aus dem Blattstiele mit ausgeschiedenen Osazonnadeln in Büscheln, "^'^'^/i.
6. Verbascum. Haar mit ausgeschiedenen Osazonsphäriten. ■''^%.
7. 8, 9, 10, 11, 12. Birne. Verschiedene Osazonformen. 350/^. 13, 14, 15, 16. Apfel. Verschiedene Osazonformen. 350/^.
Tafel II.
1. Feige, frisch unreif, Osazonsphärite. ^^^jy
2. Feige, frisch unreif, g = ein Gefäß und dis angrenzende Bündelhülle {bh) mit ausgeschiedenen Osazonmassen. 350/^.
3. 4, 5. Feige, getrocknet. Verschiedene Osazonformen. 3ö0/j.
6. a und b Rosinen. Osazonformen. 350^^.
7. Kaffeebohne. Eine periphere Partie des Endosperm am Querschnitte. cut = cuticula. Im Endosperm zahlreiche große durch das Reagens gelb gefärbte Fettröpfchen. Soo/^.
8. 9, 10. Große, breite, zu strahligen Gruppen geordnete Blättchen, welche sich nach 14tägiger Einwirkung des Reagens in den Blattschnitten von Ginko biloba und Daucus Carotu abgeschieden haben. 350/^.
1 1 . Elodea Canadensis. cut = cuticula, ep = Epidermis, in welcher sich nach 14tägiger Einwirkung des Reagens große Rosetten und zu strahligen Gruppen vereinigte Kriställchen abgeschieden haben. ^•^%.
Soill'LK.: MikiiirluMnisdnf '/lUclvriiiachwt'is.
ral'.l.
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0.
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luti-Ansty.TKBannwaiUi.Wien.
Sitzungsberichte d.kais. Alcad. d.Wiss., matli-nalurw. Classe, JB(l.CIXIII.Abth.l.l904.
Sonll , K.: MikTinhrmisiiui- /.iiilvi'rnadiwcis.
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Sitzunosberichte d.ltais. Alcad. d.Wüss., math.-natuiw. Classe, Bd.CXin.AbthJ.lOOl.
29
Über partielle Hemmungs-Erseheinungen bei der Bildung einer Rüekensehale von Testudo
tornieri Siebenr.
von Kustos Friedrich Siebenrock.
(Mit 1 Textfigur.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.)
Durch die Freundlichkeit des Herrn L. Müller in München erhielt ich vom dortigen Museum die Rückenschale einer jungen Landschildkröte zugeschickt, die aus Lindi in Ostafrika ein- gesendet wurde. Schon Müller fiel die große Ähnlichkeit dieser Schale mit der von mir beschriebenen Testudo tornieri (Diese Sitz.-Ber. CXII, 1903, S. 443) auf und der Vergleich der- selben meinerseits mit der Type der genannten Art, welche Eigentum des Berliner Museums ist, sich aber noch in meinen Händen befindet, bestätigte die Vermutung Müllers vollständig.
Die Rückenschale besitzt eine Länge von 136 mm und eine Breite von 89mm; sie ist auffallend niedrig und gleich- mäßig gewölbt, also ohne tuberkelartige Erhöhungen. Sie stimmt in den habituellen Merkmalen mit der Type überein, ausge- nommen einige Abweichungen, die teilweise auf Altersunter- schiede zurückzuführen und teilweise individueller Natur sein dürften.
Erstes Vertebrale vorne breiter als hinten und winkelig vorspringend; Nuchale schmal, fast doppelt so lang als breit; Supracaudale oben durch eine Längsfurche in zwei Hälften geteilt, unten aber einfach; Hinterrand der Schale schwach, jedoch deutlich gesägt.
30
F. Siebenrock.
Testudo tornieri Siebenr. (Nach der Natur.) Rückenschild von innen; zwischen den Knochenplatten die Fontanellen, welche
dunkel gehalten sind. cp^ Erste Kostalplatte n^ Erstes Neurale
cjc2 Zweite Kostalplatte «^ Fünftes Neurale
c p^ Neunte Kostalplatte n ti Nuchalplatte
V Erster Wirbelkörper.
Rückenschale von Teshido tomieri Sieben r. 31
Die Färbung unterscheidet sich insoferne von der Type, als hier die dunkle Farbe prävaliert und die gelben Streifen viel schmäler und auch regelmäßiger verteilt sind als bei jener.
Einen wesentlichen Unterschied bildet die Breite der Brücke, die nicht einmal ganz zweimal, bei der Type aber zwei- undeinhalbmal in der Länge der Rückenschale enthalten ist. Auch die Zahl der Marginalia ist verschieden, denn es sind nicht elf sondern zwölf Paare anwesend und von diesen treten beiderseits fünf anstatt vier mit der Brücke in Verbindung.
Sowohl die ungewöhnliche Breite der Brücke, als auch die erhöhte ZahlderMarginalia scheint nicht normal zu sein, sondern mit einer morphologischen Anomalie des Rückenpanzers im Zu- sammenhange zu stehen. Bei diesem sind nämlich nicht acht Paare Kostalplatten, wie es sonst der Fall ist, anwesend, sondern neun, die mit den Rippen von zehn Rückenwirbeln anstatt neun verbunden werden. Außerdem hat dieser Rückenpanzer die merkwürdige Eigentümlichkeit, daß weder die Neuralia in der normalen Zahl, noch die Kostalplatten mit Ausnahme der drei letzten Paare in ihrem ganzen Umfange entwickelt sind. Daher besteht der Rückenpanzer nicht aus einer soliden Knochen- schale, sondern er bildet durch das Fehlen mehrerer Neuralia in der Mitte vier und durch die geringe Ausdehnung der sechs vorderen Kostalplatten an den beiden Seiten fünf Paare große Fontanellen, zwischen denen die genannten Knochenplatten nur als schmale Streifen erscheinen, die zur Stütze der Rücken- schale dienen.
Die erste mittlere Fontanelle liegt zwischen der Nuchal- platte, den beiden ersten Kostalplatten und dem ersten Neurale, das ein kleines Knochenplättchen zwischen den letzteren dar- stellt. Die zweite Fontanelle, welche viel größer als die erste ist, entsteht durch das Fehlen des zweiten Neurale, hat eine sechs- eckige Form und wird vorne vom ersten Neurale, hinten vom dritten und beiderseits von den Querbalken der drei ersten Kostalplatten begrenzt. Sie wird vom dritten Rippenpaar, das sich mit dem zweiten Kostalplattenpaar verbindet, in zwei un- gleiche Hälften geteilt. Die dritte Fontanelle gleicht der vorher- gehenden nahezu an Größe und Form; sie bildet sich durch den Ausfall des vierten Neurale und durch die geringe Entwicklung
32 F. Sieb en rock.
des vorhergehenden und nachfolgenden Neurale; ihre seitliche Begrenzung vermittelt das dritte bis fünfte Paar Kostalplatten. Sie wird durch das fünfte Rippenpaar ebenfalls in zwei un- gleiche Hälften geteilt. Die vierte und letzte mittlere Fontanelle ist kleiner als die beiden vorhergehenden; sie verdankt ihre Ent- stehung dem Mangel des sechsten und siebenden Neurale und wird daher vorne vom fünften, hinten vom achten Neurale und seitlich vom sechsten bis siebenten Kostalplattenpaar umrahmt. Diese Fontanelle zerfällt in drei Teile durch das siebente und achte Rippenpaar, von denen der mittlere Teil am größten ist.
Während die mittleren Fontanellen durch den teilweisen Ausfall der Neuralia entstanden sind, bilden sich die seitlichen durch einen Hemmungsvorgang bei der Ossifikation der Kostal- platten in vollkommen symmetrischer Weise. Die letzteren erscheinen daher als mehr weniger schmale Knochenstreifen, welche sich lateral mit den Randplatten verbinden und medial einen kurzen Querbalken darstellen, womit sie sowohl unter sich als auch mit den vorhandenen Neuralia nahtweise zu- sammenstoßen. Die Zahl der seitlichen Fontanellen beträgt beiderseits fünf und jede derselben liegt zwischen zwei aufein- anderfolgenden Kostalplatten, so daß also die fünfte zwischen der fünften und sechsten Kostalplatte zu finden ist. Von der sechsten bis neunten Kostalplatte zeigt die Rückenschale eine normale Ossifikation mit ganz geringen Interstitien am Rande, wie sie eben bei jeder jungen Landschildkröte vorhanden zu sein pflegen. Die streifenförmigen Kostalplatten alternieren in der Breite ebenso, wie bei normal entwickelten Exemplaren und dadurch entstehen die ungleich großen Fontanellen zwischen ihnen. Die aufgelagerten Diskoidalschilder sind so angeordnet, daß ihre aneinanderstoßenden Ränder immer auf den rudimen- tären Kostalplatten, respektive den anwesenden Neuralia zu liegen kommen, welche ihnen als feste Rahmen dienen und die Rückenschale stützen, um sie in der Form zu erhalten.
Die mittleren und seitlichen Fontanellen werden von der Bindegewebshaut gebildet, die eben an diesen Stellen nicht zur Verknöcherung gelangt ist, denn sowohl die Neuralia, als auch die Kostalplatten verdanken derselben ihre Entstehung. Die Ossifikation der ersteren geht nach C. K. Hoff mann (Bronns
Rückenmarkschale von Testiido tornieri Sieh enr. 33
Kl. u. Ord., Bd. 6, Abt. III, Chelonü) von den knorpeligen Dorn- fortsätzen aus, welche ringsum mit einer perichondralen Knochenkruste umgeben sind. Von dieser beginnt die Bildung der Neuralia, indem die durch das Bindegewebe der Rücken- haut von einander getrennten Enden der Dornfortsätze durch Knochenbrücken miteinander verbunden werden. Die letzteren breiten sich immer mehr aus und wandeln schließlich die Dornfortsätze ganz in Bindegewebsknochen, respektive in Neuralia um.
Ein ähnlicher Vorgang vollzieht sich bei der Bildung der Kostalplatten. Um die sehr langen knorpeligen Rippen legt sich eine dünne Knochenröhre herum, die an der Außenseite des Rippenperiostes der Rückenhaut entstanden ist. Diese Knochen- röhre, welche sich über die ganze Länge der Rippe erstreckt, wächst immer mehr in die Breite und bildet sich schließlich zur Kostalplatte um, indem sie die eingeschlossene Rippe resor- biert. Ihr Wachstum schreitet in der Breite nicht gleichmäßig fort, sondern sie nimmt gegen die Wirbel hin mehr zu als gegen die lateralen Enden. Daher stoßen die aufeinander- folgenden Kostalplatten bei jungen Tieren medialwärts schon mittelst Nähten zusammen, während ihre lateralen Enden noch durch Fontanellen getrennt bleiben. Bei manchen Schildkröten aber ist dieser Zustand ein bleibender, wie z. B. bei den Chelonidae, weshalb ihre Rückenschale ein primitives Stadium in ihrer Verknöcherung darstellt.
Da nun an der Rückenschale von Testiido tornieri S'i eh enr. mehrere Neuralia gar nicht zur Ossifikation gelangt sind und die vorderen Kostalplatten mit Ausnahme eines kleinen Quer- balkens nur schmale Knochenstreifen bilden, die fast in ihrer ganzen Ausdehnung durch die nicht verknöcherte Binde- gewebshaut getrennt werden, so zeigt dieselbe sowohl partielle Hemmungserscheinungen, als auch ein sehr primitives Stadium in der Bildung des Hautskelettes.
In der Beschreibung der Type wird von mir c. 1. erwähnt, daß die Schale des getrockneten Tieres ziemlich weich und flach gedrückt ist, was ich entweder einer unzweckmäßigen Konservierungsmethode oder einem pathologischen Zustande zuschreiben zu müssen glaubte. Vielleicht ist die Type mit
Sitzb. d. mathem.-naturvv. Kl.; CXIII. Bd., Abt. I. 3
34 F. Sieben rock, Rückenschale etc.
einem ähnlichen Bildungsfehler der Schale behaftet, wie beim hier besprochenen Exemplare. Diese Erscheinung ist umso merkwürdiger, als gerade bei den Testudo-Arten sonst der Rückenpanzer schon frühzeitig zu verknöchern beginnt.
35
Untersuchungen über die Liehtlage der
Laubblätter.
I. Orientierende Versuche über das Zustandekommen der Lichtlage monokotyler Blätter
von
Dr. K. Linsbauer.
Aus dem pflanzenphysiologischen Institute der k. k. Universität in Wien.
(Mit 3 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1904.)
Einleitung".
Obgleich das Problem der Orientierungsbewegungen der Blätter bereits vielfach und vielseitig erörtert wurde, kann es doch keineswegs als gelöst betrachtet werden, was schon daraus erhellt, daß die herrschenden Anschauungen über das Zustandekommen der Lage der Blätter gegenüber dem Lichte dieselben Gegensätze erkennen lassen, welche bereits vor drei Dezennien hervortraten, als man sich mit dieser Frage ein- gehender zu beschäftigen begann, wenngleich sich in neuester Zeit die Stimmen zu Gunsten der Frank'schen Theorie zu mehren scheinen.
Der Kernpunkt des Problems liegt in der Beantwortung der Frage: Beruht die Annahme der fixen Lichtlage der Blätter, worunter wir mit Wiesner die bestimmte Orientierung derselben gegenüber der Richtung des einfallenden Lichtes verstehen, auf einer Kombinationswirkung mehrerer orientierend wirkender Ursachen oder ist sie vielmehr das ausschließliche Ergebnis des Transversalheliotropismus, genauer gesagt, einer »spezifischen
3*
36 K. Linsbauer,
Organisation« der Blätter, derzufolge sie sich im Gleichgewiciite befinden, wenn ihre Lamina einen bestimmten Winkel mit den einfallenden Lichtstrahlen bildet?
In ähnlicher Weise wurde die Frage zumeist und, wie ich glaube, mit Recht formuliert. Nur Krabbe (VI, p. 214) vertritt einen etwas abweichenden Standpunkt. Er sieht in der Lichl- stellung der Laubblätter in jedem Falle eine Kombinations- wirkung, da nicht anzunehmen ist, »daß bei der von Frank vorausgesetzten besonderen Wirkungsweise des Lichts die i^ibrigen Richtkräfte wie Epinastie und Schwere, außer Wirkung treten; ... .es fragt sich nur, ob in dieser Kombination außer dem Licht auch den übrigen Kräften ein maßgebender Einfluß auf die Blattbewegungen zukommt oder ob dieselben gegenüber der Wirkung des Lichtes zu vernachlässigen sind. Wie dem auch sein mag, eine Gleichgewichtslage zwischen den einzelnen Kräften bleibt die Lichtstellung in allen Fällen«.
Im wesentlichen tritt auch in dieser Fassung der bereits oben dargelegte Gegensatz zu Tage; denn wenn eine Kraft — in unserem Falle das Licht — einen so maßgebenden Einfluß auf die Blattlage ausübt, daß die übrigen orientierenden Ursachen vernachlässigt werden können, handelt es sich im Grunde doch um keine Kombinationswirkung. Hingegen muß betont werden, daß die Existenz des Transversalheliotropismus noch nicht widerlegt ist, falls man sich für die Annahme entscheidet, daß die Lichtlage das Resultat des Zusammenwirkens mehrerer Kräfte ist, da der Transversalheliotropismus immerhin eine Komponente, wenn auch nicht die allein ausschlaggebende sein könnte.
Ich halte es nicht für überflüssig, an dieser Stelle einen kurzen orientierenden Überblick über die Entwicklung und den heutigen .Stand unserer Frage zu geben, da ich beabsichtige, der vorliegenden Untersuchung, welche in mehrfacher Hinsicht nur den Charakter einer Vorarbeit an sich trägt, weitere Unter- suchungen über diesen Gegenstand folgen zu lassen und ich schon von vornherein genötigt bin, zu gewissen theoretischen Anschauungen und zur Auffassung verschiedener Termini Stellung zu nehmen. Hier sollen zunächst die Anschauungen über das Zustandekommen der Lichtlage referiert werden,
Lichtlage der Laubblätter. 37
soweit dazu nicht Torsionen erforderlich sind, da ich auf letztere in einem späteren Kapitel zu sprechen kommen werde.
Frank verstand unter Transversalheliotropismus eine durch das Licht verursachte Wachstumsbewegung, deren Ziel diejenige Stellung ist, in welcher »ein bestimmter transversaler Durchmesser des Organs« mit der Richtung, in welcher das Licht wirkt, zusammenfällt. Infolge dieser Bewegung stellen sich die Blätter senkrecht zur Richtung des einfallenden Lichtes (IV, p. 77).
Wiesner (XVIII, II. T., p. 41) präzisierte auf Grund ein- gehender Beobachtungen die Lage der Blätter zum Lichte noch genauer, indem er zeigen konnte, daß sich die Blätter in der Regel senkrecht auf die Richtung des stärksten diffus en Lichtes stellen. In gewissen Fällen kann jedoch auch eine Orientierung der Lamina schräg zur Einfallsrichtung des Lichtes zu stände kommen, ein Verhältnis, welches er als »ungünstige fixe Licht- lage«! bezeichnete (XVIII, IL T., p. 45).
Darwin erkannte gleichfalls, daß sich die Blätter nicht immer senkrecht zur Einfallsrichtung des Lichtes stellen, mit anderen Worten, daß durch die Annahme eines Transversal- heliotropismus jene Fälle nicht erklärt werden, in welchen kräftig insolierte Blätter »ihre Ränder dem Lichte aussetzen« (I, p. 379). Das Zustandekommen dieser Blattlage führte er infolgedessen auf eine andere Richtungsursache, den »Para- heliotropismus« zurück, während er dementsprechend den Frank'schen Terminus durch den Begriff »Diaheliotropismus« ersetzte. Erst Fr. Darwin (II) suchte die Berechtigung der Annahme eines Transversalheliotropismus auf experimentellem Wege mit Zuhilfenahme des Klinostaten zu begründen.^
Zu wesentlich demselben Standpunkte gelangten später Vöchting und Krabbe, welchen eine Reihe wichtiger Auf- schlüsse über die Orientierungsbewegungen der Blätter zu danken sind.
1 Wiesner zeigte später, daß eine solche Lichtlage an »aphotometri- schen« und »panphotometrischen« Blättern einzutreten pflegt, während sich »euphotometrische« Blätter stets genau normal zur Richtung des stärksten diffusen Lichtes des dem Blatte zu Gebote stehenden Lichtareals orientieren (XX).
2 Die Originalarbeit Fr. Darwin's war mir leider unzugänglich.
38 K. Linsbauer,
Vöchting (XVI) kam auf Grund seiner Versuche mit Malvaceen, deren Blätter durch den Besitz von Blattgelenken ausgezeichnet sind, zu der Anschauung, daß die Stellung der Blattlamina allein durch das Licht bedingt wird. Der Blattfläche soll überdies ein Transversalgeotropismus oder wie ihn Vöchting nennt, Horizontalgeotropismus zukommen, der aber anscheinend während des täglichen Beleuchtungswechsels nicht zur Geltung kommt. Ganz abweichend hievon verhält sich der Blattstiel, dessen Lage hauptsächlich durch negativen Geotropismus und Epinastie zu stände kommt, wobei letztere durch intensive Beleuchtung noch verstärkt werden kann. Das Blattgewicht hat auf die Stellung der Blätter von Malvaceen und wohl auch vieler anderer Gewächse keinen Einfluß; hingegen dürften verschiedene »innere« Bedingungen, z. B. Rektipetalität, die Lage des Blattes beeinflussen. Besonders verdient die Tatsache hervorgehoben zu werden, daß bei den Malvaceen zwischen Blattlamina, Gelenk und Stiel »innere Wechselbeziehungen« bestehen, insofern als die zur Licht- stellung der Spreite erforderlichen Bewegungen des Gelenkes und des Blattstiels von der Lamina bestimmt und reguliert werden.
Krabbe (VI) entscheidet sich im allgemeinen gleichfalls für die Annahme einer besonderen heliotropischen Eigenschaft der Blätter, welche deren Lichtstellung bedingt. Ich will hier nicht von dem Versuche Krabbe 's sprechen, die Notwendigkeit dieser Anschauung gewissermaßen mathematisch zu begründen, da mir die Berechtigung einer auf willkürlichen Annahmen auf- gebauten Beweisführung von vornherein zweifelhaft erscheint. Um so mehr Interesse beansprucht der experimentelle Teil vorliegender Untersuchung. Krabbe fand bei sämtlichen unter- suchten Blättern, daß die Bewegungen, welche zur fixen Licht- lage führen, ausschließlich in der oberen Blattstielregion aus- geführt werden, wenngleich die Epinastie, wie es vielfach der Fall ist, auf die untere Blattstielregion beschränkt ist. Stets ist es aber das Licht, »welches die Blätter in eine bestimmte Lage zum Lichte bringt und sie in dieser festhält«. Allerdings muß Krabbe zugeben, daß die Lichtlage der im oberen Blattstiel- teile stark epinastischen Blätter bei Ausschluß einseitiger
Lichtlage der Laubblätter. 39
Gravitationswirkung »gewissermaßen einen anderen Charakter« annimmt. »Das (vordere) Blatt geht infolge der epinastischen Krümmung nicht selten über die fixe Lichtlage hinaus; und wenn dasselbe durch das Licht auch wiederum gehoben wird, so ist das letztere doch selten im stände, die epinastische Krümmung des oberen Stielteiles und der Blattfläche vollständig auszugleichen« (p. 247). Das heißt offenbar, am Zustande- kommen der fixen Lichtlage dieser Blätter haben — normale Verhältnisse vorausgesetzt — auch Epinastie und negativer Geotropismus Anteil. Trotzdem erklärt der Autor, daß die Bewegungen, welche zur fixen Lichtlage führen, sich »unter der völligen Herrschaft des Lichtes« abspielen, sobald sie sich in einer Ebene vollziehen. Nur wenn zur Gewinnung der fixen Lichtlage Torsionen erforderlich sind, muß auch die Hilfe von Epinastie und negativem Geotropismus in Anspruch genommen werden. In diesen Fällen ist aber die eigentliche Lichtlage, worunter »das Aufhören der Bewegung in einem bestimmten Moment« verstanden wird, wiederum eine besondere Wirkung des Lichtes.
Es muß übrigens betont werden, daß sich Krabbe nur dann berechtigt hält, von einer Kombinationswirkung mehrerer Faktoren zu sprechen, wenn die Angriffspunkte der einzelnen Komponenten in derselben Blattregion liegen. Ich glaube, daß zu einer solchen Einschränkung des Begriffes kein zwingender Grund vorliegt. Ich werde vielmehr immer dann von einer Kombinationswirkung sprechen, sobald eine bestimmte Organ- lage nur dadurch zu stände kommt, daß auf dasselbe mehrere Bewegungsursachen einwirken, gleichgiltig, ob sie an ver- schiedenen Organteilen oder sogar zeitlich getrennt zur Wirk- samkeit kommen. Im Gegensatze zu den Resultaten, welche Vöchting mit Malvaceen erzielte, konstatierte Krabbe, daß bei Phaseolus die Bewegungen des Blattstiels ganz unabhängig von der Spreite vor sich gehen. Ebenso fand Rothert (XI, p. 121) an den Primärblättern von Tropaeolum, daß »die Be- leuchtung der Lamina ohne Einfluß auf die Krümmung des Stiels« ist.
Auch Oltmanns (IX, p. 257) führt die verschiedenen Lagen der Blätter auf ausschließliche Wirkung des Lichtes
40 K, L i n s b a u e r
zurück. Geotropismus, Epinastie etc. vermögen zwar unver- kennbar die Bewegungen, welche zur fixen Lichtlage führen, zu beeinflussen, eventuell zu unterstützen; »das Endresultat, kurz gesagt den Einfallswinkel« vermögen sie nicht zu alterieren. Über die Lichtwirkung selbst äußert sich der Autor an einer anderen Stelle seiner bekannten Arbeit (p. 251) folgender- maßen: »Nachdem ich gezeigt habe, daß alle^ dorsiventralen Organe bei hohen Intensitäten Profil-, bei schwachen Flächen- stellung und bei mittleren schräge Lagen einnehmen, daß also alle Blätter etc. jederzeit sowohl diaheliotropisch als auch paraheliotropisch sind, erscheint es zweckmäßig, eine neue Bezeichnung einzuführen. Ich möchte das Wort Plagiophoto- trophie einführen und damit die Tatsache zum Ausdrucke bringen, daß alle dorsiventralen Organe eine besondere Lage
zum Lichte einnehmen « Der Begriff der Plagiophoto-
trophie soll jedoch, wie aus den späteren Ausführungen des Verfassers hervorgeht (1. c. p. 257), mehr als ein tatsächliches Stellungsverhältnis der Blätter zum Lichte bezeichnen, er ist der Ausdruck der »spezifischen Fähigkeit« der Blätter, »sich in eine bestimmte Lage zum Lichte zu versetzen und in dieser zu
verharren «.
Um die Wirkungsweise dieser »Plagiophototrophie« kennen zu lernen, ist es nötig, die Beispiele, aufweiche sich Oltmanns stützt, näher ins Auge zu fassen. Er beobachtete vor allem, daß der Winkel, welchen die Blättchen von Rohinia und Phaseolus sowie die Blätter von Tropaeolum^ mit der Einfalls- richtung des Lichtes einschließen, mit zunehmender Licht- intensität verkleinert wird, eine Erscheinung, welche als »ganz allgemeine Eigenschaft dorsiventraler Organe überhaupt« hin- gestellt wird. Der Verfasser rechnet nicht allein diejenigen Fälle hieher, bei welchen die Profilstellung durch eine Krümmungs- bewegung der Blätter in ihrer Medianebene, sei es mit oder
1 Die Verallgemeinerung dieser Versuchsergebnisse auf alle dorsiventralen Organe scheint mir doch zu weit zu gehen.
2 Bei Tropaeoliim gelang es Oltmanns zwar nicht, volle Profilstellung zu erhalten, doch »könnte man die Intensität des Lichtes hinaufschrauben, so würde man, daran ist nicht zu zweifeln, volle Profilstellung erzielen«.
Lichtlage der Laubblätter. 41
ohne Gelenk, erzielt wird, sondern auch die Kompaßpflanzen, welche unter gewissen Beleuchtungsverhältnissen durch Torsion in die Profilstellung übergehen können. Ferner sind verschiedene Erscheinungen hieher zu zählen, auf welche bereits VViesner (XXI) und Stahl aufmerksam gemacht hatten, wie Faltung der Blätter im Medianus, Anschmiegen der Blättchen von Callima an den Stamm bei starker Insolation etc. Eine Erklärung, wie es denkbar ist, daß so verschiedenartige Bewegungser- scheinungen, Krümmungen, Torsionen und Faltungen der Blätter, auf die Wirkung der postulierten Plagiophototrophie allein zurückgeführt werden können, hat Oltmanns nicht versucht.
Wenngleich jedoch die Berechtigung des Terminus Plagio- phototrophie im Sinne einer spezifischen Lichtempfindlichkeit der dorsiventralen Blätter, wie ich glaube, angezweifelt werden kann, weshalb ich mich desselben in vorliegender Arbeit nicht bedienen werde, so bestätigen jedenfalls Oltmanns' ein- schlägige Versuche den entscheidenden Einfluß des Lichtes auf die Orientierungsbewegungen der Blätter.
Schwendener und Krabbe (XIV, p. 337 f.) sprechen sich gleichfalls gegen die Annahme einer Kombinationswirkung verschiedener Richtkräfte zur Erklärung der Lichtlage aus, da in den Versuchen von Fr. Darwin, Vöchting und Krabbe die Lichtlage auch auf dem Klinostaten eintrat. Es ist übrigens zu betonen, daß Fälle, in welchen die Lichtlage ohne Beteiligung von Epinastie und Schwerkraft angenommen wird, nicht ohne- weiters als Beweise für die Existenz des Transversalhelio- tropismus herangezogen werden können, da die Lichtstellung der Blätter in diesen Fällen auf einer kombinierten Wirkung der Photonastie mit positivem oder negativem Heliotropismus oder mit spontanen Nutationen beruhen könnte.
Ehe ich die Anschauungen derjenigen Physiologen aus- einandersetze, welche sich gegen die Frank'sche Erklärung der Blattlage entschieden, muß ich eines Vorwurfes gedenken, welcher gegen die Anhänger dieser Richtung erhoben wurde. Es wurde nämlich hervorgehoben, daß dieselben nur einzelne Bewegungsursachen der Blätter aufzeigten und die Behauptung aufstellten, daß die Kombination derselben zur Lichtstellung
42 K. Linsbauer,
führe, ohne zu erklären, wie dieses Zusammenwirken sowie die Tatsache zu verstehen sei, daß die Gleichgewichtsstellung der jeweiligen günstigsten Lichtlage entspricht.
Wenngleich ein solcher strikter Beweis nicht erbracht wurde, so ist die genannte Anschauung doch von vornherein nicht abzulehnen. Der verlangte Beweis kann solange nicht geführt werden, als wir, wie bereits de Vries hervorhob, die als tätig angenommenen Kräfte nur ihrer Qualität und nicht auch ihrer Quantität nach erkennen. Dazu kommt, daß wir in den meisten Fällen nicht wissen, ob und inwieweit ein Kor- relationsverhältnis zwischen den verschiedenen Reizeffekten besteht. Trotzdem müssen wir uns zur Annahme einer Kom- binationswirkung verschiedener Kräfte entschließen, sobald die Lichtlage bei Ausschaltung eines oder mehrerer orientierend wirkender Faktoren nicht mehr in derselben Weise zu stände kommt wie bei der Wirksamkeit aller in Betracht kommenden Kräfte.
Gegen die Frank'sche Lehre erhob bekanntlich zuerst de Vries (XVII) energische Einsprache. Die Richtung bilateral - symmetrischer Organe ist nach seiner Auffassung bestimmt durch innere und äußere Ursachen. Jene äußern sich in einem verstärkten Längenwachstum der Organoberseite (Epinastie) — der gewöhnliche Fall bei sich entfaltenden Blättern — oder der Organunterseite (Hyponastie). Von den äußeren Ursachen kommen Schwerkraft und Licht in Betracht. Die erstere kommt in Form von negativem Geotropismus oder von Lastwirkung zur Geltung. Diese übt jedoch ebenso wie der positive Helio- tropismus, der übrigens an Blättern oft nicht zu beobachten ist, auf die Richtung der Pfianzenteile nur eine geringe Wirkung aus.
Hatte Frank die Bedeutung des Lichtes für das Zustande- kommen der Blattlage zu hoch angeschlagen, so unterschätzte de Vries diesen jedenfalls bedeutsamen Faktor, worauf bereits V/iesner (XIX, p. 110) mit gutem Rechte hinwies. Dieser Forscher räumt dem Lichte unter allen Richtungsursachen eine entscheidende Stellung ein. Die Lichtlage der Blätter beruht nach dessen Auffassung (XVIII, II. T., p. 50 ff.) auf einem Zusammenwirken von negativem Heliotropismus und negativem
Lichtlage der Laubblätter. 43
Geotropismus. Wie aber so häufig anscheinend einfache vitale Vorgänge bei näherer Analyse auf ein Ineinandergreifen kom- plizierter Prozesse zurückgeführt werden müssen, so denkt sich Wiesner auch die Annahme der fixen Lichtlage als einen verwickelten Bewegungskomplex. Neben den bereits genannten Bewegungsursachen wirken auch positiver Heliotropismus (der Blattunterseite) und Eigengewicht, zumeist allerdings in unter- geordneter Weise an der Blattorientierung mit. Dem Lichte fällt überdies neben der heliotropischen noch eine andere Wirkung zu; es verstärkt die Biegungsfestigkeit der beleuchteten Seite — zumeist der Oberseite — und bewirkt dadurch ein Verharren des Blattes in der günstigsten Lichtstellung (XXII).
Sachs (XII) schließt sich enge an die Beobachtungen von de Vries an. Seine Auffassung bedeutet aber insofern einen wesentlichen Fortschritt, als er der Bedeutung des Lichtes Rechnung trug. Er konstatierte in gewissen Fällen die Ab- hängigkeit der Epinastie vom Lichte und führte infolgedessen die Lage dorsiventraler Organe, zunächst des Marchantia- Thallus, auf das Zusammenwirken von negativem Geotropismus, positivem Heliotropismus der Unterseite und Epinastie zurück, welch letzterein diesem Falle auf der Wirkung des Lichtes beruht.
Die Stellung, welche Pfeffer (X, p. 292) in dieser Frage einnimmt, ergibt sich wohl am klarsten aus folgender Stelle seines Handbuches: »Tatsächlich dürften in dorsiventralen Organen, deren Stellung auch von der Empfindlichkeit gegen Licht abhängig, Heliotropismus und Photonastie zumeist, ver- mutlich aber in einem spezifisch ungleichen Grade zusammen- wirken. Tiefere Einsicht gestatten die bisherigen Erfahrungen noch nicht, indes reichen sie aus, um zu zeigen, daß .... viele Blätter u. s. w. heliotropisch empfindlich sind, jedoch auch
Photonastie mitwirkt, um die Fläche plagiotroper Organe
in einen für Beleuchtung günstigen Winkel gegen das ein- fallende Licht zu stellen.«^
1 Aus dieser und anderen Stellen erhellt auch, wie ich glaube, daß Pfeffer nicht ohneweiters als »Verteidiger des Frank'schen Transversalhelio- tropismus« hingestellt werden kann (siehe Vöchting), wenngleich er diesen Terminus unter gewissen Umständen als vorteilhaft akzeptiert.
44 K. Linsbauer,
Ich begnüge mich, an dieser Stelle die verschiedenen Ansichten über das Zustandekommen der fixen Lichtlage in Kürze skizziert zu haben, da ich auf die Untersuchungen, welche einzelne Orientierungsbewegungen zum Gegenstande haben, in den diesen gewidmeten Abschnitten näher eingehen werde. Daß man trotz eingehender experimenteller Studien zu so widerspruchsvollen Resultaten gelangte, mag zum Teile auf zwei Ursachen zurückzuführen sein. Einerseits operierten die verschiedenen Forscher nicht immer mit denselben Pflanzen, verallgemeinerten vielmehr häufig die an einigen Objekten gewonnenen Resultate; andrerseits wählte man aus nahe- liegenden Gründen mit Vorliebe solche Pflanzen zu den Ver- suchen aus, welche die fixe Lichtlage möglichst deutlich und rasch einnehmen, welchen Forderungen besonders gestielte» womöglich durch den Besitz von Gelenken ausgezeichnete Dikotylenblätter am besten entsprachen. Die Lichtlage nicht gestielter Blätter der Mono- und Dikotylen hingegen wurde nur in ganz vereinzelten Fällen eingehender untersucht. Und doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß gerade an diesen, durch eine wenig vorgeschrittene Arbeitsteilung charakterisierten Blättern die Bewegungen, welche zur Annahme der fixen Lichtlage führen, leichter und sicherer analysiert werden können als bei hoch differenzierten Blättern, bei welchen auf die Bewegungen der Spreite, des Blattstiels und der Gelenke eventuell auch auf eine korrelative Einwirkung der Blatteile aufeinander Rücksicht genommen werden muß.
Es war daher ein naheliegender Gedanke, das Verhalten der einfacheren Typen der monokotylen Blätter genauer zu untersuchen. Mein Ziel bestand einstweilen vornehmlich darin, die Wirksamkeit der einzelnen dabei in Betracht kommenden Orientierungsursachen zu erkennen und die Annahme der diesen Blättern eigentümlichen Lichtlage so weit als möglich aufzuklären. Dabei handelte es sich wieder zunächst um die Frage, ob den genannten Blättern transversalheliotropische Eigenschaften zuzuschreiben sind, wie dies von Seite Frank's geschah. Ein tieferes Eindringen in das Wesen der einzelnen Bewegungsursachen lag zunächst nicht im Plane dieser Unter- suchung, die nur als Vorarbeit beurteilt sein will. Hingegen
Lichtlage der Laubblätter. 45
■*o
unterließ ich es nicht, auf einzelne besonders wichtige Detail- fragen, welche sich im Laufe der Untersuchung ergaben, hinzu- weisen. Sie werden zum Gegenstande spezieller Beobachtungen gemacht werden.
Als Versuchspflanzen benützte ich einige Monokotyle mit radiär oder isolateral gebauten Blättern, hauptsächlich jedoch solche mit grundständigen, ungestielten, bandförmigen Blättern (Flachblättern) von isolateralem oder dorsiventralem Baue, wie sie so häufig bei Liliaceen und Amaryllideen angetroffen werden.^ Meine Versuche wurden in der Zeit von Dezember 1902 bis Ende Juni 1903 durchgeführt. Ich hatte mich dabei viel- fach des bewährten Rates meines hochgeschätzten Lehrers Herrn Hofrates J. Wiesner zu erfreuen, welcher meine Versuche mit stetem Interesse verfolgte und mir hiezu die reichen Mittel seines Institutes in zuvorkommendster Weise zur Verfügung stellte, wofür ich an dieser Stelle meinen ergebensten Dank ausspreche.
Heliotropismus.
Den Blättern wurde von verschiedenen Autoren positiver, negativer und Transversal- (Dia-) Heliotropismus zugeschrieben. In diesem Abschnitte soll nur von den beiden erstgenannten Reaktionsformen die Rede sein.
Was zunächst den positiven Heliotropismus der Blätter betrifft, so wurde er von einer Reihe von Forschern (Sachs, Hofmeister, Vries, Wiesner u. a.) an zahlreichen Blättern experimentell festgestellt. Hingegen ist die Frage, ob er beim Zustandekommen der fixen Lichtlage eine Rolle spielt und worin diese eventuell besteht, nicht völlig sichergestellt. Die meisten Autoren halten ihn für viel zu gering, als daß ihm in dieser Hinsicht eine nennenswerte Bedeutung zufallen sollte. De Vries konnte ihn an vielen Blättern überhaupt nicht nach- weisen, fand ihn aber sonst so unbedeutend, daß er die Epinastie nicht zu überwinden vermag. Sachs hält ihn gleichfalls im
1 Gramineen, die bezüglich ihres heliotropischen Verhaltens eine teil- weise Bearbeitung durch Rothert erfahren haben, schloß ich von meinen Versuchen aus, da Untersuchungen hierüber demnächst von W. Figdor ver- öffentlicht werden sollen.
46 K. Linsbauer,
allgemeinen für gering und schreibt nur den Monokotylen einen stärkeren Heliotropismus zu. Wiesner führte hingegen den Nachweis, daß der Effekt des positiven Heliotropismus unter gewissen Bedingungen sowohl bei sitzenden als auch bei ge- stielten Blättern beträchtliche Werte erreichen kann. Dies ist der Fall zur Zeit des stärksten negativen Heliotropismus sowie an etiolierten Blättern. Wiesner betrachtet speziell die Blatt- unterseite als positiv heliotropisch. Der positive Heliotropismus besitzt insoferne eine Bedeutung für die Gewinnung der fixen Lichtlage, als er bei geringer Lichtintensität den negativen Geo- tropismus bei der Aufrichtung der Blätter unterstützt. Im all- gemeinen fällt ihm aber auch nach Wiesner keine wesentliche Aufgabe zu. Der genannte Forscher äußert sich hierüber, indem er seine Anschauungen über das Zustandekommen der Blattlage zusammenfaßt: »In erster Linie ist es das Entgegenwirken von negativem Heliotropismus und negativem Geotropismus, welches die fixe Lichtlage bedingt. Das Gewicht des Blattes und der positive Heliotropismus spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle (XVIII, II. T., p. 58).
Daß gewisse Blätter sehr energische heliotropische Krüm- mungen ausführen können, lehren auch die Versuche Rothert's (XI) mit Gramineenkotyledonen und ^///mw- Blättern. Auf die letztgenannten Experimente werde ich an anderer Stelle zurück- kommen. Die Beobachtungen über heliotropische Krümmungen von Blattstielen will ich jedoch ganz übergehen, da ich nur mit ungestielten Blättern operierte.
Ich habe hier noch eines besonderen Falles heliotropischer Blattkrümmungen zu gedenken, welchen, abgesehen von einer gelegentlichen Beobachtung Sachs' bei Fritillaria imperialis (XIII, p. 746), zuerst W i e s n e r eingehender untersuchte (XVIII, II. T., p. 48; XX). Er machte auf eine Reihe von Fällen aufmerksam, in welchen sich Blätter unter dem Einflüsse einseitig einfallenden Lichtes sichelförmig der Licht- quelle zuwenden. Sie nehmen gegenüber dem Oberlichte stets die fixe Lichtlage an, während sie vom Vorderlichte derart helio- tropisch beeinflußt werden, daß ihr beleuchteter Rand konkav, ihr Schattenrand konvex wird. Wiesner fand solche Sichel- krümmungen bei Cainpaniila persicifolia, Knautia süvatica,
Lichtlage der Laubblätter. 47
Succisa pratensis, Stellaria graminea, uliginosa und glauca, Taraxactim (Rosettenblätter) sowie in besonders schöner Weise ausgeprägt an den Keimblättern von Abies pectinata} Wie ich einer persönlichen Mitteilung Herrn Hofrates Wiesner ver- danke, beobachtete er in der Folge dieselbe Erscheinung noch an: Moehringia miiscosa, Melampyrum silvatictim und Gentiana asclepiadea.
Abgesehen von diesen Beobachtungen ist mir aus der Literatur nur noch ein ähnlicher Fall bekannt geworden, den Roth er t (XI) mitteilt. Er betrifft die Blätter im Dunkeln ge- zogener Zwiebel von Alliiun Cepa. Die infolge Lichtmangels flach gebliebenen Spreiten krümmen sich sowohl mit ihrer breiten Fläche als auch mit der Schmalseite gegen die Lichtquelle. In letzterem Falle ist jedoch der Effekt ein sicht- lich geringerer, was auf den Krümmungswiderstand zurück- geführt wird.
Im übrigen schenkte man dieser Form der heliotropischen Krümmung keine weitere Beachtung, so daß weder ihre Ver- breitung studiert, noch untersucht wurde, ob ihr eine besondere Bedeutung zukommt.
Bezüglich des negativen Heliotropismus der Blätter gehen die Ansichten der verschiedenen Forscher weit auseinander- Hofmeister war der erste, welcher den Blättern negativ helio- tropische Eigenschaften zuschrieb. Er führte das stärkere Wachstum der Blattoberseite im Lichte, auf welchem die Aus- breitung der Blätter und die fixe Lichtlage beruht, auf negativen Heliotropismus zurück. De Vries hingegen leugnete die negativ heliotropische Empfindlichkeit der Blätter gänzlich. Das verstärkte Wachstum der Blattoberseite galt ihm als ein Fall von (longitudinaler) Epinastie. Sachs zeigte wohl, daß diese Epinastie in vielen Fällen vom Lichte abhängig ist. Dem gegen- über betonte jedoch Wiesner mit Recht, daß die Ausdrücke Epi-, beziehungsweise Hyponastie nur in dem Falle Berechtigung haben, wenn sie ein von äußeren Faktoren völlig unabhängiges ungleichseitiges Wachstum bezeichnen. Die vom Lichte ab- hängige Epinastie, wie sie bekanntlich z. B. bei Wurzelblättern
Abgebildet in XVIII, IL T., p. 48.
48 K. Linsbauer,
auftritt, welche bei geringer Lichtintensität aufgerichtet sind, während sie bei zunehmender Beleuchtung durch verstärktes Wachstum ihrer Oberseite sich mehr oder minder flach aus- breiten, faßte Wiesner wie Hofmeister als negativen Helio- tropismus auf.
Den Blättern kommt also nach Wiesner zugleich positiver und negativer Heliotropismus zu; speziell die Blattoberseite ist negativ heliotropisch reizbar. Auf dieser Eigenschaft sowie auf negativem Geotropismus beruht in erster Linie das Zustande- kommen der fixen Lichtlage. In neuerer Zeit wurde die Frage nach dem negativen Heliotropismus der Blätter nicht näher geprüft. Ich werde bei Besprechung der Photonastie nochmals auf dieses Thema zurückkommen.
Das heliotropische Verhalten der Blätter erscheint bei flüchtiger Überlegung befremdlich, da das Ziel der (dz) helio- tropischen Krümmung eines Organs in der Einstellung des- selben in die Richtung der Lichtstrahlen besteht, wodurch es — wenigstens theoretisch — der Lichtwirkung völlig entzogen wird, während das grüne Laubblatt gerade auf das Licht an- gewiesen ist, um seiner Funktion Genüge zu leisten. Diese Überlegung trug wohl auch zum Teile dazu bei, daß man dem Heliotropismus keinen oder einen nur ganz untergeordneten Einfluß auf die Orientierungsbevvegungen der Blätter zuschrieb oder ihn stets in Kombination mit antagonistisch wirkenden Kräften treten ließ.
Um die Bedeutung des Heliotropismus richtig würdigen zu können, müssen wir uns die Frage vorlegen, ob das oben angegebene Ziel der heliotropischen Krümmung auch tatsäch- lich unter allen Umständen angestrebt wird. Daß das Ziel der Krümmung in der Regel als zum Wesen des Heliotropismus gehörig aufgefaßt wird, beweisen die in den meisten Lehr- büchern gegebenen Definitionen desselben. Wiesner hat hingegen in seiner Monographie der heliotropischen Erschei- nungen eine Definition dieser Bewegung gegeben, in welcher der Begriff des Endziels derselben ausgemerzt ist. Er faßt unter Heliotropismus alle jene Phänomene zusammen, für welche das Gesetz gilt, daß, wie auch immer die Orientierung des Organs zum Lichte ausfällt, sie vom Lichte vollzogen
Lichtlage der Laubblätter. 49
wird und als eine Erscheinung des Längenwachstums sich manifestiert.-
Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die in der Richtung der Lichtstrahlen abnehmende Lichtstärke, nicht aber die Richtung der Strahlen als solche die heliotropische Reaktion verursacht, so erhellt schon aus rein theoretischen Über- legungen, daß heliotropisch empfindliche Organe die v^er- schiedensten Lagen zur Richtung des einfallenden Lichtes ein- nehmen können. Wird ein radiäres, allseits gleich empfindliches und reaktionsfähiges Organ einseitiger Beleuchtung ausgesetzt, so wird bekanntlich die nicht belichtete Seite relativ länger als die Gegenseite, woraus eine Krümmung gegen die Lichtquelle hin resultiert, die solange an Größe zunimmt, bis die Richtung des einfallenden Lichtes erreicht ist, da in diesem Stadium sämtliche Seiten des Organs gleichmäßig beleuchtet sind. Denken wir uns nun ein fiächenförmiges, beiderseits gleich empfind- liches und reaktionsfähiges Organ einseitiger Beleuchtung aus- gesetzt, so kann das Resultat verschieden sein. Nehmen wir an, es fielen parallele Strahlen aus seitlicher Richtung ein, so müssen naturgemäß sämtliche Elemente der Oberseite gleich- mäßig gegenüber denen der Unterseite im Wachstume zurück- bleiben, da die gesamte Oberseite zwar schräg, aber gleich- mäßig beleuchtet ist. Ein solches Organ wird sich demnach zufolge seines positiven Flächenheliotropismus ^ nicht in die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen einstellen, sondern sich jedenfalls in seiner eigenen Medianebene krümmen müssen, bis Ober- und Unterseite gleich stark beleuchtet sind. Fallen die Lichtstrahlen parallel zur Medianebene des Blattes auf, dann fällt natürlich die Krümmmungsebene desselben mit der Ein- fallsebene des Lichtes zusammen.
1 Unter diese Definition fällt natürlich auch der Begriff »Photonastie«. Siehe hierüber S. 26.
- Um die Darstellung zu vereinfachen, nehme ich an, daß das Organ keinen Kantenheliotropismus (siehe p. 60) besitzt, sich demnach nicht sichel- förmig gegen das Licht krümmt und auch keine Torsion ausführt, um die Krümmungsebene parallel zur Einfallsebene des Lichtes zu stellen, was bei Blättern zumeist der Fall sein dürfte.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Kl.; CXIII. Bd., Abt. L 4
50 K. L i n s b a LI e r,
Verhält sich nun ein solches flächenförmiges Gebilde physiologisch dorsiventral, d. h. ist eine der beiden Organseiten heliotropisch empfindlicher oder reaktionsfähiger als die Gegen- seite, dann wird es sich niemals, auch nicht in dem Falle, wo die Lichtstrahlen parallel zur Medianebene auf seine Fläche auftreffen, genau in die Richtung derselben einstellen. Denn wenngleich in diesem Falle beide Organseiten gleich^ beleuchtet sind, wird doch die empfindlichere auf den gleichen Reiz stärker als die Gegenseite reagieren. Ist z. B. die heliotropische Perzeptionsfähigkeit der Oberseite geringer als die der Unter- seite, welche wir als die stärker beleuchtete annehmen wollen, und fällt das Licht senkrecht zu dieser ein, so wird die helio- tropische Krümmung dieser Seite über die Richtung des ein- fallenden Lichtes hinausgehen, so weit, bis die Oberseite so stark beleuchtet ist, daß ihre Wachstumsintensität so groß wird wie die der schwächer beleuchteten Blattunterseite.
Diese Überlegung läßt sich in analoger Weise auch auf negativ heliotropische Organe übertragen. Es erhellt daraus, wie ich glaube, aufs deutlichste, daß ein flächenförmiges Organ heliotropisch sein kann, ohne sich in die Richtung einseitig einfallenden Lichtes zu stellen. Daraus ist aber der weitere, für die Beurteilung des Blatthelio- tropismus wichtige Schluß zu ziehen, daß wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, daß Blätter ausschließlich mit Hilfe ihres Heliotropismus in günstigere Beleuch- tungsverhältnisse gebracht werden können.
Ich habe eine Reihe monokotyler Blätter auf ihren Helio- tropismus geprüft, indem ich sie in gewöhnlicher Weise unter den üblichen Vorsichten einseitiger Beleuchtung aussetzte. Die Pflanzen wurden hiezu entweder in den heliotropischen Kasten eingeführt oder, falls eine höhere Lichtintensität er- wünscht war, frei auf einem Kasten aufgestellt, wobei für die Abbiendung des Seitenlichtes gesorgt war. Als Lichtquelle diente stets diffuses Tageslicht. Ich muß hervorheben, daß ich
1 Theoretisch sind in diesem Falle die beiden Seiten wohl überhaupt nicht beleuchtet, was aber unter natürlichen Beleuchtungsverhältnissen, welche bei der obigen Auseinandersetzung angenommen wurden, infolge der Wirkung des diffusen Lichtes nicht zutrifft.
Lichtlage der Laubblätter. 51
die gleichzeitige Einwirkung der Schwerkraft nicht ausschloß, so daß in den Fällen, in welchen ich keinen Heliotropismus auffand, ein solcher bei Ausschluß der Schwerkraft noch immerhin nachweisbar sein könnte. Für meine Zwecke war es jedoch nicht nötig, so geringe Spuren heliotropischer Krümmungsfähigkeit nachzuweisen, da solche bei den Orien- tierungsbewegungen der Blätter doch höchstens eine ganz untergeordnete Rolle spielen können.
Flächenförmige Blätter orientierte ich im heliotropischen Kasten entweder so, daß Blattfläche und Ebene des Spaltes einander parallel gerichtet waren oder aufeinander senkrecht standen. Im ersten Falle fiel das Licht in einer zur Lamina senkrechten Ebene, im letzteren hingegen parallel zur Blatt- fläche ein. Um einen kürzereren Ausdruck zu gewinnen, bezeichne ich jene Orientierung als Flächen-, diese als Kanten- stellung. Dementsprechend wird eine eintretende heliotropische Krümmung als Flächen-, beziehungsweise Kantenhelio- tropismus bezeichnet werden. Der erstere äußert sich in einer bogenförmigen Krümmung in der Medianebene des Blattes, der letztere in einer in der Blattebene auftretenden Sichelkrümmung der Lamina.
Ich gebe im nachstehenden einen kurzen Auszug meiner Beobachtungen wieder mit dem Bemerken, daß sämtliche Versuche mehrfach wiederholt wurden.
Agapanthus umbellatus.
Deutlicher positiver Flächenheliotropismus beider Blatt- seiten. Ein mit seiner Oberseite gegen annähernd horizontal ein- fallendes Licht orientiertes junges Blatt erreichte eine Neigung von zirka 45° gegen die Horizontale. Der Winkel wurde während der ganzen (28tägigen) Versuchsdauer annähernd beibehalten; die morphologische Blattoberseite war dementsprechend nach unten gerichtet.
Kantenheliotropismus scharf ausgeprägt (Taf I, Fig. 3). 31. I. Ein sich eben entwickelndes Blatt wird in Kantenstellung
horizontal einfallender Beleuchtung ausgesetzt. 17. II. Deutlich positiv heliotropisch. Neigungswinkel zirka 45°.
4*
52 K. Lins bau er,
1. III. Das Blatt ist im oberen Teile nahezu horizontal gerichtet. — Ein zweites jüngeres Blatt ist etwa 45° geneigt.
Clivia nobilis, Imatophyllum miniatum.
Ebenso wie von Agapanthus wurden zahlreiche Exemplare beobachtet, welche im Gewächshause oder auf Fenstern bei einseitiger Beleuchtung kultiviert wurden (Taf. I, Fig. 4). Stets zeigte sich ein sehr ausgesprochener positiver Kantenhelio- tropismus; der P'lächenheliotropismus tritt unter analogen Bedingungen nicht zutage, da er durch andere orientierende Kräfte (namentlich durch Photonastie, siehe p. 82) verdeckt wird.
Amaryllis vittata.
Flächenheliotropismus deutlich, aber schwach. Ober- und Unterseite positiv heliotropisch. Welcher der beiden Seiten stärkerer Heliotropismus zukommt, konnte ich nicht mit Sicher- heit entscheiden, da die Krümmung im schwachen Lichte durch Hyponastie, im starken durch Photonastie beeinträchtigt wird; überdies ist der Biegungswiderstand beider Seiten ungleich groß.
Positiver Kantenheliotropismus deutlich, aber schwächer als bei den drei erstgenannten Pflanzen. Er zeigt sich zuerst in einem Asymmetrischwerden des Blattes, indem die vom Lichte abgewendete Laminarhälfte die Lichthälfte im Wachstume überflügelt. Später wird die Sichelkrümmung der Lamina, an der sich auch der Medianus beteiligt, immer deutlicher. In einigen Fällen, namentlich bei schwacher einseitiger Be- leuchtung, war die Schattenhälfte sichtlich etioliert, was sich schon aus der bedeutend lichteren Färbung ergab.
Narcissus poeticus, Narcissus Jonquilla.
Positiver Flächen- und Kantenheliotropismus deutlich, aber schwach (vgl. Taf. I, Fig. 1).
Ophiopogon muscarioides.
Positiver Flächen- und Kantenheliotropismus vorhanden, aber kaum nachweisbar.
Lichüage der Laubblätter. 53
Galanthus nivalis.
Schwacher positiver Flächen- und Kantenheliotropismus. So lange die Blätter in der Scheide eingeschlossen sind, ist eine heliotropischeKrüminung häufig überhaupt nicht erkennbar. Sobald die Blätter vorbrechen, werden sie heliotropisch. Neigungswinkel bei horizontal einfallendem Lichte 75 bis 80°. Vaginalteil aufrecht oder nur schwach — wohl passiv — gekrümmt.
Gladiolus.
Blattfläche äußerst schwach positiv heliotropisch. Die Blatt- kanten scheinen nicht oder in nur geringem Maße heliotropisch zu sein.
Iris pallida.
Obgleich ein Exemplar \^om 17. III. bis 14. IV. ziemlich kräftiger einseitiger Beleuchtung senkrecht zur Laminarfläche ausgesetzt war, konnte bei keinem Blatte und in keinem Ent- wicklungsstadium eine heliotropische Krümmung konstatiert werden.
Hyacinthus orientalis.
Blätter deutlich positiv heliotropisch. So lange die kegel- förmige Knospe noch geschlossen ist, verhält sie sich wie ein Organ. Sobald die Blätter an der Spitze auseinanderweichen, krümmen sich die freien Blatteile am stärksten heliotropisch.
Allium Porrum.
Da die Blätter im Medianus nach innen gefaltet sind, läßt sich von einem Flächen- beziehungsweise Kantenheliotropis- mus im obigen Sinne nicht sprechen. Schwacher positiver Heliotropismus ist konstatierbar, gleichgültig, ob eine untere Blatthälfte, die Rückseite des Medianus oder die beiden aneinanderstoßenden Blattkanten beleuchtet sind.
Allium schoenoprasum.
Die Blätter der zu den Versuchen benützten jungen Ptlanzen sind auffallend stark positiv heliotropisch. Sie stellen
54 K. Linsbauer,
sich bereits im Laufe weniger Stunden in die Richtung der ein- fallenden Lichtstrahlen. Ein schwach heliotropisch gewordenes Exemplar wurde um 180° gewendet, so daß die Konvexseite des Organs gegen das einfallende Licht gerichtet war. Schon nach 2^2 Stunden war der Beginn der neuen heliotropischen Richtung erkennbar.
Allium Cepa.
Eine überaus schwache positiv heliotropische Blattkrüm- mung konnte mit Sicherheit nachgewiesen werden. Neigungs- winkel zirka 80° , obgleich ein Exemplar mit mehreren wachstums- fähigen Blättern ziemlich kräftigem, einseitig einfallendem dif- fusen Lichte ausgesetzt war. Nach D u t r o c h e t (III) verhalten sich Röhrenblätter von Allmm-Arten dem Lichte gegenüber ganz indifferent. Rothert (XI, p. 116) fand hingegen, daß Blätter von ^//mm-Sämlingen zu den heliotropisch empfindlichsten Objekten gehören. Aber auch die Blätter im Dunkeln getriebenerZwiebeln findet derselbe Forscher deutlich, wenngleich schwächer, helio- tropisch. Das verschiedene Verhalten der Röhrenblätter in diesen und in meinen Versuchen ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß Rothert etiolierte Blätter einseitiger Beleuchtung aus- setzte, während ich mit Blättern experimentierte, welche im Lichte zur Entwicklung gelangten. Daß etiolierte Blätter stärkeren Heliotropismus aufweisen, wurde aber schon von Wiesner (XVIII, II. T., p. 55) gezeigt.
Aus den angeführten Versuchen ergibt sich eine Reihe für die Frage der Orientierungsbewegungen monokotyler Blätter wichtiger Folgerungen.
1. Wenn überhaupt eine heliotropische Krümmung nach- weisbar war, wurde sie stets durch positiven Helio- tropismus hervorgerufen. Negativer Heliotropismus ließ sich hingegen auf experimentellem Wege niemals feststellen.^
2. Bei den flächenförmigen dorsiventralen Blättern der untersuchten Monokotylen reagieren sowohl Ober- und Unter-
1 Trotzdem soll die Möglichkeit, daß die untersuchten Blätter auch negativ heliotropisch sind, nicht in Abrede gestellt werden. Vergl. hierüber p. 75.
Lichtlage der Laubblätter. OO
Seite der Blattfläche als auch di e Blattkante positiv hello tropisch. Trotz des im letzteren Falle ungleich größeren Biegungsvviderstandes ist der Effekt des Kantenheliotropismus mindestens ebenso deutlich, bisweilen noch klarer ausgeprägt als der des Flächenheliotropismus. Der Krümmungseffekt ermöglicht es in diesem Falle natürlich nicht, einen Schluß auf den Grad der heliotropischen Empfindlichkeit zu ziehen, da die schließliche Blattkrümmung durch die Organisation des Blattes wesentlich beeinträchtigt wird.
3. Die Verteilung der heliotropischen Empfind- lichkeit in den Regionen des Blattes ist eine ungleiche. Die Krümmung stellt sich zunächst im apikalen Blatteile ein, obgleich gerade hier, wie ich mich durch Messungen bei Hyacinthus und Amaryllis überzeugte, das Wachstum ein minimales ist, während der am kräftigsten wachsende basale Teil in vollkommen vertikaler Stellung verharrt. Wie aus Messungen in Kantenstellung befindlicher Blätter von Amaryllis vittata hervorgeht, schreitet die heliotropische Krümmung in basipetaler Richtung fort. Diese Blätter zeigen demnach in dieser Beziehung dasselbe Verhalten, welches Rothert für die gleich- falls durch basipetales Wachstum ausgezeichneten Coleoptylen gewisser Gramineen sowie für Blattstiele und Stengel nachwies.
4. Der Flächenheliotropismus kommt unter natürlichen Be- leuchtungsverhältnissen kaum zur Geltung, da er, wie später gezeigt werden wird, durch die Photonastie (siehe p. 82) ver- deckt wird. Unter Umständen kann er jedoch die Wirkung der- selben verstärken oder hemmend beeinflussen. Der Kanten- heliotropismus hingegen äußert sich oft sehr deutlich. Er hat — wie es namentlich bei den untersuchten Pflanzen mit zwei- zeiliger Blattanordnung deutlich wird ■ — die wichtige Aufgabe, die Blätter aus ihrer hisertionsebene gegen das Licht vorzu- schieben. Dafür spricht jedenfalls auch die Tatsache, daß er bei Monokotylen mit geringer Laubentwicklung (Galanthiis, Narzisse) viel schwächer ausgebildet ist, als bei solchen mit einer größeren Blätterzahl, wie Agapaitthus und Clivia. Gerade in diesen Fällen liegt es im Interesse der Lichtökonomie der Blätter, wenn sie aus ihrer Insertionsebene herausgebracht
OÖ K. Linsbauer,
werden, so daß eine gegenseitige Deckung vermieden wird und sie ein größeres Lichtareale ausnützen können. Bei solchen Pflanzen ist auch — zumal an älteren Stöcken — die V^-Stellung der Blätter völlig undeutlich, was sich in ihrem ganzen Habitus ausprägt.
Es ist noch hervorzuheben, daß bisher Kantenheliotropismus sowohl an monokotylen als dikotylen Blättern beobachtet wurde, jedoch stets nur an Pflanzen mit sitzenden oder fast ungestielten, linealen, bandförmigen oder schmal lanzettlichen Blättern. Sollte der Kantenheliotropismus tatsächlich auf derartige Blätter beschränkt sein, dann könnte man in dem Kantenheliotropismus einen Ersatz für gewisse Bewegungen des Blattstiels erblicken, welchen die wichtige Aufgabe zufällt, die Lamina ans Licht zu bringen.
5. Die untersuchten reitenden Blätter sind nur schwach heliotropisch oder für Lichtunterschiede unempfindlich, was begreiflich erscheint, da die in Rede stehenden Pflanzen typische Sonnenpflanzen mit aphotometrischen Blättern repräsentieren. Die Rundblätter zeigten ein verschiedenes heliotropisches Verhalten
Geotropismus.
Wenngleich die negativ geotropische Empfindlichkeit^ der Blätter als eine durch zahlreiche Beobachtungen sichergestellte Tatsache gelten kann, so bildet doch die Rolle, welche man dem Geotropismus beim Zustandekommen der fixen Lichtlage zuschrieb, einen Gegenstand der Kontroverse. Während de Vries und Wiesner, welche zuerst den Blattgeotropismus eingehender studierten, in der Schwerkraftswirkung einen für die Blattlage maßgebenden Faktor erblickten, wurde von anderer Seite an gewissen Blättern gezeigt, daß diese ihre Lichtlage auch bei Rotation um die horizontale Achse erreichen können (Fr. Darwin, Krabbe u. a.). Aber auch bei ruhender Auf- stellung der Pflanzen wird trotz der verschiedensten Lagen der
1 Auf den positiven Geotropismus der Blätter nehme ich hier iteine Rücksicht, da er hauptsächlich nur an Keimblättern von Palmen und gewissen Liliaceen beobachtet wurde. Siehe hierüber Pfeffer (X, p. 300).
Lichtlage der Laubblätter. 57
Blätter zum Horizonte die tixe Lichtlage angenommen, wobei sich ungeachtet der an und für sich ansehnlichen geotropischen Em- pfindlichkeit »einegeotropische Komponente in der schließlichen Lichtlage nicht mehr geltend macht«, das Resultat vielmehr ein derartiges ist, »als ob der Geotropismus gleich Null sei« (Noll). Wenngleich die Berechtigung dieser Auffassung für gewisse Blätter nicht in Abrede gestellt werden soll, so muß es wohl als verfehlt bezeichnet werden, diesen Beobachtungen eine allge- meine Gültigkeit zuzuschreiben, wie schon der eingangs er- wähnte, von Krabbe selbst angestellte Versuch mit Dahlia- Blättern lehrt.
Auf Grund sich zum Teile widersprechender Beob- achtungen, welche hauptsächlich an dikotylen Blättern gemacht wurden, ergaben sich hauptsächlich zwei Fragen, welche ich bezüglich des geotropischen Verhaltens der monokotylen Blätter näher zu prüfen hatte:
1. Sind die Blätter der Monokotylen in beträchtlicherem Maße negativ geotropisch?
2. Hat der Geotropismus einen Einfluß auf die Lichtlage derselben?
Ich beschränke mich hier darauf, die Versuche zur Beant- wortung der ersten Frage in Kürze mitzuteilen. Die Ent- scheidung der Frage hingegen, ob der Geotropismus in Kom- bination mit anderen Orientierungsbewegungen treten kann, behalte ich mir für den letzten Abschnitt vor.
Ich gebe nachfolgend einen kurzen Auszug aus meinem Versuchsprotokoll, wobei ich alle nicht unmittelbar nötigen Daten beiseite lasse. Wenn nicht besonders bemerkt, wurden die Versuche im Dunkeln durchgeführt.
Allium Cepa.
Blätter sowohl im Dunkeln als auch im Lichte auffallend stark negativ geotropisch. Reaktionszeit* eines zirka lern
1 Dieselbe wurde in folgender Weise annähernd bestimmt: Ein möglichst genau vertikal stehendes Blatt wurde durch Wenden des Topfes in horizontale Lage gebracht und der obere Blattrand auf eine bestimmte Marke des von Wiesner konstruierten Wachstumsmikroskopes eingestellt. Das Blatt senkte
58 K. Linsbauer,
langen, kräftig wachsenden Blattes bei Zimmertemperatur jedenfalls unter 33 Minuten.
Narcissus poeticus.
Starker Flächen- und Kantengeotropismus. Sobald die Lamina die Scheide durchbricht, krümmt sie sich energischer aufwärts als vorher. Die Scheide hebt die geotropische Wirkung ganz oder teilweise auf. ihr Einfluß wird aus folgenden Ver- suchen besonders deutlich. Ragen die Blätter wenige Millimeter über die Scheide hinaus und sind sie mit dieser schwach geotropisch gekrümmt, so nimmt die Aufrichtung fast momentan beträchtlich zu, sobald man die Scheide wegpräpariert. Hat sich hingegen der freie Teil der Blätter nahezu vertikal erhoben, so krümmen sich diese nach Entfernung der Scheide sogar über die Vertikale hinaus. Daraus erhellt, daß der in derselben ein- geschlossene Blatteil durch das Vaginalblatt im Sinne der geotropischen Krümmung gespannt erhalten wird.
Galanthus nivalis sowie wenige Zentimeter lange Triebe von
Allium Porrum
i/erhalten sich im wesentlichen wie Narzissen.
Gladiolus. Iris pallida.
Die Blätter beider Pflanzen krümmen sich negativ geo- tropisch, gleichgültig, ob sie die Fläche oder die Kante nach oben kehren. Bei Iris, welche bedeutend langsamer reagiert, scheint die Krümmung nach der Kante energischer als nach der Fläche vor sich zu gehen. Ist die äußere Kante nach oben gerichtet, so wird die Vertikale überschritten, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß in diesem Falle der negative Kanten- heliotropismus durch die wahrscheinlich spontan vor sich
sich anfangs schnell, dann langsamer infolge des Eigengewichtes. Nach 23 Minuten erreichte es den tiefsten Stand, auf welchem es durch 9 Minuten verharrte, um sich von der 33. Minute an allmählich, später mit großer Geschwindigkeit negativ geotropisch zu erheben. Die Reactionszeit ist demnach jedenfalls kürzer als 33 Minuten.
Lichtlase der Laubblätter. ö9
•*&
gehende Sichelkrümmung des Blattes, welche ein Konkavwerden des äußeren Blattrandes bewirkt, unterstützt wird.
Amaryllis vittata, Agapanthus, Clivia, Imatophyllum.
Die Blätter zeigen im Dunkeln und im Lichte sehr kräf- tigen negativen Flächen- und Kantengeotropismus.
Deutlicher negativer Geotropismus wurde schließlich noch nachgewiesen bei den Blättern von
Hyacinthus orientalis und Allium schoenoprasum.
Aus den angeführten Versuchen ergeben sich folgende Sätze:
1. Sämtliche daraufhin untersuchte Monoko- tylenblätter erwiesen sich als negativ geotropisch.
2. Bei den bandförmigen Blättern ist stets Flächen- und Kantengeotropismus nachweisbar.
3. Der ne gative Geotropismus der Monokotylen- blätt er kommt ebenso im Dunkeln u'ie im Lichte zu- stande.
4. Sind Scheidenblätter vorhanden, so hemmen sie in mehr oder minder hohem Maße die geo- tropische Krümmung der von ihnen eingeschlossenen Teile der Laubblätter.
Spontane Mutationen, Photonastie.
De Vries (XVII) fand bei seinen Untersuchungen über die Richtungsursachen bilateral-symmetrischer Organe die wichtige Tatsache auf, daß deren Unter-, beziehungsweise Oberseite unabhängig von Schwerkraft und Licht ein ver- stärktes Wachstum aufweisen kann, eine Erscheinung, welche er als longitudinale Hyponastie, beziehungsweise longitudinale Epinastie bezeichnete.
Als Sachs (XII) die Plagiotropie der Pflanzenteile einer eingehenden Untersuchung unterzog, sah er sich zunächst durch das Verhalten des Thallus von Marchantia veranlaßt, den Begriff »Epinastie« wesentlich zu erweitern, indem er »das durch stärkeres Licht verursachte Ausbreitungsvermögen der
60 K. Linsbauer,
Oberseite von Marchantia« als einen Spezialfall der Epinastie hinstellte, »die hier nachweislich eine Lichtwirkung ist«.
Wiesner (XVIII, II. T., p. 55) wandte sich gegen die Sachsche Erweiterung des Begriffes »Epinastie« und sprach sich dafür aus, die Termini Epi- und Hyponastie ausschließlich für spontane Nutationen zu reservieren. Eine durch Lichtbewirkte Wachstumsförderung der Thallus- (und Blatt-) Oberseite faßte der genannte Forscher als negativen Heliotropismus auf. Diese Deutung hatte Sachs hauptsächlich deshalb vermieden, weil die Thallusunterseite positiv heliotropisch reagiert und ihm die Annahme, daß sich ein Organ gleichzeitig oberseits negativ, unterseits hingegen positiv heliotropisch verhielte, widersinnig erschien. Wiesner hingegen sah in einem solchen Verhalten umsoweniger eine Unmöglichkeit, als nach seiner Auffassung, die er durch zahlreiche Beobachtungen stützen konnte, jedes Organ aus positiv und negativ heliotropischen Elementen besteht.
Bald daraufzeigte Pfeffer, daß das Licht in zweifacher Weise als Bewegungsursache wirksam sein könne: als Helio- tropismus und als Photonastie. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Krümmungen, die äußerlich einander voll- kommen gleichen können, erhellt am besten aus Pfeffers eigenen Worten (X, p. 287): »Indem wir nun, dem üblichen Sprachgebrauche folgend, als Heliotropismus die durch ein- seitigen Lichtangriff erzeugten und in ihrer Richtung hievon abhängigen Bewegungen bezeichnen, sollen die durch sinkende oder fallende, übrigens allseitig gleichmäßige Beleuchtung er- zeugten Bewegungen photonastische genannt werden.« Da Pfeffer die letzteren wie Sachs als spezielle Fälle von Epi- und Hyponastie ansieht, unterscheidet er zwischen Photo- epinastie beziehungsweise Photohyponastie. Da sich eine helio- tropische Krümmung bei einseitig überwiegender Lichtwirkung ein.stellt, Photonastie hingegen ohne Rücksicht auf die Be- leuchtungsrichtung (also auch bei allseits gleicher Beleuchtung) auftritt, sind wir in der Lage, beide Bewegungsursachen auf experimentellem Wege unterscheiden zu können. Wenn wir die Wirkungsweise der Photonastie anerkennen, so folgt daraus — wie Pfeffer selbst betont — keineswegs, daß die dorsi-
Lichtlage der Laubblätter. 61
ventralen Organe nicht doch beiderseits ungleich heliotropisch reagieren. Ich werde vielmehr am Schlüsse dieses Abschnittes zeigen, daß es derzeit nicht ausgeschlossen erscheint, daß die Photonastie der Blätter auf ungleiche heliotropische Empfindlich- keit der beiden Blattseiten zurückzuführen ist. So lange hiefür Jedoch ein bindender Beweis fehlt, halte ich es zweckmäßig, strenge zwischen Heliotropismus und Photonastie zu unter- scheiden.
Oltmanns hält auf Grund seiner Untersuchungen den Begriff >^ Photonastie« für überflüssig, wie mir jedoch scheint, mit Unrecht. Er sagt (IX, p. 259): »Nachdem ich zeigen konnte, daß alle bis dahin Heliotropismus genannten Vorgänge in erster Linie von der Intensität des Lichtes abhängen, dürfte es zweck- mäßig sein, den Begriff der Photonastie fallen zu lassen«. Durch die Abhängigkeit der heliotropischen Krümmung von der Be- leuchtungsstärke sind aber die Fälle von Photonastie, in welchen Organkrümmungen bei allseits gleichmäßiger Beleuchtung, z. B. bei Rotation um vertikale Achse eintreten, keineswegs er- klärt ; solange aber eine befriedigende Erklärung fehlt, können wir den genannten Terminus nicht vermissen. Was meine eigenen Versuche betrifft, so beanspruchen nur jene mit dorsi- ventralen, mehr oder minder bandförmigen Blättern höheres Interesse. Ich will vorerst die Dunkelversuche an der Hand des Versuchsprotokolls in knapper Form zusammenstellen, wobei ich nur die wichtigeren Daten berücksichtigen will.
A. Dunkelversuche. Amaryllis vittata.
I.
30. I. EinePnanzemitzweijungenBlättern(12 wm,beziehungs- weise Smm lang), völlig verdunkelt. Blätter vollkommen vertikal.
15. II. Beide Blätter vertikal.
16. II. Das größere Blatt ist infolge seines Eigengewichtes von
seiner Basis an stark nach außen geneigt.^
1 Etiolierte Blätter sind gegen Turgorverluste sehr empfindlich. Ist die liodenfeuchtigkeit eine geringe, so krümmen sich die Blätter in der Zone des
62 K. Linsbauer,
18. II. Das Blatt hat sich vollständig erhoben und steht wieder
vertikal. 21. II. Beide Blätter annähernd aufrecht; nur das größere ist
infolge Lastwirkung etwas nach außen geneigt. Siehe
Abbildung. Taf. II, Fig. 7.
II.
16. III. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar mit vier kräftig
wachsenden Blättern, welches zu geotropischen Ver- suchen gedient hatte, wird in der Dunkelkammer ver- tikal aufgestellt, so daß die früher geotropisch auf- gerichteten Blätter nahezu horizontal stehen.
17. III. Sämtliche Blätter völlig vertikal aufgerichtet.
6. IV. Je zwei gegenüberstehende Blätter kreuzen einander in folge starker Hyponastie.
III.
5. I. Pflanze in schwachem, einseitig einfallendem Lichte. Blätter vertikal mit ihren Oberseiten flach aneinander liegend. Blatt I, 55 mm; Blatt II, 23 mm.
22. I. Blatt I, 205 mm; Blatt II, 148 mm. Schwacher Kanten- heliotropismus. Beide Blätter kreuzen sich infolge Hypo- nastie.
27. I. Blatt I, 309 mm; Blatt II, 229 mm. Blatt I deutlich hypo- nastisch; Blatt II nach außen gekrümmt, wahrscheinlich durch den Druck eines dritten sich entwickelnden und stark hyponastisch gewordenen Blattes.
IV.
4. V. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar wird in der Dunkelkammer auf einem Klinostaten mit horizontaler Achse derart fixiert, daß die Topfachse gleichfalls wag- recht steht. Die Pflanze hat zwei gleichlange Blätter entwickelt.
stärksten Wachstums (Blattbasis) nach außen. Diese Krümmung ist mit einer epinastischen, welche stets an der Spitze zuerst eintritt, nicht zu verwechseln.
Lichtlage der Laubblätter. 63
U.V. Beide Blätter gerade, mit iliren Oberseiten dicht an- einanderliegend.
16. V. Gegenseitige Lage der Blätter unverändert. Es wird ein
Blatt entfernt, um dem anderen einen Spielraum zu einer eventuellen Krümmung zu bieten.
17. V. Blatt schwach hyponastisch.
25. V. Hyponastische Krümmung überaus kräftig, auffallend stärker als in allen Fällen, wo der Einfluß der Schwer- kraft nicht ausgeschlossen wurde.
^ö^
Amaryllis formosissinia. V.
11. V. Eine im Dunkeln gezogene Pflanze wird horizontal im Dunkeln rotiert. Das Exemplar besitzt zwei schwach hyponastische Blätter.
13. V. Hyponastie auffallend stärker als in Versuch VI.
16. V. Die hyponastische Krümmung ist so stark, daß sich die Blätter vollständig kreuzen, wodurch ihre morpho- logischen Unterseiten nach oben zu liegen kommen.
VI.
16. V. Ein Dunkelexemplar wird ruhend und zwar vertikal im
Dunkeln aufgestellt, Blätter aufrecht. 19. V. Blätter deutlich hyponastisch. 30. V. Blätter infoige starker Hyponastie gekreuzt.
Hyacinthus candicanSo
VII.
24. IV. Eine im Dunkeln angetriebene Zwiebel wird bei vollkommenem Lichtabschlusse kultiviert. Höhe des Triebes (h) 13 mm. 30. IV. Blätter völlig geschlossen. 5. V. h 1= 13^ mm. Trieb vollkommen vertikal. 11. V. h =: 27ömm. Spitze des Triebes schwach hj^ponastisch,^ sonst unverändert.
^ In Bezug auf das äußerste Blatt.
64 K. Linsbauer,
15. V. Versuch photographiert. Siehe Abbildung Taf. III, Fig. 12.
19. V. Blätter noch immer vollkommen geschlossen. Die ganze Pflanze gleicht einem fast Yg ^ langen, gelben Stabe. Der Trieb ist etwas schräge gerichtet.
22. V. // = 510 mm.
29. V.h — 670 mm.
2. VI. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter: 740 inm, 765 mm, 790 m,m. Die äußeren Blätter werden demnach von den inneren überragt, schließen dabei aber dicht aufeinander. Der ganze Trieb erscheint in Form einer steilen Schraube schwach tordiert.
Hyacinthus orientalis.
VIII.
3. II. Eine unter Erde getriebene Zwiebel wird vollkommen
verdunkelt. 17. II. Blätter gerade und aufrecht.
21. II. Einzelne Blüten beginnen sich zu öffnen; sonst unver- ändert. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 6. 1. III. Sämtliche Blätter vertikal oder schwach hyponastisch. Infloreszenz völlig aufgeblüht.
Außerdem wurden 10 Dunkelexemplare, teils Erd-, teils Wasserkulturen beobachtet. Die Blätter waren stets aufrecht oder im obersten Teile schwach hyponastisch.
Im basalen Teile hingegen nimmt man nicht selten eine schwache Krümmung im Sinne einer Epinastie wahr. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dieselbe nicht allein durch den Druck der sich entwickelnden Infloreszenz bedingt wird, welche die Blätter etwas auseinander drängt.
Von anderen Pflanzen, deren Verhalten im Dunkeln und im Lichte vergleichsweise untersucht wurde, seien in Kürze noch folgende angeführt.
Galanthus nivalis.
Versuchsdauer vom 17. II. bis 17. III. Die Blätter eines Dunkelexemplares sind völlig vertikal (das Scheidenblatt
Lichtlage der Laubblätter. DO
erreichte in diesem Falle eine Länge von 2d mm); mehrere andere Individuen zeigten schwach aber deutlich hyponastische Blätter. Wiesner beobachtete bei derselben Pflanze, daß ihre Blätter im Dunkeln, unter sonst günstigen Umständen zufolge kräftiger Hyponastie einander kreuzten und ihre morphologischen Unterseiten nach oben kehrten. Die geringe Tendenz zur hyponastischen Krümmung der Blätter, welche sich in meinen Versuchen zeigte, ist wahrscheinlich auf das ziemlich kümmerliche Gedeihen zurückzuführen, welches meine Galanthusexemplare aus mir unbekanntem Grunde durchwegs zeigten. Der Grad der Hyponastie hängt vermutlich mit der Wachstumsintensität ebenso zusammen, wie es Wiesner für die »variable« Epinastie nachwies.
Clivia nobilis, Agapanthus umbellatus. Blätter aufrecht oder schwach hyponastisch.
Ophiopogon muscarioides.
Versuchsdauer 5. II. bis 1. III. Die jüngsten mir zu Gebote stehenden Blätter waren bereits schwach epinastisch. Zu Ende des Versuches schlössen die gegenständigen Blätter, welche bereits eine Länge von SO cm. erreicht hatten, miteinander einen Winkel von etwa 10° ein. Die Neigung der Blätter war dem- nach während der ganzen Versuchsdauer annähernd dieselbe geblieben.
Aus den angeführten Versuchen ergibt sich zunächst, daß im Dunkeln niemals eine autonome Epinastie zii beobachten ist. Die Blätter der Dunkelpflanzen nehmen vielmehr eine verükale Lage ein oder zeigen in mehr oder minder hohem Grade die Tendenz zur hyponastischen Krümmung. In den extremsten Fällen geht die Hyponastie soweit, daß die morphologische Blattunterseite nach oben zu liegen kommt. Natürlich wirkt Licht, dessen Intensität unter einem bestimmten Minimum liegt, wie Dunkelheit, was durch Versuch III bestätigt wird.
Die hyponastische Krümmung kann jedenfalls durch den negativen Geotropismus der Blätter beeinflußt werden. Wenigstens zeigte der mit AmaryUis durchgeführte Rotations-
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIIL Bd., Abt. I. 5
66 K. Lins bau er,
versuch (IV, V), daß die Hyponastie bei Aufhebung der ein- seitigen Schwerkraftswirkung bedeutend energischer zum Aus- drucke kam. Das Auftreten einer hyponastischen Krümmung, welche ihren Anfang stets an der Blattspitze nimmt, kann auch durch die gegenseitige Hemmung gegenüberstehender Blätter verhindert werden.
Daß die Blätter der genannten Pflanzen sich gerade im Dunkeln häufig hyponastisch krümmen, ist vom teleolo- gischen Standpunkte leicht zu verstehen. Infolge der Konvex- krümmung der Blattunterseiten werden die Blätter dicht anein- ander gepreßt, wodurch sie vielleicht befähigt werden, den Boden leichter zu durchdringen, um das Licht zu erreichen, unter dessen Einfluß sie sich durch entgegengesetzte Krümmung so ausbreiten, daß sie ihre Oberseite den Lichtstrahlen dar- bieten. Der Lichtgenuß ist in diesem Falle Zweck und gleich- zeitig Ursache der Konvexkrümmung der Blätter.
Daß diese durch das Licht in erster Linie bewirkt wird, lehrt schon der Vergleich der Dunkelpflanzen mit im Lichte kultivierten Exemplaren. Hier stehen die Blätter niemals verti- kal, sondern stets mehr oder minder stark nach außen geneigt, in vielen Fällen überdies bogenförmig derart gekrümmt, daß die Blattoberseite zur Konvexseite wird. Ausgesprochene Bei- spiele hiefür sind AinarylUs, Clivia, Agapanthtis u. v. a.
Die Frage ist nur, welcher Art die Lichtwirkung ist, welche diese Bogenkrümmung hervorruft. Von vorneherein sind ver- schiedene Möglichkeiten denkbar. Da die Blattunterseite nach- weislich positiv heliotropisch ist, könnte die Konkavkrümmung dieser Seite, welche an aufrechten Blättern die stärker beleuchtete ist, auf positiven Heliotropismus zurückzuführen sein. Ein negativ heliotropisches Verhalten der Blattoberseite gegenüber dem Zenithlichte würde eine gleichsinnige Krümmung zur Folge haben. Durch ein solches Zusammenwirken von positivem und negativem Heliotropismus erklärte auch Wiesner die bogen- förmige Krümmung der Blätter von Galanthtis nivalis im Lichte. Es ist aber auch möglich, daß das Licht nicht orientierend wirkt, sondern vielmehr die Blattoberseite zu stärkerem Wachs- tume disponiert. Eine infolgedessen eintretende Blattkrümmung ist aber nach dem herrschenden Sprachgebrauche nicht als
Lichtlage der Laubblätter. 67
Heliotropismus, sondern als Photonastie, genauer Photoepi- nastie zu bezeichnen. Zur Entscheidung der Frage, sowie zur näheren Kenntnis des Krümmungsverlaufes wurden nach- stehende Versuche durchgeführt.
B. Versuche im diffusen Lichte. Amaryllis vittata.
I.
22. I. Ein Exemplar mit vier kräftig wachsenden Blättern wird ruhend in der Weise aufgestellt, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter parallel zur Fensterebene orientiert ist. Richtung des stärksten diffusen Lichtes schräg von vorne und oben. 5. II. Sämtliche Blätter deutlich im Sinne einer Epinastie gekrümmt; überdies macht sich schwacher Kantenhelio- tropismus bemerkbar.
21. IL Die epinastische Krümmung hat bedeutend zugenommen, sonst unverändert. Taf. II, Fig. 8.
II.
22. I. Eine vierblätterige Pflanze wird auf einen Klinostaten mit vertikaler Achse aufgestellt, um eine allseits gleiche Beleuchtung zu erzielen. Rotationsgeschwindigkeit: eine Umdrehung pro Stunde. Knapp über den Blattspitzen ruht auf zwei Stäben gestützt ein umgestülpter Blumen- topf, dessen Abflußöffnung verkittet ist. Die Pflanze ist auf diese Weise einem allseits gleichen, ziemlich kräf- tigen Vorderlichte ausgesetzt, während das Oberlicht annähernd abgeblendet wird. Mit zunehmender Blatt- länge wird der übergestülpte Topf allmählich ent- sprechend gehoben. Nachdem die Blätter weiter ausein- andergerückt waren, als der Durchmesser des Topfes betrug, wurde er durch einen vor Oberlicht schützenden Karton ersetzt. 3. II. Blätter schwach epinastisch.
5*
68 K. Linsbauer.
5. IL Blätter deutlich bis zur Basis epinastisch. 17. II. Epinastie überaus deutlich, etwas stärker als im vorigen
Versuche nach derselben Zeit, 21. II. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 9.
III.
22. I. Zweiblätterige Pflanze ruhend aufgestellt. Um das Vorderlicht auszuschließen, wird über die Pflanze ein oben offener Zylinder aus schwarzem Papier gestülpt, der die Blätter etwas überragt. Die Pflanze wird somit aus- schließlich vom Oberlichte getroffen. Da die vertikal stehenden Blätter annähernd parallel zu den einfallenden Lichtstrahlen orientiert sind, genießen sie nur ein Mini- mum des einstrahlenden Lichtes. 3. II. Beide Blätter völlig vertikal.
5. IL Das längere Blatt an der Spitze schwach epinastisch, das kürzere völlig vertikal.
17. IL Keine Spur einer epinastischen Krümmung erkennbar.
19. IL Beide Blätter an der Spitze äußerst schwach epinastisch.
23. IL Im wesentlichen unverändert.
25. IL Das längere Blatt (derzeit 33 cm) zeigt an der Spitze äußerst schwache Epinastie; das kürzere Blatt (Länge 24 cni) ist völlig vertikal.
IV. 1
25. IV. Einer im Dunkeln gezogenen Pflanze wird ein Blatt ab- geschnitten und nur eines belassen, worauf sie im Lichte um eine vertikale Achse rotiert wird. Ober- und Unter- seite genießen in diesem Falle gleich viel Licht im Gegen- satze zu dem Rotationsversuch II, bei welchem die Blatt- unterseiten jedenfalls im Lichtgenusse bevorzugt waren.
30. IV. Das Blatt ist bereits deutlich epinastisch geworden.
Wie aus Versuch III hervorgeht, kann die Ausbreitung und bogenförmige Krümmung der Blätter nicht auf ein negativ
1 Dieser, wie ich glaube, sehr wichtige Versuch wurde mehrfach wieder- holt, stets mit gleichem Erfolg.
Lichtlae;e der Laubblätter. 69
••o
heliotropisches Verhalten derselben gegenüber dem Oberlichte zurückgeführt werden. Dagegen könnte allerdings der Einwand geltend gemacht werden, daß die Intensität des die Blätter treffenden Lichtes im Versuche zu gering war, um eine negativ^ heliotropische Krümmung auszulösen. Eine Verstärkung des Oberlichtes wäre nur in der Weise durchführbar gewesen, daß der Durchmesser des die Pflanze umgebenden Zj'linders ver- größert worden wäre, wodurch sich aber der Einfluß des Seiten- lichtes, dessen Intensität gleichfalls gestiegen wäre, störend bemerkbar gemacht hätte. Die Wirkungsweise des Oberlichtes mußte sich aber auch aus dem Vergleiche des Verhaltens ergeben, welches Pflanzen erkennen ließen, die im Gesamtlichte gezogen wurden, gegenüber solchen, welche ausschließlich im Genüsse des Vorderlichtes standen. Aus dem Vergleiche der Ver- suche I und II geht nun hervor, daß die Blattkrümmung bei Aus- schluß von Oberlicht keineswegs einen geringeren Grad erreichte, daß diese mithin nicht auf ein negativ heliotropisches Verhalten der Blattoberseite zurückgeführt werden kann. Daß die Bogen- krümmung in Versuch II sogar eine stärkere war als in I, erklärt sich wohl hinreichend daraus, daß die Blätter im letzteren Ex- perimente ihre Schmalseite dem stärksten Lichte zuwandten, während bei dem rotierenden Exemplare sämtliche Blattunter- seiten vom Vorderlichte gleich stark getroffen wurden. Aus diesem Versuche könnte der Schluß gezogen werden, daß die Blattkrümmung auf positivem Heliotropismus beruht, da infolge der Rotation die Blattunterseiten gegenüber der morpho- logischen Oberseite im Lichtgenusse begünstigt waren und tat- sächlich die stärker beleuchtete Unterseite konkav gegen das Licht krümmten. Die Entscheidung der Frage bringt Versuch IV, der unzweifelhaft beweist, daß sich die Oberseite des Blattes auch in dem Falle konvex krümmt, wo beide Blattflächen genau gleich intensiv beleuchtet werden. Ein Organ aber, das sich bei allseits gleicher Beleuchtung stets in einem bestimmten Sinne krümmt, wird als photonastisch bezeichnet. Die Photonastie oder — da stets die Oberseite zur konvexen wird — genauer Photoepinastie der Blätter findet überdies darin ihre Bestätigung, daß — eine entsprechende Lichtintensität vorausgesetzt — die Krümmung stets in gleicher Weise erfolgt, ob die Unter- oder
70 K. Linsbauer,
die Oberseite oder auch die Blattkante dem stärkeren Lichte exponiert ist.
Um das Verhalten anderer Monokotyler im Lichte kennen zu lernen, wurden noch folgende Versuche aufgestellt.
Hyacinthus candicans.
V.
24. IV. Die Pflanze rotiert im Lichte um vertikale Achse.
Höhe (h) 23 fnm. 30. IV. Das erste Blatt beginnt sich zu entfalten; nahezu ver- tikal, nur eine Spur hyponastisch. L V. /j = 85 inm.
5. V. h =z 150 mm. Sämtliche Blätter entfalten sich. 11. V. Ä iir SOOmm. Blätter stark epinastisch, jedoch schwächer
als im folgenden Versuche. 15. V. Versuch photographiert. Taf. III, Fig. IL 19. V. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter:
410 mm, 500 mm, 500 wm. 29. V. Länge der ersten vier Blätter: 470mm, 660 wm, 600 mm,
660 mm. 2. VI. Länge der ersten vier Blätter: 480 mm, 730 wm, 645 mm, 740 mm.
VI.
24. IV. Die Pflanze rotiert im Lichte um horizotale Achse. Höhe
der Pflanze 14 mm.. 30. IV. Stark hyponastisch. 1. V. hz=.70mm. Deutliche Hyponastie. Die Krümmung ver- läuft derart, daß die Konkavität des Triebes nach vorne und gegen links (in Bezug auf das äußere, die übrigen Blätter umschließende Blatt) gerichtet ist. Vielleicht wird die Krümmung durch die Hyponastie der jüngeren Blätter beeinflußt. 5. V. h zzz 142 mm. Beginn der Blattentfaltung. 11. 'V.h=z 280 mm. Blätter stark im Sinne einer Epinastie gekrümmt.
Lichtlasre der Laubblätter. 7 1
^ö
15. V. Die Blattkrümmung unvergleichlich stärker als im
vorigen Versuche. Taf. III, Fig. 10. 19. V. Länge der ersten drei aufeinanderfolgenden Blätter:
400 mm, 410 mm, 420 mm. 29. V. Länge der ersten vier aufeinanderfolgenden Blätter:
480 mm, 560 m.m,, 540 m,m., 540 mm. 2. VI. Länge der ersten vier aufeinanderfolgenden Blätter:
500 mm, 600 mm, 640 mm, 660 mm.
Hyacinthus orientalis. VII.
3. II. Ein im Dunkeln getriebenes Exemplar ruhend im Lichte
aufgestellt. 17. II. SämtUche Blätter mit Ausnahme der beiden jüngsten an
der Basis deutlich nach außen gekrümmt; an der Spitze
zum Teil hyponastisch. 21. II. Versuch photographiert. Taf. II, Fig. 5.
VIII.
3. II. Wasserkultur ruhend im Lichte aufgestellt. 17. II. Blätter an ihrer Basis nach außen gekrümmt, sonst
gerade oder im obersten Teile schwach hyponastisch. 4. III. Blattkrümmung verstärkt, sonst unverändert.
Eine große Anzahl von Topf- und Wasserkulturen von Hyazinthen, deren Verhalten im Lichte ich genauer verfolgte, ergab stets dasselbe Resultat.
IX.
7. I. Eine im Dunkeln angetriebene Pflanze rotiert im Lichte
vertikal um ihre eigene Achse. 14. I. Beginn der Blattentfaltung. 27. I. Alle Blätter krümmen sich an der Basis nach außen,
während sie im oberen Teile ziemlich stark hyponastisch
gekrümmt sind. 5. II. Im wesentlichen unverändert.
72 K. Linsbauer.
Eine nur im Lichte auftretende, im Sinne einer Epinastie verlaufende Blattkrümmung konnte noch bei folgenden Pflanzen beobachtet werden: Clivia, Imatophylluni, Agapanthiis, Ophio- pogon, Narcissiis, Galanthiis. Die Stärke der Krümmung hängt wohl auch mit der Wachtumsintensität der Blätter zusammen. Während die Blätter meiner im Lichte kultivierten GaJantkiis- Exemplare miteinander einen Winkel von zirka 30° bildeten, sind die Blätter von Freilandexemplaren oft so stark gekrümmt, daß sie miteinander einen Winkel von 180° einschließen.
Bei den Monokotylen mit radiären oder isolateralen Blättern vom Typus Iris war im Lichte niemals eine andere als helio- tropische Krümmung nachweisbar. Aus der Tatsache, daß die bandförmigen Monokotylenblätter sich im Li chte stets und unabhängig von dessen Einfallsrichtung nach außen krümmen, die Oberseite also der Gegenseite im Wachstum vor- auseilt, ergibt sich unzweifelhaft, daß diese Blattkrümmungen ebenso wie bei Amaryllis auf Photoepinastie zurückzuführen sind. Die Photoepinastie stellt demnach jedenfalls einen der wichtigsten Faktoren für das Zustande- kommen der Lichtlage bandförmiger Monokotylen- blätter vor. Auf die Frage, ob und wie sie sich mit anderen orientierenden Kräften kombiniert, will ich im letzten Abschnitte eingehen. Bezüglich des Verlaufes der Photonastie sei nur hervor- gehoben, daß bei allen sich bogenförmig krümmenden Blättern stets beobachtet werden konnte, daß die photonastische Krümmung in einem bestimmten Entwicklungsstadium, und zwar immer an der Blattspitze, also in einem nahezu aus- gewachsenen Blattteile ihren Anfang nimmt und allmählich in basipetaler Richtung fortschreitet, mithin demselben Gesetze folgt, welches Seh wendener und Krabbe für die Torsionen, Rothert für die hello- und geotropische Krümmung aufstellte. Anders scheinen sich die Pflanzen zu verhalten, deren gerade oder an derSpitze schwach hyponastische Blättersich schon von der Basis an in schräger Richtung nach außen neigen, wie z. B. HyacintJiiis orientalis. Da ich erst zu spät auf dieses ab- weichende Verhalten aufmerksam wurde, meine Beobachtungen hierüber infolgedessen nur spärlich sind, will ich einstweilen auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen.
Lichtlas:e der Laubblätter. 73
'o
Im Laufe meiner Versuche kam ich überhaupt immer mehr zu der Überzeugung, daß es zunächst erforderUch ist, die Photonastie der Blätter eingehender, als es bisher geschehen ist, zu studieren, ehe das Problem des Zustandekommens der Lichtlage befriedigend gelöst werden kann. Es ist weder die Verbreitung der Erscheinung hinreichend bekannt, noch ist das Wesen derselben hinlänglich erforscht. Ich habe bisher in der üblichen Weise zwischen heliotropischer und photo- nastischer Krümmung unterschieden, doch halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß sich die photonastische Krümmung auf eine Eorm der heliotropischen zurückführen läßt.
Es wurde bereits oben gezeigt, daß sowohl der Ober- als auch der Unterseite monokotyler Blätter positiver Helio- tropismus zukommt. Nach unseren Erfahrungen ist anzu- nehmen, daß die heliotropische Empfindlichkeit auch bei hohen Lichtintensitäten erhalten bleibt. Ist dies der Fall, so muß eine positiv heliotropische Krümmung der Blattoberseite der Photo- epinastie — ich behalte einstweilen diesen Terminus bei — entgegenwirken, während positiver Heliotropismus der Blatt- unterseite eine Verstärkung derselben bewirken muß. Orientiert man nun eine Amaryllis derart, daß die gemeinsame Median- ebene der Blätter senkrecht gegen die Ebene eines Fensters gerichtet ist, so zeigt tatsächlich das vordere auf seiner Rück- seite vom Lichte getroffene Blatt eine weitaus stärkere Krüm- mung als das gegenüberstehende, oberseits stärker beleuchtete Blatt. Auch die Tatsache, daß auf der Unterseite beleuchtete Blätter in der Medianebene stärker gekrümmt erscheinen als solche, deren Kanten intensiver als die Fläche beleuchtet sind, macht es wahrscheinlich, daß der positive Flächenheliotropismus eine Rolle bei der Krümmung in intensivem Lichte spielt.
Esistaber nicht ausgeschlossen, daß dieBlattkrümmungder Monokotylen ausschließlich durch positiven Heliotropismus bewirkt wird.^ Die Annahme, daß ein morphologisch dorsi- ventrales Blatt sich auch physiologisch dorsiventral verhält.
I Ich sehe bei dem folgenden Erklärungsversuch von Gewebespannung, Schvverkraftswirkung und anderen Faktoren, welche die Krümmung beeinflussen und komplizieren, völlig ab.
74 K. Linsbauer,
isc sehr naheliegend. Denken wir uns nun die Blattunterseite bedeutend stärker positiv heliotropisch als die Oberseite, so lassen sich leicht die Blattkrümmungen auch ohne Zuhilfe- nahme einer Photonastie erklären.
Wird eine Blattunterseite beleuchtet, so findet infolge des positiven Heliotropismus eine Krüm-mung zum Lichte statt. Daß ein solches Blatt jedoch nicht seine Gleichgewichtslage findet, wenn es in die Richtung der Lichtstrahlen kommt, kann auf der ungleichen heliotropischen Empfindlichkeit beider Blatt- seiten beruhen, was bereits an anderer Stelle (siehe p. 50) näher auseinandergesetzt wurde.
Ist die Blattoberseite gegen die Lichtquelle gewendet, so wird die Blattkrümmung je nach der gleichzeitigen Beleuchtung der Blattunterseite verschieden groß sein. Der Krümmungs- effekt hängt von der heliotropischen Differenz der beiden Blatt- seiten ab, d. h. es kann die heliotropische Krümmung der Blatt- Unterseite kleiner, gleich oder größer sein als die der Gegen- seite; demzufolge wird sich das Blatt mit der Oberseite (konkav) gegen die Lichtquelle wenden, eine aufrechte Lage einnehmen oder sich vom Lichte wegwenden (Oberseite konvex).^ Alle diese Möglichkeiten waren tatsächlich in den Versuchen realisiert. Wurde ein Amaryllis-B\a.tt im heliotropischen Kasten mit seiner Oberseite parallel zum Spalt so orientiert, daß dabei die Intensität des die Rückseite treffenden Lichtes gleich Null gesetzt werden kann, so krümmte sich das Blatt mit der Ober- seite konkav gegen den Spalt.^ Wurde eine Pflanze im starken diffusen Lichte so orientiert, daß die Blattoberseite gegen das stärkere Licht gewendet war, während die Unterseite durch lose angebundenes schwarzes Papier annähernd verdunkelt wurde, so blieb das Blatt aufrecht oder es bildete die Blatt- oberseite einen nur schwach konvexen Bogen. Wurde hingegen das Blatt um 180° gewendet und statt der Unterseite die Ober- seite von schwarzem Papier bedeckt, so trat eine auffallend starke Konvexkrümmung der Blattoberseite ein. Wird endlich
1 Vergl. Pfeffer (X, p. 291).
2 Es bleibt allerdings zu untersuchen, ob ein Blatt sich auch dann so verhält, wenn die Blattunterseite völlig verdunkelt wird, während die Oberseite
kräftiger Beleuchtung ausgesetzt wird.
Lichtlage der Laubblätter. 7o
Ober- und Unterseite des Blattes in gleicher Weise beleuchtet, wie es bei Rotation um die eigene Achse der Fall ist, so müßte stets die heliotropische Krümmung der Blattunterseite über- wiegen, was auch durch das Experiment bestätigt wird (vergl. Versuch IV, p. 68).
Ich will mit diesen Ausführungen nur die Möglichkeit betonen, daß die Photonastie der Blätter auf positiven Helio- tropismus zurückgeführt werden kann;^ zu einem Beweise reichen meine wenigen Versuche nicht hin. Diese Möglichkeit ist übrigens nicht die einzig denkbare. Sämtliche oben ange- führte Krümmungserscheinungen der Blätter lassen sich unschwer auch durch die Annahme erklären, daß die Blattober- seite negativ, die Unterseite positiv heliotropisch ist, eine Annahme, der bereits Wiesner durch eine große Reihe von Beobachtungen und Experimenten Wahrscheinlichkeit verlieh.
Aus diesen Überlegungen geht hervor, daß der so oft gebrauchte Terminus »Photonastie« keineswegs hinreichend präzisiert ist. Ich behalte mir vor, spezielle Versuche über diesen Gegenstand anzustellen.
'ö^
Torsionen.
Unter den Torsionen monokotyler Blätter erregten haupt- sächlich jene Fälle das Interesse des Physiologen, bei welchen erst durch die sich im Laufe der Entwicklung regelmäßig einstellende Drehung die normale Blattlage erreicht wird, wie es z. B. bei Alstroemeria und einer Reihe anderer Pflanzen der Fall ist. Über dieses eigentümliche Verhalten wurden bereits mehrfach spezielle Untersuchungen angestellt,^ weshalb ich hier nicht näher darauf eingehe.
Es gibt aber auch noch andere regelmäßig in einem be- stimmten Entwicklungsstadium auftretende Torsionen, welche mit der Blattlage in keiner Beziehung stehen. So führt z. B. Kern er in seinem »Ptlanzenleben« (I. Band, p. 398) eine
1 In ähnlicher Weise führt auch Wiesner die Photonastie auf ungleiche heliotropische Krümmungsfähigkeit oder auf ungleichseitiges Wachstum helio- tropisch empfindlicher Organe zurück (XXIV, p. 298, Anmerkung).
2 Literatur bei Goebei, Organographie, p. 495.
76 K. Linsbauer,
Reihe von Pflanzen mit bandförmigen Blättern an, welche er bezeichnend als Schraubenblätter zusammenfaßt, da sie stets schraubenförmig gedreht erscheinen. Bald lassen sie nur Y, bis 1 Schraubengang erkennen, wie Phormiuni tenax, Aspho- delus albus und Narzissen, bald zeigen sie 2 bis 3 volle Um- drehungen wie Typha aiigtistifolia und gewisse AUiiim- Arien. \n seltenen Fällen — bei Sternhergia Chisiana und stipitata — zählte Kern er sogar 3 bis 6 Schraubengänge.
Die Zahl derartiger Monokotylen ließe sich leicht vermehren. Ich verfolgte nur das Verhalten der Narzissen etwas eingehender und fand, daß in einem gewissen Ent- wicklungstadium sämtliche Blätter meiner Versuchspflanzen sowohl im Dunkeln als auch im Lichte stets im gleichen Sinne, und zwar von links nach rechts tordierten; dabei war es gänz- lich belanglos, ob ursprünglich die Ober- oder Unterseite oder eine Kante dem Lichte zugekehrt war. War z. B. eine Topf- pflanze so gegen das Licht orientiert, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter parallel zur Ebene des Fensters stand, mithin die eine Hälfte der Blätter ihre linke, die andere ihre rechte Kante dem Lichte zuwendete, so richteten bei eintretender Torsion diese ihre Oberseite, jene ihre Unterseite gegen das Licht. (Taf. I, Fig. 2.) Ich beobachtete überdies eine große Indi- viduenzahl mehrerer Narzissenarten (N. poeticiis, N: Jonqnilla) im Freien unter den verschiedensten Beleuchtungsverhältnissen, fand aber niemals eine Ausnahme bezüglich der eingeschla- genen Torsionsrichtung. Daraus erhellt, daß das Licht in diesen Fällen weder auf das Zustandekommen einer Torsion, noch auf die Richtung derselben Einfluß nimmt.
Herr Hofrat Wiesner hatte die Güte, mir einen ähnlichen Fall mitzuteilen, den er an einer Allium-Art aus der Ver- wandtschaft von Alliiini Porrmn, welche massenhaft in den Weingärten in der Umgebung von Miramare bei Triest auftrat, wahrscheinlich Allium Ampelopvastim beobachtete. Auch hier war die Torsionsrichtung der Blätter, obgleich gegen hundert Individuen daraufhin untersucht wurden, stets konstant, und zwar entgegengesetzt der Richtung des Uhrzeigers.
Ich habe zwar Narzissen bei Ausschluß der Schwerkrafts- wirkung nicht untersucht, glaube jedoch, daß von vorneherein
Lichtlage der Laubblätter. 77
in solchen Fällen, wo Torsionen sowohl im Dunkeln als auch unter den verschiedensten Beleuchtungsverhältnissen stets in gleichem Sinne verlaufen, an der spontanen Natur derselben nicht zu zweifeln ist. Denn daß diese Torsionen eine Wirkung der Schwerkraft darstellen, ist mindestens höchst unwahr- scheinlich, da sich dieselbe infolge der hemiorthotropen Lage der Blätter auf die symmetrischen Laminarhälften in gleicher Weise äußern dürfte, so daß kein Torsionsmoment auftreten kann.
Diese in einem gewissen Entwicklungsstadium regel- mäßig auftretenden, wahrscheinlich spontanen Blattdrehungen bieten natürlich für das Studium der Lichtlage weniger Interesse als solche Torsionen, welche Blätter, die in eine ab- norme Lage zum Lichte gebracht wurden, ausführen, um ihre normale Orientierimg zu demselben zu gewinnen.
Derartige Torsionen sind unter normalen Verhältnissen bei den in der vorliegenden Untersuchung behandelten, ver- hältnismäßig stumpf reagierenden Monokotylen jedenfalls in viel untergeordneterer Weise an der Gewinnung der fixen Lichtlage beteiligt, als bei Dikotylen, wo sie bekanntlich über- aus häufig die Lage der Blätter beeinflussen. Unter Umständen jedoch greifen regelmäßig auch Torsionen in die Orientierungs- bewegungen der Monokotylenblätter ein. Ein solcher Fall muß z. B. dann eintreten, wenn die Blätter infolge ihres Kanten- heliotropismus aus ihrer Infoliationsebene gebracht wurden. Derartige Blätter können eine so energische Sichelkrümmung erfahren, daß die konvexe Kante zum Teil nach oben zu liegen kommt; sie müssen sich demnach, um ihre normale Orientierung zu erreichen, so weit drehen, bis ihre Oberseite nach oben gerichtet ist, womit die normale hemiorthotrope Lage erreicht wird und sie wieder in den Genuß des Oberlichtes kommt.
Über das Zustandekommen solcher Orientierungs- torsionen gehen die Anschauungen der einzelnen Forscher weit auseinander, worauf ich jedoch hier nicht näher ein- zugehen brauche, da dieser Gegenstand in neuerer Zeit von Schwendener und Krabbe ausführlich dargestellt wurde.
Obgleich ich über diesen Gegenstand eine große Anzahl von Versuchen durchführte, will ich mich darüber doch ganz
78 K. Linsbauer,
kurz fassen, da meine bisherigen einschlägigen Beobachtungen zu einer vollkommen befriedigenden Lösung dieser Frage bezüglich der untersuchten Monokotylen nicht ausreichen.
Ich will vorläufig nur konstatieren, daß die Blatt- torsionen jedenfalls auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden können. Legt man eine Amaryllis mit entsprechend langen, vertikal stehenden Blättern derart horizontal, daß die gemeinsame Medianebene der Blätter gleichfalls wagrecht zu liegen kommt, so beobachtet man, daß die Blätter augen- blicklich in der Weise tordieren, daß sie ihre Oberseiten nach oben zu wenden bestrebt sind. Die mit ihrer rechten Flanke nach oben gerichteten Blätter drehen sich mithin von links nach rechts, die entgegengesetzt orientierten von rechts nach links. Wendet man den Topf um 180°, so erfolgt die Torsion im entgegengesetzten Sinne, so daß wieder die Oberseite sich zenithwärts zu drehen strebt. Daraus erhellt, daß diese Torsion durch eine Lastwirkung verursacht wird, welche auf die ungleiche Verteilung der Blattsubstanz zurück- zuführen ist. Läßt man nun eine solche Pflanze in der hori- zontalen Lage stehen, so bleibt nach zirka 24 Stunden die Torsion erhalten, selbst wenn man jetzt den Topf um 180° wendet; die Torsion ist offenbar durch Wachstum fixiert worden. Man könnte sie in Analogie zu einem von Wiesner geschaffenen Terminus (XXIII) als vitale Lasttorsion be- zeichnen.
Lastwirkung allein vermag jedoch den ganzen Verlauf der Torsion nicht zu erklären. Beobachtet man nämlich im diffusen Oberlichte eine in der oben bezeichneten Weise hori- zontal gelegte Pflanze durch einige Tage hindurch, so bemerkt man, daß sich ihre Blätter zufolge ihres Kantengeotropismus in mehr oder minder starkem Maße aufrichten, während sie sich gleichzeitig photonastisch nach außen krümmen. Dabei nimmt die Blatttorsion solange zu, bis die Blattoberseite genau zenith- wärts orientiert ist. Diese Verstärkung der Torsion kann kaum mehr der Lastwirkung zugeschrieben werden.
Aber auch aus einem zweiten Versuche erhellt, daß bei den Torsionen der monokotylen Blätter noch andere Ursachen im Spiele sein können. Wenn man ein im Dunkeln getriebenes
Lichtlage der Laubblätter. 79
"o
Kxemplav von Am aryllts vif tat a im Lichte um seine eigene Achse horizontal rotleren läßt, so werden die Blätter, wie vorauszu- sehen, photonastisch, führen dabei aber, wie zu erwarten, keiner- lei Torsionen aus. Bedeckt man jedoch die eine Blatthälfte auf ihrer Unterseite durch lose aufgelegtesschwarzesPapier, so stellt sich bald eine Drehung des Blattes ein, welche vermutlich auf die ungleiche Lichtwirkung zurückzuführen ist. Trotzdem möchte ichdieseTorsion nichtalseine heliotropische bezeichnen, neige vielmehr der Ansicht zu, daß sie die Folge der auf beide Blatthälften ungleich stark einwirkenden Photonastie ist, womit natürlich die Existenz heliotropischer Torsionen überhaupt, auf deren Wirksamkeit bereits Wiesner, Vöchting u. a. auf- merksam machten und deren Existenz später von Schw en- de ner und Krabbe eingehend erwiesen wurde, nicht ge- leugnet werden soll. Leider mußten meine Versuche über dieses Thema infolge vorgeschrittener Jahreszeit abgebrochen werden, so daß die erwähnten Ergebnisse nur als vorläufige gelten können.
ö
Das Zustandekommen der fixen Lichtlage.
Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten das Ver- halten einiger Monokotylenblätter gegenüber den hauptsächlich in Betracht kommenden Orientierungsursachen untersucht wurde, ist es möglich, eine Vorstellung über das Zustande- kommen der fixen Lichtlage dieser Blätter zu gewinnen.
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen dem Verhalten aphotometrischer und photometrischer Monokotylenblätter. Zu den ersteren, welche nach Wiesner (XX) dadurch charakteri- siert sind, daß ihre Lage — mithin auch ihre Lage zum Lichte — von diesem nicht beeinflußt wird, gehören u. a. die Blätter im Lichte getriebener Zwiebeln von Allium Cepa'^ und Iris. Die Lage derselben ist allein durch innere Wachstumsursachen und durch Gravitationswirkungen bedingt. Ihrem aphotometrischen
1 Daß aphotometrische Blätter bei einseitiger Beleuchtung Spuren von Heliotropismus zeigen können, wie es bei yl///«w-Blättern der Fall ist, führt auch Wies ner a. a. 0. an.
80 K. L i n s b a u e r,
Charakter entsprechend weisen sie einen radiären oder isolate- ralen Bau auf.
Die Blätter sämtlicher übrigen untersuchten Monokotylen sind in Beziehung auf ihre Lichtlage als panphotometrisch zu bezeichnen, indem sie zwar auf das Licht in irgend einer Weise reagieren, sich dabei aber nicht senkrecht zur Richtung des stärksten Lichtes stellen, dem intensivsten Lichte vielmehr durch ihre Lage ausweichen. Den einfachsten Fall repräsen- tieren die in ausgezeichneter Weise heliotropisch empfind- lichen Rundblätter von Alliiim sckoenoprasitin. Zu den bereits oben genannten orientierend wirkenden Ursachen kommt bei diesen noch die Lichtwirkung hinzu, welche sich in einer helio- tropischen Blattkrümmung äußert. Kommt die einseitige Wirkung des Lichtes nicht zur Geltung, was auf dem, natür- lichen Standorte dieser Pflanze häufig der Fall sein dürfte, dann nähern sich diese Blätter in Bezug auf ihr Verhalten bei Er- reichung ihrer Lage zum Lichte dem oben angeführten Typus aphotometrischer Blätter.
Die Blätter vom Typus der Hyacinthe stellen sich auch bei allseitig gleicher Beleuchtung schräg nach außen, so daß ihre Blattlamina mit der Vertikalen nur- einen kleinen Winkel ein- schließt; infolgedessen genießen die Blätter nur einen Bruchteil des diffusen Zenitlichtes, welches nach, den Untersuchungen Wiesners das Vorderlicht beträchtlich an Intensität übertrifft. Aber auch dieses können sie infolge ihrer Lage nicht voll aus- nützen, so daß ihnen nur ein geringer Teil des gesamten zur Verfügung stehenden Lichtes nutzbar ist. Ihrem Verhalten dem Lichte gegenüber entspricht auch ihr anatomischer Bau, welcher sich dem isolateralen oder radiären nähert (VII).
Eine viel weitergehende Lichtökonomie weisen die Mono- kotylen vom Typus Clivia [Agapanthus, Imatophylliim etc.) auf. Auch diese Blätter müssen als panphotometrisch bezeichnet werden. Indem sie sich aber in ihrer Medianebene bogenförmig krümmen, stehen sie mit einem Teile der Lamina im Genüsse des Zenithlichtes, während der übrige Blatteil eine sehr günstige Stellung zum Vorderlichte einnimmt. Solche Blätter, welche bereits eine mehr oder minder weitgehende Annäherung an einen dorsiventralen Bau aufweisen, vermitteln den Über-
Lichtlage der Laubblätter. 81
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gang zu den euphotometrischen Monokotylenblättern, bei welchen die Lichtökonomie den höchsten Grad erreicht.
Während die Stellung aphotometrischer Blätter vom Lichte unbeeinflußt ist, übernimmt dieses bei der Orientierungs- bewegung panphotometrischer Blätter jedenfalls eine wichtige Rolle. Es erübrigt nur noch zu untersuchen, ob auch andere orientierend wirkende Ursachen an der schließlichen Blatt- stellung Anteil haben, mit anderen Worten, ob dieselbe Blatt- lage erreicht wird, wenn die Lichtwirkung allein oder in Kom- bination mit anderen Bewegungsursachen zur Geltung kommt.
Zunächst läßt sich der sichere Nachweis erbringen, daß der negative Geotropismus der Blätter imstande ist, die Photonastie wesentlich zu beeinflussen. Einen instruktiven Beleg hiezu liefern die mit Hyacinthiis candicans angestellten Versuche II und III, welche bereits oben (siehe p. 70) mitgeteilt wurden. Während bei gleichzeitigem Einfluß von Schwere und Licht die Blätter mit der Vertikalen einen Winkel von zirka 30° bildeten, vergrößerte sich dieser bei Ausschluß einseitiger Schwerkraftswirkung infolge der nun allein wirksamen Photo- nastie fast auf 180° (siehe Taf. III, Fig. 10).
Noch deutlicher tritt die Kombinationswirkung bei an- fänglich abnorm gelagerten Blättern zu tage. Wird eine Pflanze (AmaiyUis) im Dunkeln horizontal gelegt, so richten sich die Blätter in kurzer Zeit vertikal auf, gleichgültig ob ursprünglich die Blattober- oder Unterseite zenithwärts orientiert war. Wird hingegen derselbe Versuch im Lichte durchgeführt, so richten sich jene Blätter, welche ihre Unterseite nach oben wenden, energisch auf, wobei sie sich gleichzeitig stark photonastisch krümmen; die mit der Oberseite aufwärts gewendeten Blätter erheben sich hingegen in der Regel nur wenig über die Hori- zontale. Im ersten FaUe summieren sich Photonastie und nega- tiver Geotropismus in ihren Wirkungen, während im letzteren die beiden Bewegungsursachen einander entgegenwirken.^ Nur jugendliche, noch kräftig wachsende Blätter vermögen sich auch dann beträchüich zu erheben, wenn ihre Oberseite zenithwärts
1 Wahrscheinlich macht sich bei dieser Orientierung auch das Blatt- gewicht stärker bemerkbar.
Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIIL Bd., Abt. I. 6
82 K. Lins baue r,
gerichtet ist, da in diesem Stadium die photonastische Gegen- wirkung fehlt oder noch gering ist. Das verschiedene Ver- halten derartiger Blätter ist am deutlichsten aus Fig. 13 auf Tafel III zu erkennen.
Werden Pflanzen derart im Lichte horizontal gestellt, daß die Blattkanten nach oben orientiert sind, so richten sich die Blätter infolge ihres negativen Kantengeotropismus auf, während sie sich in ihrer Medianebene photonastisch krümmen.
In ähnlicher Weise läßt sich der Beweis erbringen, daß auchPhotonastie und Heliotropismus eine kombinierte Wirkung hervorrufen können. Während im schwachen Lichte Kanten- heliotropismus allein zur Geltung kommt, weichen die Blätter im kräftigen Lichte gleichzeitig infolge Photonastie auseinander. Orientiert man die Pflanze hingegen so zur Lichtquelle, daß Photonastie und Heliotropismus in derselben Ebene zur Wirkung gelangen, dann krümmt sich ein Blatt, welches seine Unterseite dem Lichte zukehrt, sehr beträchtlich gegen das Licht (Versuche wurden mit Amaryllis und Narzissus angestellt), während ein auf seiner Oberseite beleuchtetes Blatt je nach der herrschenden Lichtintensität eine schwach positiv heliotropische oder eine geringe photonastische Krümmung aufweist (Taf. I, Fig. 1).
Da, wie ich glaube, durch diese Beobachtungen der Nach- weis erbracht ist, daß die einzelnen orientierend wirkenden Ursachen mit einander in Kombination treten können, ist es zumeist leicht, darüber Rechenschaft zu geben, wie in einem speziellen Falle die Lichtlage monokotyler bandförmiger Blätter zu Stande kommt.
Ich will als Beispiele drei der einfachsten Fälle, welche an natürlichen Standorten am häufigsten realisiert sein dürften, in Kürze besprechen. Ich denke dabei an Monokotyle mit zwei- zeilig angeordneten Blättern.
1. Zenithlicht überwiegend, Vorderlicht allseits annähernd von gleicher Intensität. Die Blätter krümmen sich im Medianus infolge Photonastie. Je mehr die Intensität des Vorderlichtes zunimmt, desto mehr wird die photonastische Krümmung durch den positiven Heliotropismus der Blatt-
Lichtlaiie der Laubblätter. 83
*o
Unterseite verstärkt, während sie durch den in gleicher Ebene wirkenden negativen Geotropismus vermindert wird.
2. Überwiegend einseitige Beleuchtung. Die gemeinsame Medianebene der Blätter fällt mit der Einfallsebene des Lichtes zusammen. Die unterseits stärker beleuchteten Blätter verhalten sich so wie im vorigen Falle. Die Krümmung der Blätter, welche ihre Oberseite dem stärkeren Lichte zu- wenden, wird hingegen, sowohl durch negativen Geotropismus als auch durch positiven Heliotropismus der Blattoberseite beeinträchtigt.
3. Überwiegend einseitige Beleuchtung. Ge- meinsame Medianebene der Blätter normal zur Ebene des Lichteinfalls. Die Blätter werden infolge posi- tiven Kantenheliotropismus aus ihrer Insertionsebene gebracht. Die Größe des heliotropischen Effektes wird durch die anta- gonistische Wirkung des negativen Geotropismus vermindert. Die Blätter werden nun, hinreichende Lichtintensität voraus- gesetzt, photonastisch und tordieren in der Weise, daß sich das am linken Rande vom Lichte getroffene Blatt von rechts nach links, das gegenüber inserierte Blatt hingegen von links nach rechts dreht, wodurch sämtliche Blätter ihre Oberseite zenithwärts wenden. Die Torsion selbst ist wahrscheinlich ent- weder eine Lastwirkung oder die Folge einer auf beide Blatt- hälften ungleich starken photonastischen Krümmung. (Einen ähnlichen Fall zeigt Taf. I, Fig 4.)
Aus diesen Auseinandersetzungen geht hervor, daß wir, gestützt auf die aus den Versuchen gewonnenen Resultate, die Lichtstellung der untersuchten Monokotylenblätter, wie ich glaube, in befriedigender Weise erklären können, wenn wir sie auf eine Kombination vonPhotonastie, positivem Heliotropismus und negativem Geotropismus zurückführen, wobei jedoch der erstgenannten Orientierungsursache die Hauptrolle zufällt. In keinem Falle sind wir genötigt, zur Erklärung der Licht- lage die ausschließliche Wirkung oder auch nur die Be- teiligung des Transversalheliotropismus oder — allgemeiner ausgedrückt — einer spezifischen Reaktionsweise der Blätter gegenüber dem Lichte anzunehmen.
6*
84 K. L i n s b a u e r,
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
1. Die Blätter der untersuchten Monokotylen sind, wenn überhaupt, stets positiv heliotropisch. Negativer Heliotropismus konnte auf experimentellem Wege niemals mit Sicherheit nach- gewiesen werden.
2. Die bandförmigen Monokotylenblätter von Typus Clivia zeigen eine heliotropische Krümmung, sowohl wenn ihre Ober- oder Unterseite, als auch wenn ihre P'lanke vom Lichte getroffen wird. Im ersteren Falle steht die Ebene der heliotropischen Krümmung senkrecht auf der Blattebene (Flächenheliotropismus), im letzteren erfolgt hingegen eine Sichelkrümmung des Blattes, wie sie bereits Wiesner in einigen Fällen nachweisen konnte, indem die Ebene der heliotropischen Krümmung mit der Blattebene zusammenfällt (Kanten heliotropismus). Unter natürlichen Beleuchtungs- verhältnissen miacht sich der letztere häufig dadurch geltend, daß er die Blätter — zunächst bei zweizeiliger Anordnung — - aus ihrer Insertionsebene heraus in günstigere Beleuchtungs- verhältnisse bringt.
3. Sämtliche Monokotylenblätter sind stets, sowohl im Dunkeln als auch im Lichte, bisweilen in auffallend starkem Maße (Allium) negativ geotropisch. Die bandförmigen Blätter zeigen je nach ihrer Orientierung Flächen- beziehungsweise Kantengeotropismus.
4. Vaginalblätter hemmen in gewissen Fällen (Narzisse) in mehr oder minder starkem Maße die heliotropische, be- ziehungsweise geotropische Krümmung der von ihnen ein- geschlossenen Blatteile.
5. Flächenförmige Monokotylenblätter werden bei der Kultur im Dunkeln häufig hyponastisch, bisweilen in so hohem Grade, daß sich die Blattunterseiten nach oben kehren (Atnaryllis).
6. Die im Lichte, namentlich bei bandförmigen Mono- kotylenblättern, auffallende Bogenkrümmung der Blätter beruht auf Photonastie, genauer Photoepinastie. Weitere Unter- suchungen müssen jedoch zeigen, ob dieselbe als Orientierungs- ursache sui generis aufzufassen ist, oder ob sie auf eine
Lichtlage der Laubblätter. 85
Erscheinungsform des Heliotropismus zurückgeführt werden kann.
7. Die Torsionen der MonokotjMenblätter sind spontan oder paratonisch. Letztere können auf einer Lastwirkung be- ruhen (vitale Lasttorsionen) oder durch ungleiche Beleuchtung beider Blatthälften hervorgerufen werden. Andere Torsions- ursachen wurden bisher noch nicht näher untersucht.
8. Die Lage aphotometrischer Blätter zum Lichte wird durch spontane und geotropische Krümmungen bedingt. Am Zustandekommen der fixen Lichtlage panphotometrischer, meistens bandförmiger Blätter sind verschiedene Orientierungs- ursachen beteiligt, und zwar in erster Linie Photoepinastie, positiver (Flächen- und Kanten-) Heliotropismus sowie nega- tiver Geotropismus. Die Annahme eines Transversalheliotro- pismus ist zur Erklärung der fixen Lichtlage dieser Blätter unnötig.
•ö-
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86 K. Linsbauer,
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p. 189 bis 252; II. T., p. 315 bis 371. IX. Oltmanns F., Über die photometrischen Bewegungen
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Arb. des bot. Inst, in Würzburg. II, 1882; Heft 2, 1879,
p. 226. Abgedruckt in »Gesammelte Abhandlungen über
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XIII. — Lehrbuch. III. Aufl., Lpz. 1873.
XIV. Schwendener und Krabbe, Über die Orientierungs- torsionen der Blätter und Blüten. Abh. der Berl. Akad. der Wiss., 1892, p. 1 bis 115. Abgedruckt in »Schwen- dener, Gesammelte bot. Mitteilungen«. IL, p. 255 bis 368. Zusatz von Schwendener p. 369 bis 373.
XV. Stahl, E. Über den Einfluß des Standortes auf die Aus- bildung der Laubblätter. Jen. Zeitschr. f. Naturw., XVI, 1883, p. 187.
XVI. Vöchting H., Über die Lichtstellung der Laubblätter.
Bot. Zeitung, XL VI, 1888, Nr. 32, p. 501. XVII. Vries H., Über einige Ursachen der Richtung bilateral- symmetr. Pflanzenteile. Arb. des bot. Inst, zu Würzburg, 1871. XVIII. Wiesner J., Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. Denkschr. der kais. Akad. der Wiss. in Wien, math.-naturw. KL, I. T., 1878; IL T., 1880.
XIX. — Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Wien, Verl,
A. Holder, 1881. XX. — Über die Formen der Anpassung des Laubblattes an die Lichtstärke. Biol. Zentralbl., XIX, 1899, Nr. 1.
XXI. — Die natürlichen Einrichtungen zum Schutze des Chlorophylls der lebenden Pflanze. Festschr. der k. k. zool.-bot. Ges., Wien, 1876.
1 Die neue Auflage des Handbuches, welche während der Drucklegung dieser Abhandlung erschien, konnte bedauerlicherweise nicht mehr berück- sichtigt werden.
Lichtlage der Laubblätter. 87
XXII. — Einige neue Tatsachen, welche zur Erklärung der spontanen Nutationen und der fixen Lichtlage der Blätter herangezogen werden können. Bot. Zeitung, 1884, XLII, p. 657.
XXIII. Wiesner J., Studien über den Einfluß der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane. Diese Sitzungs- berichte, CXI, p. 733.
XXIV. — Elemente der wiss. Botanik. I. Bd.: Anat. und Physiol., IV. Aufl., 1898.
Dieser Literaturnachweis erhebt auf Vollständigkeit keinen Anspruch. So werde ich insbesondere auf die wichtigen ein- schlägigen Arbeiten von Czapek, Noll u. a. erst in den fol- genden Untersuchungen genauer einzugehen haben.
88 K. Linsbauer, Lichtlage der Laubblätter.
Figurenerklärung.
Tafel l.
Fig. l. Narcissus poeticits. Kultiviert bei einseitiger Beleuchtung. Die Blätter zeigen deutlichen Flächenheliotropismus.
Fig. 2. Narcissus po'eticus. Von vorn einseitig beleuchtet. Sämtliche Blätter von links nach rechts tordiert.
Fig. 3. Agapanthus umbellatus. Das jüngste Blatt zeigt eine deutliche Sichel- krümmung infolge von Kantenheliotropismus.
Fig. 4. Clivia nobilis. Sichelkrümmung infolge von Kantenheliotropismus bei Kultur in einseitig einfallendem Lichte. Die Blätter sind überdies soweit gedreht, daß sie ihre Oberseite zenithwärts richten.
Tafel IL
Fig. 5. Hyacinthus orientalis im diifusen Lichte kultiviert. Fig. 6. > » bei Lichtabschluß kultiviert.
Fig. 7. Aniaryllis vittata bei Lichtabschluß kultiviert. Fig. 8. » > im diffusen Lichte ruhend aufgestellt.
Fig. 9. » »in allseits gleichem Lichte bei Ausschluß von Ober;
licht kultiviert.
Tafel in.
Fig. 10. Hyacinthus candicans. Kultiviert in allseits gleichem Lichte bei Auf- hebung der Schwerkraftswirkung.
Fig. 11. Hyacinthus candicans, dem Lichte und der Gravitationswirkung aus- gesetzt.
Fig. 12. Hyacinthus candicans. Bei Lichtabschluß kultiviert.
Fig. 13. Aniaryllis vittata. Horizontal im Lichte aufgestellt, das Zusammen- wirken von Photonastie und negativem Geotropismus zeigend. i
1 Die Blattränder sind teilweise mit Stanniol bedeckt, da die Pflanze noch zu einem anderen Versuche verwendet wurde. Das Bild der Krümmung war auch bei den nicht mit Stanniol bedeckten Pflanzen das gleiche.
Linsbauer, K. : Lichtlage der Laubblätter.
Tafel I.
Aiit. phot.
Kunstanstalt Max Jaffe, Wien.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abth. I. 1904.
Linsbauer, K.: Lichtlage der Laubblätter.
Tafel II.
Aut. phot.
Kunstanstalt Max Jaffe, Wien.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Klasse, Bd. CXIII. Abth. I. 1904.
Linsbauer, K.: Lichtlage der Laubblätter.
Tafel III.
Aut. phot.
Kunstanstalt Max Jaffe, Wien.
Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Classe, Bd. CXIII. Abth, I. 1904,
89
Über Meteoreisen von De Sotoville
von Dr. Aristides Brezina und Prof. Dr. Emil Cohen.
(Mit 3 Textfiguren.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.)
VV. M. Foote beschrieb 1899^ sechs Eisenmassen aus Alabama, von denen drei südlich von De Sotoville in Choctaw Co., drei nördlich desselben Ortes in Sumter Co. gefunden worden sind. Die Fundpunkte liegen in ungefähr gleicher Entfernung vom Tombigbee River auf einer \6km langen, nahezu geraden Linie, und die Blöcke waren derart angeordnet, daß ihre Ge- wichte von Nord nach Süd abnehmen. F'oote schlägt für dies neue Meteoreisen den Namen »Tombigbee River« vor; da der Fluß aber Alabama nahezu auf eine Erstreckung von 300 km durchläuft, die Ortsbestimmung also sehr unzulänglich ist, dürfte De Sotoville als Lokalitätsbezeichnung vorzuziehen sein.
Über die Gewichte, sowie über die Zeit und Art des Findens der sechs Blöcke liegen folgende Angaben vor:
L 15.019^; gefunden 1878; wahrscheinlich durch einen ent- wurzelten Baum an die Ober- fläche gelangt. IL 11.976^'; gefunden 1886 beim Pflügen; von unregelmäßig
gerundeter Gestalt. IIL 9.215^; gefunden 1886; Gestalt ähnlich II.
1 Note on a new meteoric iron found near the Tombigbee River, in Clioctaw and Sumter Counties, Alabama, U. S. A. Amer. J. 1S99. (3) VIII. 153—156. M. 2 Tf. und einer Kartenskizze.
90 A. Brezina und E. Cohen,
IV. 3.568 ^; gefunden beim Straßenbau; flach und
länglich.
V. 3.260 ^^; gefunden beim Pflügen; eiförmig.
VI. 757^; gefunden 1859; flach und oval; zum Teil zu
einem Nagel verschmiedet, so daß das ursprüngliche Gewicht Sfrößer war.
ö'
Die Bildung der Rostrinde wird von dem Austreten rötlich- brauner Tropfen begleitet, und nach der Angabe des Finders von Block I soll dessen Gewicht 1878 22.200^ betragen haben, so daß in 21 Jahren eine Verminderung um 7181 ^ durch Rostbildung eingetreten wäre, da die Gestalt nicht auf Ab- trennung eines Stückes schließen läßt. Die Erwähnung von schüsseiförmigen Vertiefungen auf der Oberfläche macht eine so starke Verminderung des Volumens nicht gerade wahr- scheinlich.
Zieht man die Gewichtsveränderungen von I und VI in Betracht, so würde das Gesamtgewicht ursprüglich über 51 kg betragen haben.
Von Foote wurden die Blöcke V und III näher untersucht. Am ersteren beobachtete er deutliche »Spaltbarkeit«, welche auf dünne Platten eines schwefelkiesartigen Minerals zurück- geführt wird; auf Schnittflächen erscheine dasselbe als scharfe, kritzenartige Linien. Darnach wäre es keine Teilbarkeit. Beim Ätzen des weichen und leicht polierbaren Eisens zeigte sich kubische Krystallisation; die außerordentlich feinen, unter ver- schiedenen Winkehi sich kreuzenden, nur unter der Lupe deutlich erkennbaren Linien werden als Widmanstätten'sche Figuren bezeichnet. Block III liefere eine abweichendeÄtzfläche, indem die Figuren von I fehlen. Ein Teil des »Plessit« zeige eine an »metallischen Sonnenstein« erinnernde Erscheinung infolge der Anordnung von zinnweißen Blättchen oder von Rissen; ein anderer Teil des »Plessit« bleibe vollständig glatt. Whitfield's Analyse von V folgt unter I.
Berwerth stellt De Sotoville (Tombigbee) in seinem »Ver- zeichnis der Meteoriten im k. k. naturhistorischen Hofmuseum,
Meteoreisen von De Sotoville. 91
Ende Oktober 1902« ^ zu den dichten Eisen; Klein vermutet Zugehörigkeit zu den Oktaedriten mit feinsten Lamellen, betont aber, daß es noch genauerer Untersuchung bedarf.^
Es erschien uns wünschenswert, die schon von Foote angedeutete verschiedene Ausbildung einzelner Blöcke näher zu studieren und eingehender zu beschreiben. An Material stand zur Verfügung: von I 1054^ mit 135 cm^, von III blO gr mit 75 cm^ und von VI ein 243 g schweres Endstück mit 38 cm' Schnittfläche.
Allen drei Blöcken gemeinsam ist der große Reichtum an Phosphornickeleisen. Es tritt der Masse, wenn auch nicht der Zahl der Individuen nach weitaus vorherrschend in der Schreibersitform auf und bildet dann in der Regel langgestreckte, mäandrisch gewundene Individuen mit haken- oder schleifen- förmigen Ansätzen. Bezüglich der Größe und Mannigfaltigkeit der Gestalt dieser Schreibersite, welche eine Länge von 7 cm erreichen, dürfte De Sotoville alle übrigen bekannten Meteor- eisen mit Ausnahme von Primitiva übertreffen. Daneben kommen auch gedrungenere, sich mannigfach verästelnde, Hieroglyphen vergleichbare, sowie hakenförmige Gestalten und unregelmäßig klumpige Formen vor.
Ein anderer Teil des Phosphornickeleisen tritt als Rhabdit auf. Man trifft ihn hie und da vereinzelt liegend, meist aber gruppenweise angehäuft und dann in zweifacher Ausbildung und Anordnung. An manchen Stellen (siehe a b und c ä in Figur 1 ; ein Stück von Block I in Naturgröße) reichern sich bis zu 3 mm lange Nadeln (oder vielleicht auch Plättchen) lagen- weise an, ähnlich wie in Hex River; sie scheinen nach drei Richtungen gesetzmäßig orientiert zu sein, und zwar derart, daß zwei Richtungen sich unter 90° schneiden, die dritte diagonal verläuft. Die Anreicherung ist in den etwa I72 ^^ von
1 Ann. d. k. k. naturhistor. Hofmus. 1903. XVIII. 15 u. 81.
2 Die Meteoritensammlung der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Univer- sität zu Berlin am 5. Februar 1903. Sitz.Ber. d.Kön.preuß. Ak. d.Wiss. 1903. 168 im jüngst erschienenen Verzeichnisse für den 21. Jänner 1904 steht das Eisen mit Fragezeichen bei den Hexaedriten. Ebendas. 1904. 131.
92 A. Brezina und E. Cohen,
einander entfernten Lagen sehr verschieden, ebenso wie die Ausdehnung der letzteren; zum Teil durchsetzen sie vollständig eine große Platte, zum Teil lassen sie sich nur auf kurze Erstreckung verfolgen. Stets fehlen Schreibersite auf einige Entfernung ganz, wo Rhabdite sich in größerer Zahl anhäufen. Schließlich treten an manchen Stellen in der Nähe der natür- lichen Oberfläche Riesenrhabdite auf (7' in Figur 3, Seite 99, ein Stück von Block III in Naturgröße); bei einer Breite von 0"05 bis 0*15 mm erreichen sie eine Länge von 2 cm und liegen teils unter einander parallel, teils kreuzen sie sich, wie es scheint,
d
Fig. 1.
gesetzlos unter sehr verschiedenen Winkeln. Sollte aber auch hier eine gesetzmäßige Orientierung vorhanden sein, so ist es jedenfalls eine andere, wie bei den lagenweise angereicherten Rhabditen. Die meisten Riesenrhabdite werden beim Ätzen rauh und glanzlos, so daß es den Anschein hat, als seien sie nicht mehr ganz unverändert. Alle Rhabdite sind von einer stark glänzenden Ätzzone umgeben, während eine solche bei den großen Schreibersiten nur ausnahmsweise und auch dann nur an Teilen eines Krystalls vorhanden ist.
Die Riesenrhabdite scheinen es zu sein, welche Foote als »schwefelkiesartiges Mineral« erwähnt; gegen diese Deutung
Meteoreisen von De Sotoville. 93
spricht schon, daß Schwefel bei den Analysen teils gar nicht, teils nur in geringer Menge gefunden worden ist. Jedenfalls haben wir Schwefeleisen in sichtbaren Partien nirgends beob- achtet, was bei der Größe der untersuchten Schnittflächen recht bemerkenswert erscheint.
Am Rand der Platten kommt öfters »Eisenglas« vor, welches gern größere Schreibersite einhüllt, auch wohl in die- selben eindringt. Beim Herauslö.sen von Krystallen bleibt dann eine dünne schwarze Schicht fest am Nickeleisen haften; sie ist stellenweise in einen braunen Mulm übergegangen, welcher gegen Erwartung keine Chlorreaktion gab.
Für den Schreibersit erhielt der eine von uns an sorgfältig ausgelesenem Material die folgende Zusammensetzung: '
Angew. Subst. |
0-6490 |
Rückstand |
0-15 |
Fe |
71-70 |
Ni |
12-58 |
Co |
0-32 |
P |
15-45 |
100-20 Fe + Ni + Co : P = 3-014: 1
Darnach gehört der vorliegende Schreibersit zu den nickelärmsten, welche bisher untersucht worden sind; es wäre von Interesse festzustellen, ob auch hier der Rhabdit, wie ge- wöhnlich, sich durch höheren Nickelgehalt auszeichnet.
Während die accessorischen Gemengteile und ihre Aus- bildung demnach in allen drei Blöcken gleich sind, ist die Struktur so abweichend, daß eine getrennte Beschreibung zweckmäßig erscheint.
'ö
Block I.
Nach nicht zu starkem Ätzen erscheinen dicht gedrängte Neumann'sche Linien, welche von solcher Feinheit sind, daß
1 Die Analyse ist schon E. Cohen: Meteoritenkunde, II. 233 veröffentHcht worden.
94 A. Brezina und E. Cohen.
man sie mit unbewaffnetem Auge kaum wahrnimmt; unter der Lupe treten sie jedoch mit außerordenthcher Schärfe hervor. Von den verschiedenen Liniensystemen zeichnen sich einige, wie gewöhnhch, durch ihre Länge vor den übrigen aus, aber nicht gleichzeitig auch durch Tiefe und Breite, wie dies bei anderen Hexaedriten meist der Fall ist. Die Ätzlinien setzen in der Regel scharf an den großen Schreibersiten ab; nur ge- legentlichbeobachtet man eine schwache Stauchung. Abgesehen von der letzteren, durchaus lokalen Erscheinung erstrecken jene sich mit gleicher Orientierung durch die ganze Schnitt- fläche. Bei diesem Stadium der Ätzung nimmt die Ätzfläche einen kräftigen, atlasartigen Schimmer an, derartig, daß letzterer nicht einheitlich ist, sondern daß sich Partien mit stärkerem und schwächerem Reflex unterscheiden lassen, welche beim Drehen der Platte allmählich in einander übergehen. Der Unter- schied in dem Verhalten einzelner Teile gegen das einfallende Licht scheint dadurch bedingt zu sein, daß stellenweise nur Neumann'sche Linien vorhanden sind, an anderen Stellen allmählich, schließlich aber in großer Zahl Ätzgrübchen hinzu- treten, mit deren Zunahme jene undeutlicher werden. Jedenfalls kann man hier deutlich erkennen, daß ein orientierter Schimmer auch durch Ätzlinien allein bedingt sein kann, • und daß das Hinzutreten von Ätzgrübchen denselben nicht zu ver- stärken braucht. Es ist dies auch leicht erklärlich, da die Grübchen von Hexaederflächen begrenzt sind, die durch Heraus- ätzen der Zwillingslamellen freigelegten Flächen aber nach anderen Richtungen verlaufen, und bald der eine, bald der andere Reflex vorzugsweise den Schimmer bedingen wird.
Bei stärkerem Ätzen vertiefen und verbreitern sich zunächst die Ätzlinien und Ätzgrübchen, und es scheinen auch neue Ätzlinien hinzuzutreten; schließlich werden die kleinen glatten und stark glänzenden Felder zwischen den Neumann'schen Linien zu rundlichen Höckern, die ganze Ätzfläche erhält ein gerieftes und gekörneltes Aussehen und der zuerst kräftiger
1 Vgl. G. Linck: Über die Zwillingsbildung und den orientierten Schimmer am gediegen Eisen. Zeitschr. f. lüystallogr. 1892. XX. 215 und Über das Krystallgefüge des Meteoreisens. Ann. i. k. k. naturhistor. Hofmuseums. 1893. VIII. 116.
Meteoreisen von De Sotoviile. 95
und einheitlicher gewordene orientierte Schimmer wird jetzt matt durch diffuse Reflexion. An den Schreibersiten zeigt das hexaedrische Eisen häufig 0*3 bis 0*5 ;///;/ breite xÄtzzonen, auf denen das Eisen bei der Ätzung hellgrau geblieben ist, während es fern von den Schreibersiten immer dunkelgrau wird. Dasselbe zeigt sich in der Nachbarschaft der Rhabdite.
Läßt sich schon aus dem gleichmäßigen Verlauf der Neumann'schen Linien und aus den zu parallelen Lagen an- gehäuften Rhabditen, sowie aus ihrer Orientierung innerhalb der Lagen (Figur 1) schließen, daß der ganze Block ein Individuum ist vom Aufbau der Hexaedrite, so wird dies Resultat bestätigt, wenn man eine Platte halb anschneidet und dann bricht. Die Bruchfläche liefert Spaltungselemente, welche nach drei auf einander senkrechten Richtungen orientiert sind Größere zusammenhängende Spaltungsflächen entstehen aller- dings nicht, da die Trennung meist nach Schreibersitgrenzen stattfindet und dadurch die Spaltung unterbrochen wird.
Block VI.
Die Ätzfiäche zeigt ebenfalls einen atlasartigen Schimmer, der aber hier eigentümlich geflammt erscheint, in ähnlicher Weise, wie wir es früher von Primitiva beschrieben haben. ^ Neu mann 'sehe Linien treten sehr zurück; sie sind nur unter einer scharfen Lupe deutlich zu erkennen und beschränken sich dann fast ganz auf diejenigen Teile des Nickeleisen, welche in der Nähe großer Schreibersite liegen oder vonWachs- tumsformen derselben umhüllt werden. Neben oder statt der Ätz- linien trifft man überall feine, kurze, schwach gekrümmte Risse, welche untereinander annähernd parallel und zugleich im großen parallel der Richtung des geflammten Schimmers ver- laufen. Figur 2 zeigt eine Partie in der Umgebung eines Schreibersit (mit dem Buchstaben 5 am Rande links und unten bezeichnet) in 4' löfacher Vergrößerung. Man sieht die geraden.
1 A. Brezina, Die Meteoritensammlung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums, Ann. d. k. k. naturhistor. Hofmus. 1895. X. 296. — E. Cohen, Aleteoreisen-Studien. VI, Ibid. 1897. XII. 122.
96
A. Brezina und E. Cohen,
Fi.L^ 2.
Meteoreisen von De Sotoville. 97
sehr feinen Neumann'schen Linien, deren Breite unter dem Mikroskop zu 0-003 — 0-004 mm bestimmt werden kann, vor- wiegend in zwei Richtungen verlaufen, welche miteinander einen Winkel von 55° einschließen. Die welligen Linien sind viel breiter (0-04 — 0-05 mnt) und verlaufen - — wenigstens in den nicht gestauchten Partien — nahezu nach der längeren Diagonale des aus den scharfen Linien gebildeten Rhombus (es wurden Winkel von 38, 17 — 30 und 25° gemessen). Häufig stehen die welligen Linien mit ihren Enden auf je einer der beiden unter 55° geneigten Liniensysteme. An zwei Stellen — in der Mitte des Schreibersitbogens und in einer (im Bilde nicht mehr sichtbaren) Bucht links unter dem Krystall — zeigt sich eine beträchtliche Stauchung, welche die scharfen Linien wenig, die Wellenlinien stark verbiegt. Die längliche Eisen- insel in der Mitte unten erscheint gegen die Eisenpartien jenseits des Schreibersit um 8° gedreht. Die beiden scharfeil und das wellige Liniensystem scheinen zusammengehörige Neumann'sche Linien darzustellen, von denen die ersteren steil, die letzteren sehr flach gegen die Schnittfläche ge- neigt sind.
Außer diesen Strukturlinien ist noch eine Reihe weiterer Strukturelemente erkennbar. Zunächst eine (mit dem Buch- staben a am Rande bezeichnete) Ader, welche in doppelter Krümmung von der Mitte oben auf die oberste Spitze des Schreibersit zuläuft, dann gegen den linken oberen Schreiber- sitarm hinzieht, diesen unter schwacher Verwerfung durchsetzt und parallel mit dem nach unten gebogenen Teil des Armes ein Stück in die große Eisenbucht hineinläuft. Diese Ader ist feinkörnig und fleckig, ähnlich der am nächsten Stücke zu beschreibenden Verwerfungsader, liegt aber hier größtenteils in nicht körnigem Grunde, während letztere in grober körniger Masse verläuft. Die hier in Betracht kommende Ader gleicht auch einigermaßen den beiden an Primitiva abgebildeten dünnen Verwerfungsadern. ^ Eine andere Erscheinung ist die stellen- weise zu beobachtende Abkörnung, welche ganz unabhängig von den Neumann'schen Linien, diese durchsetzend, verläuft.
1 A. Brezina 1. c. Fig. 39. Sitzb. d. mathem.-naturw. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 7
98 A. Brezina und E. Cohen,
Die lagenförmig angereicherten, hier durchweg sehr feinen und kurzen Rhabdite sind nämlich zum größeren Teil von 0-05 — 0-3 mm großen Nickeleisenkörnern umgeben, welche sich öfters auf die allernächste Umgebung der Nadeln be- schränken und dann wie Beeren an einem Stiel sitzen. Auch längs einiger Riesenrhabdite (im Bilde rechts oben mit dem Buchstaben r bezeichnet) oder einzelner Flächen von großen Schreibersiten, sowie feiner, unregelmäßig verlaufender Risse findet sich eine schmale feinkörnige Zone, aber die gesamten körnigen Partien machen nur einen minimalen Teil der ganzen Schnittfläche aus.
Block III.
Der größte Teil des Nickeleisen zerlegt sich in sehr ver- schieden gestaltete — rundliche, längliche, mannigfach aus- gebuchtete oder gezackte — scharf begrenzte Körner, von denen je ein Teil den gleichen kräftigen, orientierten Schimmer liefert. Ihr Durchmesser schwankt zwischen 0*2 und 1 "5 mm, und die Gestalt ist im allgemeinen um so unregelmäßiger, je größer die Dimensionen sind. Stellenweise herrschen Partien von sehr feinkörnigem Gefüge mit eigenem orientierten Schimmer, in denen aber vereinzelt oder gruppenweise größere Körner mit abweichendem Schimmer liegen. Wie im Block VI legt sich auch hier eine Reihe stark glänzender Körner direkt an die Riesenrhabdite, wodurch sie sich scharf abheben. Unter dem Mikroskop erscheinen die Körner zum Teil fleckig und dann schwächer schimmernd, zum Teil voll dichter, gitter- förmig sich kreuzender Ätzlinien und dann mit lebhafterem orientierten Schimmer. Stellenweise — besonders dort, wo Nickeleisenpartien von sich verästelndem Schreibersit ein- geschlossen werden oder sich zwischen benachbarte größere Schreibersite einschieben — liegen Körner mit glatter Ätzfläche isoliert, und die Grundmasse zeigt dann Neumann'sche Linien, welche unverkennbar sind, wenn auch ihre Entwicklung weit weniger vollkommen ist, als in Block I.
Unabhängig von den Körnern ist ein Netzwerk feiner, unregelmäßig verlaufender Risse vorhanden, jene gelegentlich
Meteoreisen von De Sotoville. 99
durchsetzend, also späterer Entstehung. Sie treten schon nach schwachem i\.tzen hervor, wenn die körnige Struktur sich noch nicht merklich macht und sind wohl als eine Absonderungs- erscheinung zu betrachten.
Sehr bemerkenswert ist die schon oben erwähnte, die ganze Platte durchziehende feinkörnige, mikroskopisch dicht erscheinende Partie, welche in Form einer durch eine schmale, mit dunklen staubförmigen Partikeln erfüllte Randzone scharf sich abgrenzenden Ader von 1 — 3 niui Breite auftritt (Fig. 3 bei dem Buchstaben a entspringend). Sie durchsetzt einen der mit r am Rande bezeichneten Riesenrhabdite, welcher um 2 mm verworfen erscheint.
Fig. 3.
Es liegen Analysen von den Blöcken I, III und V vor.
1. Block I. Dr. R. K nauer und E. Cohen.
2. » III. Dr. O. Hildebrand und E. Cohen.
3. » III. Dr. R. K nauer.
4. » V.J. E. Whitfield; mitgeteilt von Foote
1. c. 154.
a gibt die Gesamtzusammensetzung, b die Zusammen- setzung des Nickeleisen nach Abzug der accessorischen Gemengteile, c die mineralogische Zusammensetzung des untersuchten Stückes.
7*
100
A. Brezina und E. Cohen,
\a |
2a |
3a |
Aa |
|
Fe |
95-41 |
95-18 |
95-14 |
95-02 |
Ni Co |
4-04 0-74 |
4-32 0-69 |
4-82 |
4-11 0-40 |
Cr |
0-02 |
0-00 |
0-01 |
|
Cu |
0-04 |
0-04 |
0-05 |
|
C |
0-07 |
0-16 |
||
P |
0-14 |
0-20 |
0-29 |
0 32 |
S |
0-05 |
0-00 |
0-06 |
Spur |
Cl |
0-00 |
|||
Rückstand |
0-02 |
|||
100-46 |
100-50 |
100-37 |
100-01 |
|
\h |
2h |
3^ |
Ah |
|
Fe |
95-40 |
95-22 |
95-60 |
95-86 |
Ni |
3-83 |
4-02 |
4-34 |
3-62 |
Co |
0-71 |
0-65 |
0-36 |
|
Cr |
0-02 |
0-00 |
0-01 |
|
Cu |
0-04 |
0-04 |
0-05 |
|
C |
0-07 |
0-16 |
||
100-00 |
100-00 |
100-00 |
100-00 |
|
\c |
2c |
?>c |
Ac |
|
Nickeleisen |
98-93 |
98 • 7 1 |
97-96 |
97-89 |
jphornickeleisen |
0-91 |
1-29 |
1-88 |
2-11 |
Troilit |
0-14 |
0-16 |
||
Rückstand |
0-02 |
100-00 100-00 100-00 100-00
Der Gehalt an Ni -f- Co ist der niedrigste, welcher bisher in einem Meteoreisen gefunden ist, wenn man nur die neueren zuverlässigen Analysen in Betracht zieht.
Wir sehen sonach, daß einerseits die chemische Zusammen- setzung der Blöcke identisch ist, anderseits trotz vielfacher Verschiedenheiten im Bau derselben auch mancherlei Be-
Meteoreisen von De Sotoville. 101
Ziehungen vorhanden sind. Block I für sich allein betrachtet wäre als hexaedrisches Eisen anzusehen, Block VI als eben- solches, das stellenweise körnige Struktur besitzt, während in Block III nur noch Spuren von Neumann'schen Linien sichtbar sind. Hingegen ist das Auftreten der Riesenrhabdite in I und III vollkommen das gleiche, ebenso die Beschaffenheit der Verwerfungsadern. Hinzu kommen noch die Nähe der Fundorte, sowie die Gleichheit der accessorischen Gemengteile bei ihrer ungewöhnlichen Ausbildung und Anordnung. An der Zusammengehörigkeit der Blöcke ist demnach unseres Er- achtens nicht zu zweifeln.
Man muß annehmen, daß die verschiedenen Blöcke des De Sotoville-Eisen ursprünglich normaler Hexaedrit gewesen sind und in verschieden hohem Grade oder verschieden lange den Agentien ausgesetzt waren, welche eine Umwandlung der Struktur bewirkten. Es liegt wohl am nächsten hierbei an einen verschiedenen Grad von Erhitzung zu denken, welche bei einigen Blöcken bis zur Erweichung oder vollständigen Um- schmelzung der ganzen Masse führte. Das Endstück von Block VI würde einen geringen Grad der Veränderung repräsentieren, bei welchem nur der Zwillingsaufbau im wesentlichen verschwunden ist und ein körniges Gefüge an einigen Stellen sehr beschränkten Umfanges zur Ausbildung gelangte, während bei Block III fast die ganze Masse eine körnige Struktur angenommen hat und die Zwillingslamellen nur ganz lokal soweit erhalten blieben, daß man gerade noch Andeutungen von Neumann'schen Linien findet. Es kann nich: mit Bestimmtheit entschieden werden, ob die fraglichen Blöcke von den Findern erhitzt worden sind, wie dies so oft bei Meteoreisen der Fall gewesen ist, oder ob eine sekundäre Erweichung, respektive Umschmelzung schon vor dem Fall, respektive während desselben stattgefunden hat, wie dies einer von uns für N' Goureyma angenommen hat.*
Neben den thermischen Vorgängen müssen auch solche mechanischer Art stattgefunden haben, durch welche die
1 E. Cohen, Das Meteoreisen von N' Goureyma unvi^eit Djenne, Provinz Macina, Sudan. Mitteil, aus dem naturwiss. Ver. für Neu- Vorpommern u. Rügen 1901. XXXIII. 145—159.
102
A. Brezina und E. Cohen,
Stauchungen und Verkrümmungen der Neumann'schen Linien, sowie die Verwerfungen und Aderbildungen hervorgerufen wurden.
Die mechanischen Veränderungen können keinesfalls auf künstlichem Wege erzeugt worden sein, da unsere Hilfsmittel viel zu grob sind, um bei der notwendig gewesenen enormen Arbeitsleistung so zarte Verschiebungen hervorzubringen, wie sie insbesondere bei den Stauchungen notwendig waren.
Da aber in der Nähe der Verwerfungen und Adern ganz ähnliche Strukturänderungen auftreten, wie bei den anscheinend thermisch veränderten Partien, kommen wir zu dem Schlüsse, daß wahrscheinlich auch die thermischen Prozesse nicht künst- lichen, terrestrischen Ursprunges, sondern gemeinsamer kos- mischer Natur mit den mechanischen sind, daß also eine schrittweise Umwandlung eines hexaedrischen Eisen durch Erhitzung und Pressung gegen ein dichtes Eisen hin statt- gefunden habe.
Schließlich mag daraufhingewiesen werden, daß Primitiva, welches oben mehrfach zum Vergleich herangezogen wurde, nicht nur strukturell und bezüglich der Ausbildung der Schreibersite mancherlei Ähnlichkeit mit De Sotoville (ins- besondere mit dem Blocke VI) zeigt, sondern auch nahezu den gleichen ungewöhnlich niedrigen Gehalt an Ni + Co besitzt. Zum Vergleiche folgen:
Gesamtzusammensetzung von
De Sotoville (Mittel)
Fe Ni Co Cr Cu
C
P
s
Cl
95 |
19 |
4 |
16 |
0 |
61 |
0 |
Ol |
0 |
04 |
0 |
08 |
0 |
24 |
0 |
03 |
0 |
00 |
100 |
36 |
Primitiva
94-72 4-72 0-71 0-00 Spur 0-03 0-18 0-02 0-00
100-38
Meteoreisen von De Sotoville. 1 03
Mineralogische Zusammensetzung von De Sotoville (Mittel)
Nickeleisen 98-37
Phosphornickeleisen 1'55
Schwefeleisen 0*08
Primitiva |
|
98' |
•77 |
1' |
•17 |
0' |
■06 |
100-00 100-00
Es würde sich wohl lohnen, an größeren Schnittflächen zu prüfen, ob sich nicht etwa auch im Primitivaeisen noch Spuren Neumann'scher Linien entdecken lassen.
104
Die geologischen Ergebnisse einer Reise in Thrakien im Herbste 1902
von Dr. F. X. Schaffer.
(Mit 1 Karte.) (Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1904.)
Es ist nicht meine Absicht gewesen, die Ergebnisse meiner im Auftrage der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften im Herbste 1902 unternommenen Reise nach dem Osten der europäischen Türkei, in das Gebiet der alten Provinz Thrakien, in der Form zu veröffentlichen, in der es jetzt ge- schehen muß. Ich habe immer daran gedacht, meine Arbeiten im folgenden Jahre fortzusetzen und für dieses Gebiet zu einem gewissen x\bschlusse zu bringen. Leider kreuzten die in diesem Jahre ausgebrochenen Unruhen meinen Plan, den ich, da sowohl die Hohe Pforte, wie unsere auswärtige Ver- tretung in Konstantinopel die Verantwortung ablehnten, fallen lassen mußte. Es ist keine Aussicht vorhanden, mein Arbeits- feld in nächster Zeit wieder zu betreten, und darum muß ich an die Veröffentlichung meiner Studien schreiten, die meine engbegrenzte Aufgabe übrigens gelöst haben.
Das Gebiet, das das Ziel meiner Reise gewesen ist, wird im Norden von der bulgarischen Grenze, im Westen von dem alten Massiv des Ardatales, im Osten und Süden vom Meer be- grenzt. Es ist dies bisher einer der wenig erforschten Flecke auf der europäischen Karte gewesen, deren einige noch im westlichen Teile der Türkei zu finden sind. Nicht nur geologisch, auch geographisch ist hier noch viel Arbeit zu
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 105
leisten gewesen, die aber leider zum Teil über den Rahmen meiner eigentlichen Aufgabe hinausgegangen ist. Das Gebiet ist, merkwürdig genug, bisher ziemlich vernachlässigt gewesen. Seine topographische Übersichtsaufnahme ist zur Zeit des russisch - türkischen Krieges von russischen und öster- reichischen Mappeuren durchgeführt worden. Seitdem haben es wissenschaftliche Forscher nur mehr in seinen leichter zu- gänglichen Teilen bereist, während andere Landstriche, wie z. B. der Istrandscha Dagh, fast gänzlich unberührt ge- lassen wurden. Die Gründe dafür sind dem Kenner des Landes sehr einleuchtend. Das Reisen ist beschwerlich, die Wege sind schlecht, die Unterkunft und Verpflegung in den äußerst armen Dörfern nicht besser, und doch geht es hier nicht gut an, im Zelte zu wohnen, was man sonst im Oriente vorzieht. Der Istrandscha Dagh, der große landschaftliche Schönheit, besonders auf der Seeseite, besitzt, ist schwer zugänglich. Vom Westen her hat man einen ermüdenden Ritt durch die thrakische Ebene, und die Meeresküste besitzt keine größeren Orte, die in Dampferverbindung ständen. Zudem ist das Gebiet schon immer als ein Tummelplatz von Räuberbanden bekannt, die meist aus bulgarischen Deserteuren bestehen und bei den stammverwandten Bewohnern der Dörfer Schutz finden. Diese Umstände sind es hauptsächlich, die dem Lande seine Abgeschlossenheit vor der Erforschung bewahrt haben und wohl noch bewahren würden, wenn es nicht plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses der Geologen durch die Frage gekommen wäre, auf welchem Wege die Verbindung der Leit- linien Europas mit denen Asiens vor sich gehe.
Während bei der Mehrzahl der Fachgelehrten die Ansicht herrschend war, daß sich die Hochketten Asiens durch den Kaukasus, die Krim und den Balkan in die Europas fortsetzen, war in jüngerer Zeit die Meinung aufgetaucht, daß diese Ver- bindung vom Balkan über den Bosporus und durch den west- pontischen Bogen geschehen könne.
H. Douville^ schrieb: »La masse principale des Balkans, dirigee ouest-est, vient s'arreter ä la mer Noire, exactement
1 Sur la Constitution geologique des environs d'Heraclee (Asie Mineure). Comptes rendus de l'.Academie des sciences. Paris, 16. III. 1896.
106 F. X. Schaffer,
comme les Alpes orientales ä la plaine de Vienne; mais au sud, vers Sliven et Jambol, on voit les couches cretacees s'inflechir vers le sudest et se prolonger entre la mer Noire et le massif de l'Istrandja, pour aboutir aux couches ä Orbitolines d'Iniada, signalees plus haut; dans toute cette region des envi- rons de Bourgas, les couches cretacees sont disloquees par des epanchements de roches eruptives, comme ä l'embouchure du Bosphore. Ce rameau etablit la continuite entre le Cretace des Balkans et celui d'Heraclee.
C'est donc sur la rive meridionale de la mer Noire qu'il faut placer le prolongement de la zone balkanique, et par suite de la zone alpine, jalonnee ici, comme dans les Alpes occi- dentales, par une ligne d'affleurements du terrain houiller; les analogies que nous avons signalees entre le terrain cretace d'Heraclee et celui des Basses-Pyrenees sont une nouvelle preuve de l'uniformite de Constitution de toute cette zone.
La mer Noire ferait ainsi partie de la serie de depressions que l'on observe au nord de la chaine des Alpes et que l'on peut suivre, par les plaines du Danube, la vallee du Rhone et le bassin de la Garonne, jusqu' au golfe de Biscaye«.
Sueß hat (»Das Antlitz der Erde«, Bd. III, p. 447, An- merkung 13) erwähnt, daß Toula («Neues Jahrbuch für Mineralogie,« 1898) auch die Ansicht Douville's vertrete. An dem bezeichneten Orte findet sich aber keine diesbezügliche Äußerung, und Herr Hofrat Toula hat mir auf meine Anfrage mitgeteilt, daß er selbst von einem diesbezüglichen Ausspruche nichts wisse, daß er aber vielleicht die Möglichkeit einer solchen Gebirgsverbindung in einem Vortrage im »Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse« erwähnt haben dürfte.
Boue (»La turquie d'Europe«, I, p. 101 bis 103) hat sich schon dagegen ausgesprochen, den Istrandscha Dagh für eine Fortsetzung des großen Balkan zu betrachten, und auch Hochstetter hat sich dieser Ansicht angeschlossen, die auch E. Sueß (1. c.) teilt.
Diese Meinungen waren aber bisher noch nicht bewiesen und ein Beweis war nur im Istrandscha Dagh zu liefern, doch der war unbekannt. Schon 1900 hätte ich Herrn Hofrat Toula
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 107
auf einer Reise in dieses Gebiet begleiten sollen, aber die türkischen Behörden verweigerten damals die Unterstützung, und die Reise mußte unterbleiben. Im Jahre 1901 hätte ich von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften aus diese Tour unternehmen sollen, aber ich hatte Gelegenheit, meine Studien im südöstlichen Kleinasien zu Ende zu führen, und so kam ich erst 1902 dazu, meine Absicht zu verwirklichen. Mein Plan war es, das Gebirge in mehreren Profilen zu kreuzen, seinen Bau in seiner ganzen Längserstreckung kennen zu lernen und dann in dem südlich vom Ergene gelegenen Becken einige Routen auszuführen, um die Natur dieses noch sehr unbekannten Landesteiles zu erforschen. Es wäre zwar sehr wünschenswert gewesen, auch die Gegend zwischen Tschataldscha und dem Schwarzen Meere, den Kuru Dagh und einige andere Gebiete zu besuchen, aber dies war der vorgerückten Jahreszeit wegen nicht mehr zu machen, und später vereitelten es mir die Unruhen.
Ende August fuhr ich von Wien nach Konstantinopel, wo ich die notwendigen Besuche bei österreichischen und türkischen Behörden machte und kehrte dann nach Adrianopel zurück. Wenige Tage genügten für die Vorbereitungen, und am 6. September brach ich zu meiner Reise ins Gebirge auf. Über Jenidsche führte mich der Weg zuerst nach Kirk Kilisse, das am Südfuße des Tundscha-Massivs liegt. Von hier ging es über Tirnowo und Tschiknigori nach Iniada. Über Urgas und Pineki kehrte ich wieder an die Westseite des Gebirges zurück, das ich auf dem Wege nach Midia und von dort nach Manika und Tscherkesköi noch zweimal überstieg.
Eine zweite Tour führte mich von Uzun Köprü über Kistambul, Harmanly, Baschaid nach Keschan und von dort nach Ipsala, Feredschik und Dedeagatsch, von wo ich nach Adrianopel zurückkehrte.
Man kann in orographischem Sinne im östlichen Teile der europäischen Türkei drei Einheiten unterscheiden :
l.DasBergland des Tundscha-Massivs und des Istrandscha Daghs im Norden und Nordosten, in seinem westlichen Teile von den Einwohnern Balkan genannt, obgleich es weder tektonisch noch orographisch mit dem hohen Balkan etwas zu tun hat;
108 F. X. Schaffer,
2. das Maritza- und Ergene-Becken (das thrakische Becken) und
3. das Bergland südlich vom Ergene bis an das Meer, das ich nach dem in der Mitte gelegenen größten Orte das Bergland von Keschan nenne.
Das Bergland des Nordens besitzt im Westen Gebirgs- charakter, im Osten den eines Karstplateaus und gliedert sich in zwei Teile: die alte Masse der Tundscha im Westen mit Erhebungen von über 1000 m und den Istrandscha Dagh im Osten, der nur eine höchste Erhebung von etwa 500 w besitzt und größtenteils von alttertiärem Kalkstein gebildet wird. Dies ist die nördliche Umrandung des thrakischen Beckens.
Die westliche Begrenzung bildet die Ardamasse, die 1200 bis 1 300 w Höhe erreicht und sich von der Maritza bis an das Meer erstreckt. Im Süden zeigen einige Reste alter Ge- birge deren Fortsetzung nach Südosten an, geradeso wie vom Tundscha-Massiv einige kristallinische Inseln, die aus den jungen Sedimenten auftauchen, in südöstlicher Richtung nach Kleinasien hinüberweisen. In diese Bucht ist das Eocänmeer eingedrungen. Seine Sedimente liegen ringsum am Rande und bilden, auf altem kristallischen Gestein aufgelagert, die Höhen, die das Becken später im Osten und Süden abgeschlossen haben. Soweit jetzt unsere Kenntnis fortgeschritten ist, scheint eine offene Verbindung nur nach Südosten bestanden zu haben, durch die der oligocäne Binnensee seine Fortsetzung nach dem Marmarameer gefunden hat. Das marine Miocän und die sarmatische Stufe fehlen bisher im Innern. Aus ge- ringen Denudationsresten an den Rändern des Beckens ist auf dessen Bedeckung mit Ablagerungen eines Binnensees in jungmiocäner oder altpliocäner Zeit zu schließen, auf die Hochstetter seine pontische Stufe begründet hat. Diese Sedi- mente sind durch eine weitgehende fluviatile Erosion größten- teils entfernt worden, die den heutigen orographischen Gegen- satz zwischen dem südlich und dem nördlich vom Ergene gele- genen Teil des Beckens bedingt hat und die heute noch andauert.
Das alluviale Bett der Maritza, das beim Eintritt des Flusses in die Türkei nur geringe Breite besitzt, erweitert sich bei Adrianopel bedeutend und vereinigt sich mit den Tälern
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 109
der Arda und Tundscha. Unterhalb der Stadt bildet es ein bis \0 km breites Becken, daß sich bei Kuleli Burgas verengt. Gegen Dimotika verbreitet es sich wieder und besitzt bei Ipsala eine Breite von zirka \6 km. Wie im Becken von Adria- nopel ist es auch hier zu Sumpfbildung geneigt. Der letzte Teil des Unterlaufes des Flusses ist von Seen und Sümpfen be- gleitet. Das alluviale Schwemmland des Ergene dehnt sich unterhalb Lule Burgas aus. Ich habe die hydrographischen Verhältnisse dieses Gebietes an anderer Stelle ausführlich be- sprochen und kann jetzt darauf hinweisen. (»Entwaldung und Entwässerung des Ergene - Beckens in der europäischen Türkei», Mitteilung, der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien, 1903, Heft 3 und 4.)
Hochstetter hat die ausgedehnten Schottermassen, die das Becken von Thrakien besonders in dem nördlichen Teile bedecken, als thrakische Stufe ausgeschieden. Ich glaube, daß dies kein besonders glücklicher Griff war, da diese wohl das ganze Diluvium und mindestens das obere Pliocän um- fassen, wie ich sie auch auf meiner Karte bezeichnet habe. Die äußere Ähnlichkeit mit den Ouarzschottern der Umgebung von Wien hat Hochstetter schon erkannt, doch darf man darauf wohl kaum eine Altersgleichstellung fußen lassen, wie er es getan hat. Es ist das Abtragungsprodukt der Gebirge des Nordens, das großenteils wohl zu wiederholten Malen um- geschwemmt worden ist, wie es auch bei den ähnlichen Schottern des Alpenvorlandes der Fall ist.
Seit der Austrocknung des pontischen Seenbeckens hat eine starke Abtragung der Gebirgsumrandung stattgefunden, wie die gewaltige Menge von Schotter zeigt. Daß dieser Prozeß nicht auch schon vorher in größerem Maße vor sich gegangen ist, zeigt der Mangel von grobkörnigen Sedimenten in den älteren Schichten.
Bei Harmanli in Bulgarien beginnen diese Schotter und nehmen in der Gegend von Adrianopel sehr an Verbreitung zu und folgen, das weite thrakische Becken füllend, dem Gebirgs- rande bis Tatarköi und wohl weiter bis an die Wasserscheide bei Sinekli. Im Westen reichen sie so ziemlich bis an die Maritza, die den Ostrand des Arda-Massivs bespült, und im
110 F. X. Schaffer,
Süden dringen sie in das Bergland von Keschan ein, wo sie aber nur eine geringe Mächtigkeit besitzen, so daß der Unter- grund allenthalben zutage tritt. Die geringere Höhe des nörd- lichen Teiles des Beckens von Adrianopel ist meiner Ansicht nach auf tiefgehende Erosion der leicht zerstörbaren oligocänen Mergel zurückzuführen. Die Orte Tschorlu, Airobol, Tschepköi und Ipsala dürften die Südgrenze dieser Schotter, die eine leichtgegliederte Hügellandschaft bilden, bezeichnen. Ich habe an den Rändern des Gebietes wiederholt bemerkt, daß sie nur bis etwa 180w Höhe reichen, und ich habe deshalb die Ost- grenze auch von diesem Gesichtspunkte aus bestimmt. Eine allgemein auftretende Erscheinung ist die Zunahme der Größe der Rollstücke von Süden nach Norden gegen das Gebirge zu. Während auf den Hügeln bei Adrianopel und längs des Ergenetals Rieselschotter und Sand vorherrscht, wird das Material gegen das Gebirge zu gröber, so daß also wohl kein Zweifel darüber bestehen kann, woher es gekommen ist. Die Mächtigkeit der meist eine deutliche Bankung verratenden Schottermassen ist verschieden. Bei Adrianopel beträgt sie einige Meter, gegen das Gebirge zu habe ich sie aber an mehreren Stellen bis zu 20 in gemessen. In der Nähe der Maritza sind die Schotter in Terrassen gelagert. Ihr Material ist vorherrschend lichter, äußerlich durch Oxydation rötlich ge- färbter Quarzit, dann verschiedenes Urgestein, Granit, Gneis, Diorit, wie sie im Gebiete vorkommen. Ich habe in diesen Ab- lagerungen keine Spur organischer Reste gefunden. Löß- bildungen scheinen dem Gebiete zu fehlen. Wenigstens habe ich sie hier nirgends getroffen. Dies ist aber sehr begreiflich in einer Gegend, die so von den fluviatilen Wässern beherrscht wird, und wo die Niederschlagsverhältnisse der Erhaltung so leicht zerstörbarer Gebilde sehr ungünstig sind.
Für gleichaltrig mit diesen Schottern und Sanden halte ich die Sande, die zwischen Adrianopel und Mustafa Pascha den Südrand des Maritzatales begleiten. Es sind feine, lockere, glimmerreiche, gelbliche Quarzsande, die besonders bei km 33 der Bahnlinie in einer Materialgrube etwa 15 w hoch auf- geschlossen sind und neben zahlreichen verkieselten Holzstücken Säugetierreste enthalten. Aus ihnen stammen ein Unterkieferast
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 111
von Rhinozeros, Schenkelknochen und ein Wirbel von Elephas und ein schlechterhaltener, geweihähnlicher Rest, der Ähn- lichkeit mit dem Kopfschmucke eines Riesenhirsches besitzt, nur daß er viel kräftiger und gewichtiger ist. Ein großer Alveol- raum am Zentralende und die Verflachung und Verbreitung der Schaufel gegen außen zeigen Ähnlichkeit mit dem Geweih eines Sivatherinen. Da die Meinungen darüber getrennt waren und das Sti.lck vielleicht einige wichtige Schlüsse zu ziehen gestatten konnte, hat Herr Dr. Abel, der diese Ähnlichkeit zuerst erkannt hat, die Reste zur Bestimmung übernommen. Er teilt mir darüber mit, daß das Stück wirklich von Sivatherium giganteum herrührt, was von umso größerer Bedeutung ist, da dies der erste derartige Fund in Europa ist. Dr. Abel wird ihm sicher eine längere Besprechung widmen, so daß ich hier also ganz kurz darauf hinweisen kann.
Das jüngste Glied nicht fluviatiler Ablagerungen im Becken von Adrianopel bildet ein Congerienkalk und -mergel, den ich selbst nur an einem Punkte anstehend kennen gelernt habe. Hochstetter führt ihn von Jena und Taschli-Müselim am Südrande des Gebirges, an der rechten Talseite der Maritza von der Ardamündung bis Mustafa-Pascha, aus der Gegend von Dimotika, von Maltepe, Malgara und Keschan, und von Sufli und Ferre an. Bei Tschirmen, östlich v'on Mustafa-Pascha, habe ich ihn selbst getroffen, und von Werksteinen, die von Kuleli Burgas stammten, habe ich mir in Adrianopel Hand- stücke verschafft. Bei Maltepe und Keschan habe ich ihn nicht gefunden und nur die Cyrenenmergel gesehen, die ja eine so große Verbreitung in dem Becken besitzen. Das auf die Ränder beschränkte Vorkommen dieser Congerienkalke zeigt, daß wir es hier nur mit geringen Denudationsresten einer vermutlich einst weit ausgebreiteten Formation zu tun haben.
Meine Stücke stammen von einem schmutziggelben, ziemlich reinen Kalkstein, der fast ausschließlich aus Stein- kernen einer kleinen Co7tgeria besteht. Daneben sind un- deutliche Abdrücke kleiner Cardien zu bemerken. Die Stein- kerne erreichen selten 20 imn Länge. Meist besitzen sie nur eine Länge von 10 bis \2 mm, und inre Breite ist dann 6 imn. Sie sind ziemlich stark gewölbt und gleichen in ihren Um-
1 12 F. X. Schaffer,
rissen der Gruppe der Modioliformen von Andrussow, doch wäre es gewagt, eine spezifische Bestimmung zu versuchen. Die größte Ähnlichkeit besitzen sie mit Congeria Brardy Br. Ich könnte mich über das Alter dieser Schichten nicht mit Sicherheit äußern. Hoc hstetter läßt auf ihnen seine pontische Stufe fußen. Ich muß mich ohne eigene Meinung hierin seiner Autorität anschließen.
Sarmatische Bildungen fehlen bisher im Innern des Beckens und sind nur an der Küste des Marmarameeres ent- wickelt. Ebenso ist das marine Miocän unbekannt.
Das wichtigste Glied der Beckenausfüllung sind Mergel und sandige Kalke mit Cyrenen, die sich vom Gebirge des Nordens bis Keschan und ostwärts bis an das Meer bei Rodosto und Erekli ziehen. Sie bilden den Untergrund des thrakischen Beckens im Norden und das Bergland im Süden. Es sind besonders im Norden und in den tieferen Partien im Süden fette, leicht zerstörbare, graue Mergel, in denen sich zahlreiche Bruchstücke kleiner Bivalven finden. Es ist sehr schwer, diese Mergel zu schlemmen, da sich das fette Material nicht löst. Im Berglande, südlich vom Ergene, werden sie von Sandsteinen und sandigen Kalken überlagert, die wohl gebankt sind und besonders auf den Schichtflächen zahlreiche Exem- plare von Cyrenen führen. Während in den mergeligen und kalkigen Partien die Schalen aufgelöst und meist gute Skulptur- steinkerne erhalten sind, besitzen die im Sandstein eingebetteten Exemplare noch ihre Schalen. Ihre Mehrzahl gehört der Cyrena semistriata Desh. an oder steht ihr nahe. Ich habe keine anderen makroskopischen fossilen Reste in diesen Schichten gefunden. Über die Mächtigkeit dieser Mergel sind wir noch nicht unterrichtet. Wohl hat man mir in Keschan erzählt, daß man darin 100 w-^ tief auf Kohlen gebohrt hätte, aber ich glaube, daß diese Angabe nicht verläßlich ist. Eine be- sondere Bedeutung besitzt das Schichtglied durch die einge- lagerten Flötze von Braunkohlen, die infolge ihrer weiten Ver- breitung trotz ihrer meist geringen Mächtigkeit einen hervor- ragenden Wert für das an Brennmaterial arme Land haben oder vielmehr einmal haben werden. In der Gegend nördlich von Adrianopel soll man Kohlenspuren gefunden haben, und
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 113
ich glaube die blätterigen Sandsteine und Sande mit kuchen- artigen Konkretionen, die die Hügel von Adrianopel gegen das alte Serail bilden, dieser Formation zurechnen zu müssen. Ihr eigentliches Verbreitungsgebiet ist aber der Süden, der ganz aus ihr aufgebaut ist. Nur geringe oberflächliche Bildungen von Schottern und Sauden bedecken sie. Aus der Gegend von Ipsala über Keschan, Malgara bis in die Gegend von Rodosto und Erekli und im Norden bis Tschepköi und vermutlich bis Airobol und Tschorlu reicht ihre Verbreitung. Das Hügelland besitzt eine größte Höhe von 350 m. Es ist durch zahlreiche Täler reich gegliedert, fruchtbar und großenteils gut bebaut. Koniferenwälder fehlen gänzlich. Laubwald tritt in kleinen niederen Beständen auf. In geringer Tiefe unter der Oberfläche — sie beträgt in vielen Fällen nur etwa 10 m — trifft man fast in jedem Wasserrisse aufgeschlossen meist Yg bis 1 m, selten bis 2 wi mächtige Flölze von Braunkohle. Die Lagerung ist meist wenig gestört, nur an einigen Punkten, z. B. bei Kistambul fallen die Schichten steil ein und zwischen Baschaid und Keschan bilden sie eine flache Mulde. Die Kohlen besitzen die Güte der nordböhmischen Braunkohle und werden in Adrianopel in Öfen gebrannt. Man hat auch Ver- suche mit Lokomotivfeuerung gemacht, die besonders bei einer Mischung von Kistambulkohle und Kardiff trefflich ge- glückt sind. Freilich ist der Heizwert der Kohlen sehr ver- schieden. Die geschätztesten sind die von Kistambul und Keschan, mindere Sorten liefern Tschauschlu und Harmanly, Von einem rationellen Abbau ist noch nirgends die Rede. In Kistambul wird auf eine wenig bergtechnische Art in einem kaum versicherten Stollen die Kohle aus dem stets knisternden und krachenden Flötze gewonnen. An den anderen Plätzen sind erst Versuchsschürfungen gemacht worden. Nur in Keschan, wo das Flötz unter den Schottern der Talebene liegt, hat eine englische Gesellschaft alle Förderungsanlagen in ent- sprechender Weise hergestellt, einen Schacht abgeteuft und eine Anzahl Beamte angestellt, die aber seit Jahren nichts zu tun haben, da ihr der kaiserliche Ferman, der die Ausbeutung der Gruben gestatten sollte, verweigert wird. Sie beabsichtigt, die Kohle nach Gallipoli zu schaffen und von dort nach
Sitzb. d. mathem.-nalurvv. KL; CXIII. Bd., Abt. I. 8
1 14 F. X. Schaffer,
Konstantinopel zu verfrachten. Sind auch bis jetzt die Aus- sichten nicht sehr hoffnungsfreudig, so ist doch die Bedeutung dieses Vorkommens vom volkswirtschaftlichen Standpunkte nicht zu unterschätzen, da die Ausbeutung leicht sein dürfte. Nach Schätzungen, die mir von einigen Punkten gegeben worden sind — eine darunter Keschan mit 50 Millionen Tonnen — schätze ich die Gesamtmenge der Kohlen auf über 100 Millionen Tonnen. Freilich sind die Angaben zum Teil wenig verläßlich und es ist ein großer Prozentsatz minder- wertigen Materials zu berücksichtigen.
Der gleichen Stufe sollen die Kohlenvorkommnisse an- gehören, die an verschiedenen Punkten in Bulgarien auf- treten, aber nicht die gleiche Güte und weite Verbreitung besitzen.
Im Westen, Norden, Nordosten und Süden ist das Becken von eocänen Bildungen umsäumt, die an das alte Gebirge an- gelagert sind. Die Vorkommnisse westlich von der Maritza an der Ardamasse und im Süden am Kuru und Tekir Dagh habe ich nicht kennen gelernt. Ein Streifen eocäner Kalke begleitet den Südrand des Tundscha Massivs von der bulgarischen Grenze bei Hebitschewo über Kirk Kilisse nach Osten. Vor Wisa verbreitert er sich und die Kalke reichen über den Istrandscha Dagh bis an die Küste. Auch hier liegt wie im Westen das Eocän direkt auf kristallinischem Gebirge, das in einzelnen Inseln daraus emportaucht. Im Westen liegt es z. B. bei Kirk Kilisse in 250 w, bei Urgas (Sofires) in 180 w, bei Pinek in 280 m, und auf der Göztepe bei Wisa und weiter im Südosten erreicht es Höhen von mehr als 400 w. Seine Ver- breitung in der Gegend von Tschataltscha habe ich nach Tschihatscheff's Karte gezeichnet, da ich selbst diese Land- striche nicht besucht habe.
Der Kalkstein besitzt im Aussehen die größte Ähnlichkeit mit manchen Leithakalken des Wiener Beckens, ist schmutzig- weiß, bisweilen gelblich und besteht aus Nulliporen, Korallen, Muschelsteinkernen oder Nummuliten. Oft fehlt jede organische Struktur fast vollständig, An anderen Punkten ist er sandig. Bei Kirk Kilisse, wo er an mehreren Punkten in der Stadt aufgeschlossen liegt und die Hügel bildet, die das
Geologische ErQebnisse einer Reise nacli Thrakien. 115
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abwechslungsreiche Relief des Ortes bedingen, herrscht Muschelkalkstein vor. Von hier stammen folgende Fossilreste, die wegen der Auflösung der Schalen und sonstigen schlechten Erhaltung meist nicht spezifisch zu bestimmen waren. Zum Teil habe ich sie nach einer Sammlung des Herrn Kokinos, des Schwiegersohnes des österreichischen Konsularagenten Herrn Massaraki, bestimmt.
Niimmulites Ramondi Defr.
Trochocyathus
Pecten (ähnlich F. elegans).
Lüna sp.
Spondyhis (ähnlich Sp. hifrons Münst.).
Ostrea rarüamella.
Ostrea spec. div.
Area sp.
Pecttmculus sp.
CytJierea sp.
Liicina sp.
Panopaea (ähnlich P. Menardi).
Trochus (groß),
Xenophora sp.
Natica (große und kleine Formen).
Turritella sp.
Vermehis sp.
Cerithiiim (30 cm lange Exemplare).
Strombus sp.
Cypraea sp.
Terebra (groß).
Conus spec. div.
Natiillus.
Außerdem Reste von Brachyuren, Zähne von Carcharias und ein Geweihrest eines Cerviden.
Bei Wisa sind Nummulitenkalke besonders mit Ntinim. Ramondi Defr. und rotularins Desh. vorherrschend, bei Urgas sind Anthozoen häufig, obgleich manche Bänke ganz
8*
116 F. X. Schaffer,
von Nummulites elegans Sovv, und A^. rotiilarius Desh. erfüllt sind. Von sonstigen Fossilien stammen von hier:
Heliastraea äff. Boneana Rss.
Trochocyathus und zahlreiche andere Anthozoen.
Natica sp. (groß).
Ostrea rarilawiella Desh.
Cardium sp.
Panopaea sp.
Ich glaube, daß der marine Kalkstein, den Tschiha- tscheff südlich vom Derkossee anführt und auf Grund der nicht näher bestimmten Korallen für miocän erklärt, auch alttertiär ist, welche Ansicht schon Hochstetter besessen haben dürfte, der diese Region dem Eocän zuzählte.
Wie weit dieses Kalkgebirge, das von der Eisenbahn zwischen Sinekli und Kütschük -Tschekmedschi gekreuzt wird, nach Südwesten reicht, ist unbestimmt. Die Lagerung dieser Schichtglieder ist fast durchwegs ungestört. Ich habe keine als Faltung zu deutenden Störungen beobachtet. Die Oberfläche, die von engen, tiefen Tälern durchschnitten wird, zeigt typischen Karstcharakter. Das Land ist von Buschwerk, hauptsächlich von Eichen bedeckt, höhere Baumbestände finden sich nur weiter im Norden und im Innern. Gegen das Meer und die Ebene fällt das Gebirge steil ab.
Das Mesozoikum ist in meinem Arbeitsgebiete nur durch graue Orbitulinensandsteine vertreten, die ich am Kap Iniada, wo sie in südöstlicher Richtung gegen das Meer ausstreichen, kennen gelernt habe. Sie fallen steil zirka 50° nach Osten ein. Ihre teilweise rötliche Farbe scheint auf Kontaktwirkung mit den benachbarten Andesiten zurückzuführen zu sein. Das äußerst feste Gestein ist erfüllt von Orbitulinen, die der 0. con- cava Lam. und plana angehören. Freilich ist die Erhaltungs- weise recht wenig günstig. Die Schichtstörungen glaube ich nicht auf Faltung, sondern bloß auf Absinken zurückführen zu müssen, das wohl mit dem Emporquellen der großen Massen vulkanischen Magmas im Zusammenhange steht, die die Schwarze Meer-Küste begleiten.
Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien. 1 1 7
Die Zone von Neokom, die Hochstetter westlich von der der Orbitulinensandsteine anführt, lag außerhalb meines Reiseweges.
Das Palaeozoikum fehlt bis jetzt in Thrakien völlig und tritt erst am Bosporus auf, wo es von T seh i hat sc he ff zuerst genauer studiert wurde.
Den Kern der drei Gebirgsmassen, die das Becken be- grenzen, bilden kristallinische Schiefer und Gneise, in die granitische und dioritische Stöcke von zum Teil beträchtlicher Ausdehnung und Züge von kristallinischen Kalken ein- gelagert sind. Das Bedeutendste dieser alten Massive ist das der Tundscha, das sich gegen Osten bis an das Meer ausdehnt. Der Name des Istrandscha Dagh ist nur für den südöstlichen Teil des Gebirges zu verwenden, wie es auf den meisten Karten üblich ist. Darnach besteht dieses aus einzelnen Inseln kristallinischen Gesteins, besonders Schiefer, die aus der Decke von Alttertiär emporragen.
Bei Kirk Kilisse bildet eine schmale Zone von grauweißem zvveiglimmerigem Gneis das Liegende des Tertiärs.
Man trifft dann gleich einen rosafarbenen, grobkörnigen Zweiglimmergranit, der die pittoresken Hügel und Blöcke hinter der Stadt zusammensetzt. Er scheint einem größeren Stocke anzugehören und sich bis Dereköi auszubreiten, wo kristallinischer Kalk in mehreren Zügen in Muskovitgneis auftritt. Granitische Stöcke finden sich in dem Gebiete des Tundschamassivs oft in größerer Ausdehnung. Daneben trifft man Dioritstöcke, wie den von Samakov-Tschiknigori, der aus einem lichten Hornblendequarzdiorit besteht.
Jungvulkanische Gesteine treten im Becken von Adria- nopel im Südwesten auf, wo sie zum Teile mit noch heute wirkenden thermalen Erscheinungen (Arsentherme von Ilidscha) in Verbindung stehen. Es scheinen durchwegs Andesite zu sein. Herr Dr. Wächter, dem ich die Unter- suchung der von mir aus diesem Gebiete mitgebrachten Gesteine verdanke, hat von Ipsala Augithypersthenandesit und Augitandesit bestimmt. Die Andesite von Kap Iniada habe ich schon früher erwähnt.
118 F, X. Schaffer, Geologische Ergebnisse einer Reise nach Thrakien.
Die Ergebnisse meiner Reise, die als Lösung der von mir verfolgten Aufgabe gelten können, lassen es als sicher er- scheinen, daß der Istrandscha Dagh ein altes Gebirge ist, über das das Alttertiär transgrediert. Faltungen sind in tertiärer Zeit nicht mehr erfolgt, und die Kreide ist nur durch Absinken gestört. Es ist also eine Fortsetzung der Leitlinien des Balkan nach Südosten nicht anzunehmen, und wir haben den Istrand- scha Dagh lediglich als einen Teil der Rhodopemasse anzu- sehen, der nach dem kleinasiatischen Festlande hinüber- weist.
Scliaffer.F: Ergebnisse einer Reise nach Thrakien.
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Sitzungsberichte d.kais.Akad. d.AViss., maih^natunv. Classe.Bd.CXIII.AbthJ.1904.
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Die Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Klasse erscheinen vom Jahre 1888 (Band XCVII) an in folgenden vier gesonderten Abteilungen, welche auch einzeln bezogen werden können:
Abteilung I. Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Krystallographie, Botanik, Physio- logie der Pflanzen, Zoologie, Paläontologie, Geo- logie, Physischen Geographie und Reisen.
Abteilung II a. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Astronomie, Physik, Meteorologie und Mechanik.
Abteilung II b. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Chemie.
Abteilung III. Die Abhandlungen aus dem Gebiete der Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere, sowie aus jenem der theoretischen Medicin.
Von jenen in den Sitzungsberichten enthaltenen Abhand- lungen, zu deren Titel im Inhaltsverzeichnisse ein Preis bei- gesetzt ist, kommen Separatabdrücke in den Buchhandel und können durch die akademische Buchhandlung Karl Gerold's Sohn (Wien, I., Barbaragasse 2) zu dem angegebenen Preise
bezogen werden.
Die dem Gebiete der Chemie und verwandter Teile anderer Wissenschaften angehörigen Abhandlungen werden auch in besonderen Heften unter demTitel: »Monatshefte für Chemie
und verwandte Teile anderer Wissenschaften« heraus- gegeben. Der Pränumerationspreis für einen Jahrgang dieser Monatshefte beträgt 10 K oder 10 Mark.
Der akademische Anzeiger, welcher nur Originalauszüge , oder, wo diese fehlen, die Titel der vorgelegten Abhandlungen i enthält, wird, wie bisher, acht Tage nach jeder Sitzung aus- ' gegeben. Der Preis des Jahrganges ist 3 K oder 3 Mark.
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIII. BAND. IIL UND IV. HEFT. JAHRGANG 1904. — MÄRZ und APRIL.
ABTEILUNG I.
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN.
(MIT 3 TAFELN UND 7 TEXTFIGUREN.)
WIEN, 1904. AUS DER KAISERLICH-KÖNIGLICHEN HOF- UND STAATSDR UCKEREI.
IN KOMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN,
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
INHALT
des 3, und 4. Heftes März und April 1904 des CXIII. Bandes, Abteilung- 1 der Sitzung'sh,eyi(^hta der mathem.-naturw. Klasse.
Seite GreüacJt H., Spektralanalytische Untersuchungen über die Entstehung
des Chlorophylls in der Pflanze. (Mit 3 Tafeln.) [Preis: 1 K 30 h
= 1 Mk. 30 Pfg.] ... 121
Höfer H., Gipskriställchen akzessorisch im dolomitischen Kalk von
Wietze (Hannover). [Preis : 20 h = 20 Pfg.] 169
Doelter C, Die Silikatschmelzen. (Erste Mitteilung.) (Mit 7 Textfiguren.)
[Preis: 1 K 50 h = 1 Mk. 50 Pfg.] 177
Preis des ganzen Heftes: 2 K 50 h = 2 Mk. 50 Pfg".
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905
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE KLASSE.
CXIII. BAND. III. HEFT.
ABTEILUNG L
ENTHÄLT DIE ABHANDLUNGEN AUS DEM GEBIETE DER MINERALOGIE,
KRISTALLOGRAPHIE, BOTANIK, PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN, ZOOLOGIE,
PALÄONTOLOGIE, GEOLOGIE, PHYSISCHEN GEOGRAPHIE UND REISEN
121
Spektralanalytisehe Untersuchungen über die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze
von
P. Hugo Greilach,
Kapitular des Benediktinerstißes St. Paul in Kärnten.
(Mit 3 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 3. März 1904.)
A. Einleitung und Historisches.
Eine der wichtigsten Fragen auf dem Gebiete der Pflanzen- physiologie, welche vom Beginne derselben als Wissenschaft bis auf den heutigen Tag nicht nur Botaniker, sondern auch hervorragende Physiker und Chemiker beschäftigte und welche trotz der eingehendsten theoretischen und experimentellen Untersuchungen noch immer als ungelöst betrachtet werden muß, bildet die sogenannte Chlorophyllfrage. Warum die über- aus zahlreichen Resultate wissenschaftlicher Forschung auf dem genannten Gebiete noch zu keinem befriedigenden Ab- schluß gelangen konnten und auch in absehbarer Zeit nicht gelangen werden, hat darin seinen Grund, daß es sich hier wieder um eine Aufgabe handelt, komplizierte Lebensvorgänge durch exakte physikalische und chemische Metboden zu unter- suchen und zu erklären, eine nach den heute zur Verfügung stehenden Mitteln äußerst schwierige, oft sehr undankbare Arbeit. So ist z. B. bekannt/ daß zwischen optischer Absorption
1 Pfeffer, Stoffwechsel. 1897.
9*
122 H. Greilach,
und Assimilation ein bestimmtes Verhältnis, wenn auch durch noch so plausible theoretische Gründe gleichsam ge- fordert, sich nicht genau nachweisen läßt. Zu welch voreiligen Schlüssen ist gerade LommeP auf diesem Gebiete gelangt.
Am wenigsten aber findet sich in der Literatur die Frage aufgeworfen, wie Chlorophyll entsteht, was die eigentliche Wirkung des Lichtes beim Aufsprießen des ergrünenden, angiospermen Keimlings sei, wie diese chemisch sowohl als auch physikalisch in der jungen Pflanze bei der Entstehung des Chlorophylls sich manifestiere.
Die Schwierigkeit in der Lösung speziell dieser Aufgabe tritt dem Experimentierenden sofort klar vor Augen: Man müßte das einzelne Chlorophyllkorn nicht nur chemisch, sondern auch mechanisch behandeln respektive zerlegen können, um vollständig über Entstehen und Vergehen des Farbstoffes Rechenschaft abzugeben im stände zu sein.
Wenn nun im folgenden über die Entstehung des Chloro- phylls einige Daten erbracht werden sollen, so handelt es sich hiebei vor allem um zwei Punkte, erstens die Intensität des zu diesem Prozeß erforderlichen Lichtes zu bestimmen, zweitens das Quantum des neugebildeten Farbstoffes nach Tunlichkeit zu messen, d. h. einen Zusammenhang zwischen der Licht- intensität und den Schwingungsamplituden der lonengruppen im Chlorophyllmolekül zu eruieren.
Der Erste, welcher (allerdings nur schätzungsweise) das Minimum der Lichtintensität bestimmte, bei der Chlorophyll noch gebildet werden kann, war Sachs, der in seinem »Lehr- buche der Botanik« ^ den Satz aufstellte, daß das Ergrünen monocotyler und dicotyler Pflanzen bei einer Helligkeit be- ginne, welche dem Auge das Lesen eines Buches eben zur Not noch gestattet.
Eingehende spektralanalytische Untersuchungen über diesen Punkt wurden jedoch erst von Wiesner" angestellt.
1 Ann. der Chemie und Phys. 1871.
2 Leipzig, 1873.
3 »Die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze«. Eine physiologische Untersuchung. Wien, 1877.
Entstehung des Chlorophylls. 123
Bezüglich der Qualität des zur Chlorophyllbildung nötigen Lichtes fand Wiesner einerseits, daß sehr langwellige Strahlen des Spektrums (Ultrarot) kein Ergrünen hervorrufen, dieselben jedoch als »rayons continuateurs« im Bequerel'schen Sinne wirken können, andrerseits, daß sehr kurzwellige Strahlen an der Chlorophyllbildung Anteil nehmen, wenn letzerer auch kein bedeutender genannt werden kann. Auf die Intensität der Be- leuchtung Bezug nehmend, fand der genannte Forscher, daß bei angiospermen Pflanzen die chlorophyllerzeugende Kraft des Lichtes bei einem und demselben Minimum der Intensität erlischt, die Geschwindigkeit der Chlorophyllbildung aber bei konstanten äußeren Bedingungen bei verschiedenen Pflanzen eine verschiedene sei, ein Umstand, der nicht in einer variablen Konstitution des fertig gebildeten grünen Farbstoffes selbst, sondern in der individuellen Wechselbeziehung zwischen Plasma und Farbstoff in den Geweben seinen Grund hat. (Bei den Versuchen Wiesner's wurden die auf die Pflanzen wirkenden Lichtintensitäten durch verschiedene lichtdurch- lässige Schirme variiert, während die Helligkeit der Flamme stets dieselbe war: 6*5 Walratkerzen.) Die Entstehung des grünen Farbstoffes wurde hiebei stets durch das erste Auf- treten des Absorptionsstreifens X == 680 — 640 [X[i konstatiert. Die Frage über das Quantum des neugebildeten Farbstoffes wurde mit der über den genetischen Zusammenhang zwischen Chlorophyll und dem (Kraus'schen) Xanthophyll in Verbindung gebracht; auf welche Art und Weise soll später auseinander- gesetzt werden.
Mit welcher Geschwindigkeit das Ergrünen bei inter- mittierender Beleuchtung vor sich geht, haben auf Wiesner's Anregung Mikosch und Stöhr gezeigt^ und gefunden, daß eine geringere Gesamtdauer derselben zur Chlorophyllbildung erforderlich ist als bei kontinuierlicher Beleuchtung, was eine Bestätigung der von Wiesner ^ zuerst nachgewiesenen
1 Untersuchungen über den Einfluß des Lichtes bei intermittierender Beleuchtung. Diese Sitzungsber., Jahrg. 1880
2 Wiesner, 1. c.
124 H. Greilach,
Erscheinung bildet, daß nämlich das Ergrünen als auf photo- chemische Induktion beruhend aufzufassen sei.^
Weitere wichtigere Arbeiten sind in dieser Hinsicht nur wenige zu erwähnen. Reinke^ wies auf Grund ebenfalls spektroskopischer Untersuchungen nach, daß alle leuchtenden Strahlen des Sonnenspektrums zwischen den Linien A und H etiolierte Keimlinge zum Ergrünen bringen. Die Strahlen zwischen B und D erweisen sich als die wirksamsten, das Maximum ist zu beiden Seiten von C zu suchen. Die ultra- roten und ultravioletten Strahlen vermögen kein Ergrünen hervorzurufen. Wichtig für das Folgende ist Reinke's Be- hauptung, daß die Kurve der Wirksamkeit der Strahlen beim Ergrünen mit der Absorptionskurve des Etiolin (letzteres im Pringsheim'schen Sinn aufzufassen) nicht zusammenfalle.
Eine weitere Abhandlung über diesen Gegenstand findet man bei Monte ver de, ^ nach welchem das Protochlorophyll (nichts anderes als Pringsheim's Etiolin) seinem spektro- skopischen Verhalten nach zum eigentlichen Chlorophyll merk- würdige Beziehungen aufweist, ein Umstand, der in den folgenden Auseinandersetzungen als grundlegend auch für quantitative Chlorophyllbestimmungen gelten soll (die dies- bezügliche Schrift Monteverde's war dem Verfasser jedoch erst in die Hand gekommen, nachdem letzterer bereits über diesen Gegenstand zahlreichere und genauere Untersuchungen zu verzeichnen hatte).
In neuester Zeit stellt Kohl,* gestützt auf Palladin's^ und eigene Versuche die bereits früher von Kraus ^ gemachte
1 Monteverde (»Das Protochlorophyll und Chlorophyllc, vorläufige Mitteilungen, 1902) leugnet letzteres. Hierüber werde ich in einer eigenen Abhandlung berichten.
2 Die Abhängigkeit des Ergrünens von der Wellenlänge des Lichtes. Sitzungsber. der kgl. preuß. Akad. der Wissensch. in Berlin, Jahrg. 1893.
3 Über das Protochlorophyll. Acta horti Petropol. XIII, 1894.
^ Untersuchungen über das Carotin und seine physiologische Bedeu- tung in der Pflanze. Leipzig 1902.
ä Ergrünen und Wachstum etiolierter Blätter. Ber. der deutschen botan. Gesellsch., Bd. IX, 1891.
6 C. Kraus, Über künstliche Chlorophyllerzeugung in lebenden Pflanzen bei Lichtabschluß. Aus botan. Jahresber. 1877.
Entstehung des Chlorophylls. 125
Behauptung auf, daß gleichsam künstlich hervorgebrachtes Ergrünen im Dunkeln auch bei Angiospermen erzielt werden könne. ^ Systematisch ausgeführte Versuche speziell über diesen Gegenstand liegen indessen nicht vor.
Es liegt auf der Hand, daß es bei der Beantwortung der Frage über das Ergrünen vor allem anderen darauf ankommt über möglichst genaue quantitative Bestimmungen des neu- gebildeten Farbstoffes 'verfügen zu können.
Methoden zur quantitativen Chlorophyllbestimmung liegen, nach der Literatur zu schließen, verhältnismäßig sehr wenige vor und zwar sind dieselben in zwei Gruppen zu trennen: in eine spektralanalytische und eine chemisch-volumetrische. Übrigens läßt sich eine strenge Scheidung beider Unter- suchungsarten nicht immer konstatieren.
Die ersten genaueren quantitativen Chlorophyllbestim- mungen liegen von Wiesner (1. c.) vor, welcher in kalibrierten Röhren alkoholische Chlorophyllauszüge solange durch Ti- trieren mit gleichprozentigem Alkohol verdünnte, bis der Streifen I des (stationären) Chlorophylls verschwand. In ähn- licher Weise wurden von demselben auch quantitative Xantho- phyllbestimmungen gemächt: stets gab die volumetrische Messung des zugefügten Alkohols Verhältniszahlen der vor- handenen Chlorophyll- respektive Xanthophyllmengen.
Timiriazeff- benützte zur Vergleichung verschiedener Blattgrünmengen eine Normalchlorophyllösung, welche im Dunkeln in einer zugeschmolzenen Glasröhre aufbewahrt wurde. Die quantitativen Messungen wurden ganz wie bei Wiesner durch Titrierung vorgenommen.
Tschirch's Methode zur quantitativen Chlorophyllbestim- mung ^ besteht in der Darstellung des Zinksalzes der Phyllo- cyaninsäure, welches nach dessen Angabe 11-07 Zn enthält,
1 Kf. hierüber auch Artari, Über die Bildung des Chlorophj'lls durch grüne Algen. Ber. der deutschen botan. Geseüsch., Bd. XX, 1902.
2 Apparate für quantitative Analyse des Chlorophylls und zur Bestim- mung des Gesetzes der Lichtabsorption durch dasselbe. Russ. aus Just's Jahresber. 1881.
3 Methode zur quantitativen Bestimmung des Chlorophylls, sowohl in den Blättern als in Auszügen. Pharm. Zentralbl., 30.
126 H. Greilach,
wobei die Menge der Phyllocyaninsäure respektive des damit aufgenommenen Chlorophyllfarbstoffes rechnerisch gefunden werden kann.^
Neuerdings liegen von Kohl (1. c.) quantitative Bestim- mungen von Pflanz enfarbstoffen (freilich in etwas spärlicher Anzahl) vor, die derselbe mit dem sogenannten Kolorimeter ausführte, von welchen jedoch Raumes halber keine weitere Notiz genommen werden kann.
Bei den angeführten Versuchen handelte es sich natürlich nicht um quantitative chemische Analysen quoad substantiam, deren bezüglich des Chlorophylls und dessen Derivaten ungemein zahlreiche anzuführen wären (kf. Literatur bei Marchlevsky: Chemie des Chlorophylls; Hamburg und Leip- zig 1894; und Tschirch: Untersuchungen über das Chloro- phyll; Berlin 1884), sondern lediglich um die meßbaren Mengen des bei einem bestimmten physiologischen Prozesse neugebildeten respektive zerstörten Blattgrüns. Bekanntlich geht die Bildung des letzteren bei angiospermen Pflanzen im allgemeinen nur im Lichte vor