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MATHEMATISCH-PHYSIKALISCHEN CGLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE ver WISSENSCHAFTEN.

=, DREIZEHNTEN BANDES

IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER XLVIII. BAND.

MÜNCHEN, 1880. VERLAG DER K. AKADEMIE, IN COMMISSION BEI G. FRANZ.

Inhalt des XIII. Bandes,

I. Abtheilung. Studien über fossile Spongien. Erste Abtheilung. I Hexactinellidae Von Karl Alfred Zittel ER ee 2 ee >06 RE Studien über fossile Spongien. Zweite Abtheilung. II Lithistidae. Mit zehn lithographirten Tafeln. Von Karl Alfred Zittel Ne Die Anwendung der Wage auf Probleme der Gravitation. Von Ph. von Jolly

II. Abtheilung._ Studien über fossile Spongien. Dritte Abtheilung. Monactinellidae, Tetracti- nellidae und Caleispongiae. Von Karl Alfred Zittel Eu Die Veränderlichkeit in der Zusammensetzung der atmosphärischen Luft. Von 0 OR KR RO a N Theorie der Gärung. Von 0. von Nägeli EL NEE > Vergleichend anatomische Untersuchungen über die äusseren weiblichen Ge- schlechts- und Begattungsorgane des Menschen und der Affen, insbesondere der Anthropoiden. Von Dr. Th. L. W. von Bischoff. Mit sechs Tafeln Abbildungen EN WERE RE ERS E yle: Becan aaa Dale

Ill. Abtheilung.

Beiträge zur Anatomie des Gorilla. Von Dr. Th. L. W. von Bischoff in München

Das Bayerische Präcisions-Nivellement. Fünfte Mittheilung von Karl Max von Bauernfeind. Mit einer Uebersichtskarte 2 ; .

Ueber die Berechnung der wahren Anomalie in nahezu parabolischen Bahnen. Non Theodor Kitter von Oppolzser » » 2 nun !

Ueber die äusseren weiblichen Geschlechtstheile des Menschen und der Affen, Nachtrag von Dr. Th. L. W. von Bischoff. Mit zwei Abbildungen

Ergebnisse aus Beobachtungen der terrestrischen Refraktion. Erste Mittheilung enthaltend die Feststellung von Thatsachen. Mit zwei Steindrucktafeln. Von Karl Max von Bauernfeind

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Nachträgliche Berichtigung zur ersten Abtheilung der Studien über fossile Spongien.

Beim Umbrechen des Satzes ist leider auf Seite 15 eine sinnentstellende Vertauschung der Worte Coralliospongia und Calieispongia vorgekommen ; ausserdem steht auf derselben Seite Zeile 5 v. ob. „gemmulae ohne Nadeln“ anstatt „mit Nadeln.“

Die Zeilen 3—8 auf 8. 15 sind darum durch beifolgende Einlage zu ersetzen.

Calicispongia. S. Kent. Schwammkörper mit einem aus verflochtenem oder isolirten Nadeln bestehenden, niemals netzförmigen und zusammenhängenden Skelet. Gemmulä mit Nadeln.

Coralliospongia. Gray. Schwammkörper mit anastomosirendem oder zusammenhängendem netzförmigen Skelet. Gemmulä häutig, ohne Nadeln.

ABHANDLUNGEN

MATHEMATISCH-PHYSIKALISCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE »er WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTEN BANDES ERSTE ABTHEILUNG. IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER XLVII. BAND.

MÜNCHEN, 1878.

VERLAG DER K. AKADEMIE, IN COMMISSION BEI G. FRANZ.

Inhalt.

Studien über fossile Spongien. Erste Abtheilung. I. Hexactinellidae. Von Karl Alfred Zittel MT:

Studien über fossile Spongien. Zweite Abtheilung. II. Lithistidae. Mit zehn lithographirten Tafeln. Von Karl Alfred Zittel ee

Die Anwendung der Waage auf Probleme der Gravitation. Von Ph. von Jolly

Seite

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Studien

über

fossile Spongien

von

Karl Alfred Zittel,

ordentl. Mitglied der k. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Abh.d. II. Cl.d.k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I. Abth. 1

Studien über fossile Spongien

von

Karl Alfred Zittel, ordentl. Mitglied der k. bayrerischen Akademie der Wissenschaften.

I. Hexactinellidae.

Systematische Stellung der Hexactinelliden.

Unter den zahlreichen Entdeckungen O. Schmidts im Gebiete der Spongiologie hat in paläontologischer Hinsicht keine eine Bedeutung von so grosser Tragweite erlangt, wie die Aufstellung und Begrenzung der Ordnungen der Hexactinelliden und Lithistiden. !) Es war zwar schon früher von Wyville Thomson ?) auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der Ventriculiten aus der englischen Kreide mit gewissen lebenden Kiesel- spongien hingewiesen: worden, aber erst nachdem OÖ. Schmidt gezeigt hatte, dass die sogenannten Glasschwämme (Vitrea) W. Thomson’s zwei fundamental verschiedene Typen, die Hexactinelliden und Lithistiden ent- halten, von denen jeder zahlreiche fossile Vorläufer besitzt, war für die Palaeontologie eine Grundlage geschaffen, auf welcher man fortbauen konnte.

1) Grundzüge einer Spongienfauna des Atlantischen Gebietes. Leipzig 1870. 2) The depth 5 of the Sea. Royal Dublin Society. April 1869 und 1873. $. 483. 1*

Wie ich in einer früheren Abhandlung ?) bereits nachgewiesen habe, wurde die Anregung der genannten Forscher von den Paläontologen wenig beachtet, man hielt nach wie vor an den verfehlten Systemen von d’Orbigny und Fromentelfest und obwohl schon früher durch Etallon, # F. A. Roemer) und neuestens durch Pomel®) schüchterne Versuche gemacht worden waren, den Strukturverhältnissen auch bei den fossilen Spongien einige Rechnung zu tragen, so blieben dieselben wegen der bisher fast ausschliesslich angewendeten makroscopischen Untersuchungs- Methode beinahe resultatlos.

Mittlerweile ist die Kenntniss der lebenden Hexactinelliden und Lithistiden durch Carter, ”) W. Marshall,®) Saville Kent,®) Bo- werbank, !%) Wyville Thomson, '!) Wright !?) u. A. so wesentlich gefördert worden, dass diese verhältnissmässig spät entdeckten Ordnungen der Spongien jetzt zu den am sorgfältigst studirten gehören.

Ueber die Abgrenzung der Hexactinelliden und Lithistiden, welche noch von Gray als Coralliospongia, von W. Thomson als Vitrea und von Bowerbank als Siliceo-fibrous Sponges vereinigt worden waren, be- steht jetzt zwischen den meisten Kennern der lebenden Spongien keine nennenswerthe Differenz mehr. Die Unterscheidung beider Ordnungen ist in der That ungemein scharf und auch für die fossilen Formen mit gleicher Sicherheit durchführbar.

Bei den Hexactinelliden besteht nämlich das Kieselskelet aus Ele- menten, denen fast ausnahmslos drei rechtwinklich sich kreuzende Axen zu Grunde liegen, während bei den Lithistiden die Axen meist unter

3) Ueber Coeloptychium. Abh. der k. bayr. Ak. II. Cl. Bd. XII. Abth. III. 1876,

4) Actes de la societe jurassienne d’emulation pendant 1858. Porrentruy 1860. 8. 129.

5) Die Spongitarien des Norddeutschen Kreidegebirges. Palaeontographica XIII. 1864.

6) Paleontologie de la Province d’Oran. 5. fase. Spongiaires. 1872.

7) Annals and Magazine nat. hist. 4. Ser. vol. XII. 1873. S. 349 u. 437.

8) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XXV. Supplem. u. Bd. XXVII. S. 118.

9) Monthly mieroscop. Journ. 1870. vol. IV. S, 241.

10) Monograph of the siliceo-fibrous Sponges. Proceed. zool. soc. Lond. part. I. 1869 S. 66 II. ibid. S. 323. III. 1875. S. 272. IV. ibid. S. 503 V. ibid. S. 558 VI. 1876. S. 535. -

11) Annals and Mag. nat. hist. 4 Ser. vol. I. 1868. S. 119; The Depth of the Sea. 1873 u. Philos. transactions 1869. (on Holtenia) S. 701.

12) Quart. journ. mieroscop. Soc. vol. X. 1870. 8. 4.

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einem Winkel von 120° 13) zusammenstossen und auf diese Weise der Haupt- sache nach vierstrahlige Körper bilden, die in eigenthümlicher Weise mit einander verbunden sind, wie dies in einer späteren Abhandlung ge- zeigt werden soll.

Neben den drei- und vieraxigen Grundformen kommen sowohl bei Hexactinelliden als auch bei Lithistiden einaxige Nadeln in reichlicher Menge und mehr vereinzelt auch vielaxige Kieselkörper vor. 1%)

OÖ. Schmidt, Carter und Marshall finden zwischen den Hexac- tinelliden und den übrigen jetzt lebenden Spongien keine engeren Be- ziehungen. Die Ordnung steht vollständig isolirt und lässt nach keiner Richtung Uebergänge zu anderen Familien erkennen. Wenn Saville Kent anfänglich in der Gattung Dorvillia ??) ein Bindeglied zwischen Hexactinelliden und Thetyiden gefunden zu haben glaubte, so stellte sich später heraus, '6) dass die von Kent beobachteten sechsstrahligen Nadeln zufällig in den Schwammkörper gelangt waren und dass somit die Gat- tung Dorvillia als Synonym von Tethya aus der Literatur zu ver- schwinden habe.

Nicht weniger scharf als die lebenden, sind die fossilen Hexacti- nelliden von allen anderen Spongien, namentlich auch von den Lithistiden geschieden. Es widerspricht dieser Satz den in meiner Monographie von Coeloptychium ausgesprochenen Anschauungen, !?) welche ich auf das Vorkommen der freien Kieselgebilde in den Coeloptychien-Skeleten be- gründet hatte. Ich glaubte damals aus dem Vorkommen und dem Er- haltungszustand dieser vielgestaltigen Körper den Schluss folgern zu dürfen, dass der Gattung Coeloptychium Kieselnadeln von einaxigem, 3-, 4-, 5- und vielaxigem Typus zugehören, allein meine fortgesetzten Studien über fossile Spongien belehrten mich, dass die freien Kieselgebilde nur in seltenen Fällen noch so innig mit dem zusammenhängenden Skelet verbunden sind, dass sie systematissh verwerthet werden können. Häufig findet man an gewissen Localitäten ganz verschiedene Spongien-

13) Nicht 130°, wie in meiner Monographie über Coeloptychium S. 45 in Folge eines Druckfehlers angegeben wird.

14) Letztere sind mit voller Sicherheit nur bei Lithistiden nachgewiesen.

15) Monthly mieroscop. journ. 1870. S. 295.

16) Annals and Mag. nat. hist. 1871. 4 ser. vol. VII. S. 37 u. vol. X. S. 209.

17) 1. ce. S 34. 49. 53.

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körper mit den gleichen Nadeln erfüllt und eime Prüfung des umschlies- senden Gesteins zeigt auch fast immer eine Ueberfülle an entsprechenden Gebilden. Die Spongiennadeln spielen in petrogenetischer Hinsicht über- haupt eine viel grössere Rolle, als bisher angenommen wurde. !°)

Was nun die in meiner Monographie von Öoeloptychium abgebildeten freien Kieselgebilde betrifft, so glaube ich jetzt die auf Taf. VII darge- stellten Formen und namentlich die unregelmässig gestalteten mit den kurzen Axencanälen zum grössten Theil auf bestimmte Lithistiden- Gattungen zurückführen zu können. Zur gleichen Ordnung dürfte wohl auch die Mehrzahl der auf Taf. VI abgebildeten Anker, Vier- und Acht- strahler gehören.

Im Allgemeinen möchte ich mich nunmehr den Anschauungen Carter’s anschliessen und den freien Kieselgebilden, welche sich wahrscheinlich als zufällige Einschwemmungen in den Coeloptychien-Gerüsten finden, einen verschiedenartigen Ursprung zuschreiben.

Damit wird selbstversändlich auch meinen aufdie Beschaffenheit der freien Kieselnadeln basirten systematischen Folgerungen !”) die Grundlage entzogen.

OÖ. Schmidt ?”) leitet in einer phylogenetischen Tafel die lebenden Hexactinelliden von den fossilen „Ventriculitidae“ ab. Wenn mit der letzteren Bezeichnung lediglich eine Altersverschiedenheit ausgedrückt werden soll, so lässt sich dagegen Nichts einwenden. Als systematischer Begriff jedoch müssen die Ventrieulitidae, wenigstens in dem von ©. Schmidt angewendeten Sinne verschwinden, da sie sich in jeder Hinsicht den ächten Hexactinelliden anschliessen. :

Ebenso wenig dürfen die sogenannten „Vermiculatae“, welche O.Schmidt als Vorläufer der Lithistiden ansieht, von diesen geschieden werden. Die Bezeichnung Vermiculatae wäre indess auch aus dem weiteren Grunde zu beseitigen, weil sich unter den fossilen Spongien „mit wurmförmigem (rewebe“ sowohl ächte Lithistiden, als Kalkschwämme mit anastomosirenden Fasern befinden.

Ob die Lithistiden als ein Seitenzweig aus den Hexactinelliden her- vorgegangen sind, wie W. Marshall?!) auf speculativem Wege wahr-

18) Vgl. auch Rutot Ann. de la soc. malacologique de Belgique IX. 1874. 19) 1. ec. S. 53.

20) 12.083:

21) Ideen über d. Verwandtschaftsverh. der Hexactinelliden. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVII. S. 134.

scheinlich zu machen sucht, muss vorläufig dahin gestellt bleiben. Vom paläontologischen Standpunkt lässt sich kaum etwas für diese Hypothese geltend machen; denn wenn über die Verbreitung der fossilen Lithistiden auch wenig: Verlässliches veröffentlicht ist, so haben sich dieselben doch keinenfalls erst in der Kreide, wie Marshall annimmt, entwickelt. Ich kenne aus dem Jura zahlreiche typische Lithistiden, ja es treten dieselben schon in der Silurzeit (Aulocopium) als ein selbstständiger Stamm neben den Hexactinelliden auf.

Bis jetzt scheinen somit die Untersuchungen über lebende und fossile Hexactinelliden für diese Ordnung eine allseitige scharfe Begrenzung zu ergeben.

Erhaltungszustand der fossilen Hexactinelliden.

Bei der überraschenden morphologischen Uebereinstimmung vieler fossilen und recenten Formen muss es einigermassen befremdlich erscheinen, dass die engen verwandtschaftlichen Beziehungen von den Paläontologen bisher gänzlich verkannt wurden.

Die Hauptursache dieser Erscheinung beruht in der bisherigen mangelhaften, rein makroscopischen Untersuchungs-Methode der Paläon- tologen. Es darf jedoch andererseits auch nicht verschwiegen bleiben, dass abgesehen von Farrea bis in die neueste Zeit nur solche Formen von lebenden Hexactinelliden (Hyalonema, Euplectella) bekannt waren, welche als die differenzirtesten Ausläufer der ganzen Gruppe mit den fossilen Vertretern die geringste Uebereinstimmung zeigen. Dazu kommt nun noch der höchst eigenthümliche Erhaltungszustand sehr vieler fossiler Hexactinelliden, welcher fast mit Nothwendigkeit irrige Anschauungen über die chemische Zusammensetzung dieser Schwammkörper hervor- rufen musste.

Ein Blick in die paläontologische Literatur zeigt uns denn auch bis in die neueste Zeit die abweichendsten Ansichten über die ursprüngliche Beschaffenheit der hier näher zu betrachtenden fossilen Spongien.

Von den älteren Autoren (Guettard, Parkinson, Münster, Gold- fuss u. A.) wurden die versteinerten Seeschwämme entweder für Umwandlungs- gebilde horniger Skelete oder für ursprüngliche Kalkskelete erklärt. Toul- min Smith bezeichnet den ursprünglichen Zustand der Ventriculiten als

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„membranaceous“. D’Orbieny, Etallon, Quenstedt, Pictet und Fromentel halten fast alle fossilen Formen für Kalkschwämme (Petro- spongia). Unter den Autoren, welche in neuerer Zeit auf spongiologischem Gebiete thätig waren, schliessen sich Pagenstecher, Capellini, Rosen, Sinzow, Harvey Holl, Kayser u.A. der Meinung an, dass die fossilen Skelete kalkige oder kieselige Pseudomorphosen eines ursprünglich aus Hornfasern bestehenden Körpers seien. Nur F. A. Römer und A. Pomel schreiben wenigstens einer Anzahl von fossilen Formen ein kieseliges Skelet zu.

Diese Unsicherheit über die ursprüngliche chemische Beschaffenheit erregt Befremden, namentlich da es sich um eime so widerstandsfähige Substanz, wie Kieselerde handelt. Dass gewisse Spongien aus der weissen Kreide von England und Norddeutschland (z. B. aus den Quadraten- Mergeln von Ahlten, Coesfeld), und namentlich aus dem Malm des fränkisch- schwäbischen Jura durch Behandlung mit verdünnter Salzsäure so voll- ständig vom Nebengestein befreit werden können, dass die Skelete ganz rein, wie frisch aus dem Meere entnommen erscheinen, war wenigstens für die jurassischen Formen schon seit längerer Zeit bekannt. Nichts desto weniger wurden diese schönen Skelete in der Regel als Umwand- lungsprodukte von Horn- oder Kalkschwämmen betrachtet. Der Grund zu dieser Annahme lag darin, dass in den Schichten, welche solche Spongien enthalten, meist zahlreiche andere Versteinerungen mit ursprüng- lich kalkigen Schalen (Mollusken und Echinodermen) verkieselt vor- kommen. Ueberdies zeigte sich, dass in manchen Fällen die Hälfte oder ein kleiner Theil eines Schwammkörpers durch Behandlung mit verdünnter Säure vortrefflich präparirt wurde, während sich die ganze übrige, schein- bar gleichartig beschaffene Masse vollständig auflöste. Durch Herstellung von Dünnschliffen liess sich ermitteln, dass derartige vollständig lösliche Spongien in der That ein aus Kalkspath bestehendes Skelet besitzen.

Im schwäbisch fränkischen und im schweizerischen Jura sind Spongien, welche morphologisch mit den lebenden Hexactinelliden vollkommen übereinstimmen, häufiger mit Kalk- als mit Kieselskeleten versehen. An anderen Localitäten dagegen, z. B. bei Natthein, Oerlingen, Muggendorf, Engelhardsberg u. s. w. erscheinen die Spongien, wie fast alle anderen

o)

Versteinerungen in roh verkieseltem Zustand, der jedoch augenscheinlich unter Einfluss des Fossilisationsprocesses hervorgerufen wurde.

In den oberen Kreideablagerungen von Ahlten, Linden und Lem- förde in Hannover, Coesfeld in Westfalen sind die hexactinelliden Spon- gien gleichfalls fast ohne Ausnahme kieselig. Aber während die Skelete aus Nattheim und den zuletzt genannten jurassischen Fundorten eine halbkrystallinische, rauhe Beschaffenheit angenommen haben und bei mikroscopischer Betrachtung die feineren Strukturverhältnisse (wie Axen- canäle, Verzierung der Fasern) nicht mehr erkennen lassen, verhalten sich die cretacischen Formen unter dem Mikroscop ganz ähnlich, wie macerirte Skelete von lebenden Hexactinelliden.

Eine entsprechende Beschaffenheit besitzen auch die kieseligen Theile solcher Spongien, bei denen ein Theil des Skeletes aus Kalkspath besteht oder welche aus Schichten stammen, in denen kalkige und kieselige Skelete neben einander vorkommen. Hieher gehören insbesondere die Formen aus den eigentlichen Spongitenkalken des weissen Jura y und d‘ in Schwaben und Franken. Bei derartigen Vorkommnissen lässt sich zum Voraus kaum bestimmen, ob das Skelet bei Behandlung mit Säure völlig zerstört oder vorzüglich macerirt wird. Die hier gewonnenen, zuweilen prachtvollen, zuweilen ganz fragmentarischen Kieselskelete stehen, was Erhaltung der feinsten Verzierungen und Deutlichkeit der Axencanäle betrifft, nur wenig hinter den lebenden Hexactinelliden zurück. In optischer Hinsicht jedoch zeigen sie ein eigenthümliches Verhalten.

Legt man nämlich kleine durch Aetzen gewonnene Fragmente oder Dünnschliffe in Canadabalsam oder in irgend ein anderes Harz mit ähnlichem Brechungscoefficient, so erhält man bei Prüfung unter dem Mikroscop ein sehr undeutliches Bild. Die Umrisse sind nicht scharf abgegrenzt und alle feineren Verzierungen kommen kaum zum Vorschein. Das Objekt hebt sich wenig von der einschliessenden Substanz ab und zeigt offenbar ganz ähnliche Lichtbrechungsverhältnisse, wie Canadabalsam. Behandelt man dagegen das gleiche Objekt mit Glycerin oder Wasser, so lässt das Bild an Klar- heit und Schärfe nichts zu wünschen übrig. Es müssen darum sämmt- liche Präparate, welche von derartigen Spongien herrühren in Glycerin eingeschlossen werden. Das gleiche Verhalten zeigen auch viele cretacische Spongien aus dem norddeutschen und böhmischen Pläner, bei denen Abh d.II.Cl.d.k. Akad.d. Wiss. XIII. Bd.I. Abth. 2

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ebenfalls nur einzelne Theile des Skeletes noch aus Kieselerde bestehen und beim Aetzen mit Salzsäure zurückbleiben.

Für lebende Kieselspongien, sowie für fossile Skelete von den oben genannten Localitäten der Kreideformation, wo die hexactinelliden Schwämme stets kieselige Beschaffenheit zeigen, ist Canada-Balsam das beste Medium zur Herstellung von Präparaten. Bringt man dagegen lebende oder cretacische Spongien, die in Canadabalsam vorzüglich klare Bilder liefern, in Glycerin, so zeigt sich eine ähnliche Erscheinung, wie wenn man Juraspongien mit Canadabalsam behandelt. Das Bild verliert alle Schärfe und Klarheit, ja es wird unter Umständen so verwischt, dass es bei einigermassen heller Beleuchtung kaum noch zu sehen ist.

Mit diesen auffallenden Erscheinungen correspondirt auch ein ab- weichendes Verhalten unter polarisirtem Licht. Sämmtliche recente Kieselspongien, von welcher Form auch die Skelettheile sein mögen, bestehen aus einfach brechender amorpher Kieselerde. Ebenso verhalten sich viele cretacische Formen, welche in Canadabalsam eingeschlossen werden müssen. Bringt man jedoch ein in Glycerin oder Wasser be- handeltes Präparat von den oben beschriebenen jurassischen Formen unter den Polarisationsapparat, so erhält man bei Drehung des Nicol’schen Prisma die lebhaftesten Farbenerscheinungen. Die Gerüstfragmente oder Nadeln zeigen das für Quarz so charakteristische fleckige buntfarbige Irisiren und zwar manchmal ebenso stark wie kleine Quarzkörnchen, welche zufällig mit in das Präparat gelangt sind. Ein ähnliches optisches Ver- halten kenne ich an organisirter Kieselerde sonst nicht. Man beobachtet zwar an Diatomeen oder Radiolarien zuweilen schwache Farben bei Drehung des Prisma, niemals aber eine so intensive Erscheinung, wie bei den beschriebenen jurassischen oder cretacischen Spongien. Zwischen dieser entschieden doppelt brechenden und der unverändert amorphen Kieselerde gibt es nun vielfache Uebergangsstadien. Die Kieselschwämme aus der Quadratenkreide von Linden bei Hannover z. B. sind sowohl in Canadabalsam, als auch in Glycerin sichtbar und bei diesen erhält man auch im Polarisations-Mikroscop bei einer gewissen Stellung des Prisma schwache Farbenerscheinungen.

Dieses sonderbare optische Verhalten weist mit Bestimmtheit darauf hin, dass in den älteren Kieselspongien eine physikalische Veränderung

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eingetreten ist, wodurch die ursprünglich einfach brechende Kieselerde in doppelt brechende übergeführt wurde Ob diese Erscheinung durch starke Zerklüftung und zahlreiche feine Risse oder durch eine Umlagerung der Moleküle hervorgerufen wurde, ähnlich wie dies bei der langsamen Umwandlung von amorphem Zucker in krystallinischen stattfindet, oder ob hier chemische Einflüsse mitgewirkt haben, vermag ich vorläufig nicht zu entscheiden. ??) Jedenfalls beweisen aber die optischen Eigenschaften der erwähnten fossilen Kieselspongien, dass eine gewisse Veränderung in der Substanz der Skelete eingetreten ist. Diese Thatsache wird noch bestätigt durch ihre sonstige Beschaffenheit.

Bei auffallendem Licht betrachtet, erscheinen dieselben nicht lebhaft elasglänzend und durchsichtig wie lebende Kieselspongien, sondern matt, weiss und undurchsichtig. Von den feinen concentrischen Schichten, aus welchen die Kieselgebilde der Spongien aufgebaut sind, ist selbst bei den stärksten Vergrösserungen nie etwas wahrzunehmen, auch ist die ganze Oberfläche durch zahllose kleine Vertiefungen und Erhöhung mehr oder weniger corrodirt. Durch Canadabalsam oder Glycerin können die ursprünglich trüben Fragmente allerdings vollständig oder doch mehr oder weniger durchsichtig gemacht werden, ohne jedoch die wasserklare Beschaffenheit der recenten Glasschwämme zu erhalten.

Da diese Erscheinungen am auffallendsten an solchen Localitäten beobachtet werden, wo gleichzeitig fossile Hexactinelliden oder Lithistiden mit verkalkten Skeleten vorkommen, so drängt sich der Gedanke an eine physikalische Veränderung unwiderstehlich auf. Zum gleichen Schlusse führt auch das Verhalten gegen ätzende Alkalien. Während sich nämlich amorphe Kieselerde in Kali- und Natronlauge ziemlich leicht auflöst, werden die jurassischen Hexactinelliden mit doppelter Lichtbrechung auch bei starkem Kochen wenig angegriffen und lössen sich erst nach langer Digestion unter Hinterlassung eines sehr geringen Rückstandes auf. Etwas leichter löslich sind die wenig veränderten cretacischen Kiesel- skelete mit einfacher Lichtbrechung.

22) Aehnliche optische Erscheinungen beim Feuerstein, welcher doch gewiss wie der einfach brechende Menilith ursprünglich aus amorpher Kieselerde entstanden ist, lassen auch für die massenhaften Kieselausscheidungen in der Kreide eine derartige Umwandlung vermuthen.

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Von beachtenswerther Seite wurde in mündlicher Erörderung die Vermuthung geäussert, es habe unter den fossilen Spongien Formen gegeben, welche zwar morphologisch vollständig mit gewissen lebenden Hexactinelliden oder Lithistiden übereinstimmten, bei denen jedoch das Skelet ursprünglich nicht aus Kieselerde, sordern aus kohlensaurem Kalk zusammengesetzt gewesen sei.

Eine mikroscopische Prüfung der verkalkten Hexactinelliden wider- legt diese Annahme sofort. Wenn man z. B. an einem Schwammkörper aus dem weissen Jura von Streitberg, der zur Hälfte verkalkt, zur Hälfte kieselig ist, einen Dünnschliff des verkalkten Theils untersucht, so zeigt sich, dass die rechtwinklich sich kreuzenden Trabekeln, welche cubische Maschen bilden aus krystallisirtem Kalkspath bestehen. In der allge- meinen Form sind die kalkigen Skelettheile von den kieseligen nicht zu unterscheiden, aber während bei den letzteren im Innern der Trabekeln die Axencanäle aufs Deutlichste erhalten sind, erweisen sich die kalkigen Theile als vollständig dieht. Der Kalkspath bildet eine gleichmässige, undifferenzirte Masse. Der Mangel an Axencanälen in den kalkigen und deren Vorhandensein in den kieseligen Theilen ein und desselben Schwamm- körpers scheint mir den unwiderleglichen Beweis zu liefern, dass Kiesel- erde die ursprüngliche Substanz des Skeletes bildete und dass die aus Kalkspath bestehenden Hexactinelliden und Lithistiden nur in Folge des Fossilisations-Processes ihre chemische Beschaffenheit geändert haben. An die Stelle der ursprünglich vorhandenen amorphen Kieselerde ist demnach Kalkspath getreten.

Diese etwas ungewöhnliche Pseudomorphose verlangt, dass vor dem Eindringen des kohlensauren Kalkes das Kieselskelet aufgelöst und weg- geführt wurde. Bei der verhältnissmässig leichten Löslichkeit von amorpher Kieselerde in einem mit alkalischen Substanzen imprägnirten Wasser bietet dieser Process nichts Auffallendes, namentlich wenn man bedenkt, welche ausgedehnte Oberfläche die mit Axencanälen versehenen und aus concen- trischen Lagen bestehenden Kieseltheile dem Lösungsmittel darboten.

Das Vorkommen von Hexactinelliden und Lithistiden, bei denen entweder ein Theil oder auch das ganze Kieselgerüst beseitigt ist und bei denen die Stelle der Kieselfasern durch hohle Röhrchen, welche in der eingedrungenen Gesteinsmasse ein Maschennetz bilden, eingenommen

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wird, gehört in der That zu den ganz gewöhnlichen Erscheinungen. Solche Beispiele hat bereits Toulmin Smith aus der weissen Kreide von England beschrieben, noch häufiger zeigt sich dieser Erhaltungs- zustand bei den Spongien aus der eisenschüssigen und sandigen oberen Kreide von Saratow in Russland. Durch Behandlung in verdünnter Säure werden bei solchen Schwammkörpern einzelne und zwar meist nur kleine Parthien des Skeletes prächtig macerirt, während sich weitaus der grössere Theil des Fossils vollständig auflött. Eine Prüfung mit der Loupe zeigt dann auch sofort, dass an den löslichen Stellen das Kiesel- gerüst durch feine Hohlräume ersetzt ist, die ein treues Bild des ursprüng- lichen Skeletes liefern. ?°)

Nicht selten zeigen sich die durch Beseitigung der Kieselfasern entstandenen Hohlräume ganz oder theilweise mit rostfarbigem Eisen- oxydhydrat ausgefüllt. Dieser Erhaltungszustand ist besonders häufigim nord- deutschen und böhmischen Pläner, seltener bei Spongien aus der weissen Kreide, aus dem Sandstein von Saratow und aus dem oberen Jura.

Die Ausfüllung der Hohlräume durch krystallisirten Kalkspath kommt hauptsächlich in den Schwammkalken des oberen Jura in der Schweiz, Würtemberg, Bayern und Polen vor. Hier gibt es Lokalitäten, wo sämmtliche Kieselgerüste vollständig in Kalkspath umgewandelt sind (Würgau, Boll, Oberbuchsiten), während an anderen (z. B. Schauer- graben bei Streitberg, Wodna bei Krakau) die ursprüngliche Kieselsubstanz erhalten blieb, jedoch die früher erwähnte optische Beschaffenheit annahm.

Hält man obige Erklärungsweise der verschiedenen Erhaltungs- zustände für richtig und bei der morphologischen Identität der fossilen und lebenden Hexactinelliden sind andere Hypothesen, welche den betreffenden Spongien ein ursprünglich horniges oder kalkiges Skelet zuschreiben, geradezu unannehmbar, so entsteht die Frage, wo die aufge- löste Kieselerde der Spongiengerüste hingekommen sei.

In der weissen Kreide macht diese Frage keine besondere Schwierig- keiten. Es wird ja das massenhafte Vorkommen von Feuersteinknollen ziemlich allgemein durch eine Concentration der Kieselerde erklärt,

23) Vgl. darüber Rosen. Ueber die Natur der Stromatoporen. Dorpat. 1867. S.16 u. f. Dass die von Rosen versuchte Erklärung dieser Erhaltungszustände irrig ist, dürfte sich aus obigen Auseinandersetzungen ergeben.

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welche durch Auslaugung kieseliger Organismen und insbesondere von Spongien gewonnen wurde. Auch in den Spongitarienkalken des weissen Jura fehlen solche Kieselausscheidungen nicht vollständig, wenn sie auch weniger reichlich vorhanden sind, als in der weissen Kreide. In gewissen Regionen freilich (Spongienschichten von Boll, Streitberg etc.) sucht man vergeblich nach Feuersteinknollen und dennoch finden sich an solchen Localitäten neben wenig veränderten Kieselskeleten auch zahlreiche in Kalkspath umgewandelte Exemplare. In solchen Fällen wurde die ausgelaugte Kieselerde häufig zur Verkieselung anderer Versteinerungen verwendet, denn gerade in unmittelbarster Nähe von Spongien zeigen sich die meisten Mollusken und Echinodermenschalen in Kieselerde umgewandelt. Aber auch in anderer Form scheint die ausgelaugte Kieselerde im Gestein vertheilt zu sein. Beim Behandeln von ganz oder theilweise verkalkten Juraspongien erhält man nämlich im Aetzrückstand häufig zahllose rundliche, mit tiefen Eindrücken versehene rauhe Kieselscheibchen oder auch ganz unregelmässig gestaltete wurmförmige Körper. ?*)

Ausser den bisher beschriebenen Erhaltungszuständen findet man zuweilen den ganzen Schwammkörper von Schwefelkies durchdrungen und theilweise ın Brauneisensten umgewandelt. Solche Vorkommnisse gewähren, wie die roh verkieselten Exemplare nur ein Bild der äusseren Form, zur Untersuchung der Strukturverhältnisse sind sie ganz ungeeignet.

Classifications-Versuche von Sav. Kent, Carter und Marshall.

Alle bisherigen Versuche, die Verwandtschaftsverhältnisse der Hexacti- nelliden in einer systematischen Classification auszudrücken, mussten sich wegen der völligen Unkenntniss des feineren Baues der fossilen Formen, auf die lebenden Repräsentanten beschränken. Da Bowerbank unter den „Fibro-siliceous Sponges“ sowohl die Hexactinelliden als Lithistiden begreift und seine in kleinen Abtheilungen erschienene Monographie eigentlich nur aus Speciesbeschreibungen besteht, so kann dieselbe hier nicht näher in Betracht kommen.

24) Ein derartiger Körper ist bei Oscar Schmidt (Spong. Atl. Oc. T. II. fig. 19) abgebildet.

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Der erste Versuch zu einem System rührt von Saville Kent?°) her. Die Hexactinelliden zerfallen nach diesem Autor in zwei Unterordnungen:

Coralliospongia. Gray. Schwammkörper mit einem aus verflochtenen oder tsolirten Nadeln bestehenden, niemals netzförmigen und zusammenhängenden Skelet. Gemmulä ohne Nadeln.

Calicispongia.. S. Kent. |

Schwammkörper mit anastomosirenden oder zusammenhängendem netzförmigen

Skelet. Reproductiv Gemmulä häutig, ohne Nadeln.

W. Marshall‘) hat bereits den Bedenken, welche gegen eine systematische Verwerthung der noch so wenig bekannten Gemmulä bestehen, Ausdruck verliehen. Für fossile Formen ist dieses Merkmal natürlich unbrauchbar. Aber auch die Gruppirung der Gattungen erscheint nicht naturgemäss. In der ersten Unterordnung stehen z. B. Euplectella und Habrodietyon neben Farrea und Aphrocallistes, während die beiden ersteren doch offenbar viel nähere Beziehungen zu Hyalonema, Askonema, Holtenia etc. aufweisen. Dass die Lithistiden-Gattung Mac Andrewia Gray noch bei den Coralliospongien Platz findet, dürfte auf einem Versehen beruhen.

Eine vollständige Uebersicht aller bis zum Jahr 1873 bekannten lebenden Hexactinelliden nebst einer systematischen Anordnung veröffent- lichte Carter in zwei vortrefflichen Abhandlungen über Hexactinelliden und Lithistiden. ?) Der ausgezeichnete Spongienkenner hebt zunächst den Unterschied zwischen den „Skeletnadeln“, welche das eigentliche Kieselskelet bilden und meist eine ziemlich gleichförmige Beschaffenheit besitzen und den sogn. „Fleischnadeln“ hervor, welche stets frei in der Sarkode eingebettet sind und sich meist durch ihre winzige Grösse und ausserordentliche Mannichfaltigkeit der Form auszeichnen.

Carter zerlegt die Hexactinelliden in folgende drei Gruppen: 28)

1. Vitreohexactinellida. Nadeln durch verkieselte Fasern verbunden. Dactylocalyx, Myliusia, Euplectella, Aspergillum, Aphrocallistes, Aulodictyon, Farrea, Sympasgella.

25) Montlhly microscop Journ. vol. IV. S. 242. 26) ]. c. XXV. S. 146

27) Ann. Mag. nat. hist. 1873. 4 ser. Vol. XII. S. 348 u. 437. 28) Ann. Mag. nat. hist. 1873. S. 357 u. 1875. S. 199:

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2. Sarcohexactinellida.. Nadeln durch amorphe Sarkode verbunden. Askonema, Crateromorpha, Rosella, Habrodictyon, Hyalonema, Pheronema, Meyerina.

3. Sarco-vitreohexactinellida. Nadeln theils durch Kieselfasern, theils durch

amorphe Sarkode verbunden. Euplectella cucumer.

Die zwei ersten Familien zerfallen in mehrere Unterabtheilungen, für welche theils die äussere Form des Schwammkörpers, theils die Beschaffenheit der „Fleischnadeln“ namentlich der sogen. „Rosetten“ mass- sebend sind.

Wie man sieht, legen Kent und Carter bei Abgrenzung ihrer Hauptgruppen in erster Linie darauf Gewicht, ob das Skelet nur aus isolirten Nadeln besteht oder ob die einzelnen Theile mit einander ver- schmolzen sind und ein zusammenhängendes Gerüste bilden. So viele Vorzüge nun auch die Carter’sche Eintheilung gegenüber der von Sav. Kent besitzt, befriedigen kann sie nicht, wenn Formen von so offenbarer Verwandtschaft wie Euplectella Aspergillum, Habrodictyon und Euplectella cucumer in drei verschiedene Familien gebracht werden. Eine weitere Schwäche des Carter’schen Systems scheint mir darin zu bestehen, dass der Beschaffenheit der Fleischnadeln ein zu hohes, jener des eigentlichen Skeletes ein zu geringes Gewicht beigelegt wird.

Die erste Abhandlung W. Marshall’ ?°) zerfällt in einen allge- meinen und einen speciellen Theil. Im ersteren gibt Marshall zunächst eine kritische Uebersicht der bisherigen Arbeiten über die Hexactinelliden, ferner eine Darstellung ihrer äusseren Gestalt und Verbreitung und lässt darauf eine sehr sorgfältige Beschreibung der Sarkode und des Skeletes dieser Spongien folgen. Der vom Kieselskelet handelnde Abschnitt bietet besonderes Interesse dar. Marshall weist darin nach, dass sämmtliche Hexactinelliden aus Nadeln bestehen, die in ihrer Gestalt dem Achsensystem eines Octaöders folgen. Aus der Spaltung oder Ver- kümmerung einzelner Strahlen oder ganzer Axen lassen sich die mannich- faltigen complicirten oder reducirten Kieselgebilde bleiten.

29) Untersuchungen über Hexactinelliden. 1. e. Bd. XXV.

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Bei den einfachsten Formen, den Stabnadeln, zeigt sich sehr häufig noch in den Axencanälen die kreuzförmige Anordnung der drei recht- winklichen Axen. Diese Axencanäle sind darum auch von besonderer Wichtigkeit bei den Hexactinelliden.. Marshall beschreibt ausführlich die Verhältnisse, welche die Axencanäle und deren Cylinder, sofern solche vorhanden sind, bei den verschiedenen Formen aufweisen. Im Allgemeinen sind die Axencanäle bei den Hexactinelliden mit zusammenhängenden Kieselgerüsten bedeutend weiter, als bei denen mit isolirten Nadeln.

Besondere Aufmerksamkeit schenkt Marshall ferner der Verbin- dung der Kieseltheile im Schwammkörper. Diese erfolgt nach Mar- shall auf dreierlei Weise: 1) die Nadeln sind nur durch Sarcode ver- einigt und bleiben isolirt, 2) sie sind verschmolzen oder 3) sie ver- wachsen.

Bei der „Verschmelzung“ sind die Nadeln nur oberflächlich, durch geschichtete Kieselsubstanz zusammengekittet, die Axencanäle selbst bleiben vollständig isolirt und fliessen niemals ineinander. Bei Euplectella Aspergillum findet die Verkittung durch. plattenförmige „Neubildung“ von Kieselerde statt, welche brückenartige Verbindungen zwischen zwei benachbarten Nadeln herstellt. Bei Farrea, Aphrocallistes und Eurete werden in der Regel zwei nebeneinander liegende Axencanäle von einem gemeinsamen Kieseleylinder umschlossen. Auf. dieses Verhalten hatte bereits Carter (im Gegensatz zu Bowerbank) aufmerksam gemacht, aber während der englische Spongiologe das Vorkommen zusammenhängender Axencanäle von benachbarten Nadeln bei den Hexactinelliden läugnet, glaubt W. Marshall bei einer einzigen Form (Sclerothamnus) ein zusammen- hängendes Canalsystem der verwachsenen Sechsstrahler beobachtet zu haben. Diese Erscheinung wird als „Verwachsung“ bezeichnet und derselben eine besondere phylogenetische Bedeutung zugeschrieben.

Im speciellen Theil nimmmt die eingehende Darstellung einer neuen Euplectella (E. Oweni) mit freien Kieselnadeln hervorragendes Interesse in Anspruch, weil Marshall hier in überzeugendster Weise darlegt, dass der Verkittung sämmtlicher oder einzelner Nadeln beiE. Aspergillum und Cucumer nur eine ganz secundäre Bedeutung zukommt und dass bei den drei Formen in allen wesentlichen Merkmalen (in der äusseren Form, in der Gestaltung und Anordnung der Skelet- und Fleischnadeln) die grösste Ueberein- Abh.d. II.Cl.d.k. Ak.d. Wiss. XIII. Bd. I. Abth. 3

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stimmung herrscht, so dass eine generische Trennung derselben ganz undenkbar ist.

Mit diesem Nachweis wird die Carter’sche Eintheilung der Hexacti- nelliden wesentlich erschüttert. Marshall sucht dieselbe denn auch in einer zweiten Abhandlung ?°) durch eine neue Classification zu ersetzen. In dieser legt er auf die Verwachsung der Axencanäle bei Sclero- thamnus grosses Gewicht. Er denkt sich die Hexactinelliden ur- sprünglich aus Chalynthus ähnlichen Schwämmen entstanden, bei denen sich im Syneytium parallel verlaufende Sarcodezüge bildeten, welche sich rechtwinklig kreuzten und auf diese Weise ein Fachwerk mit cubischen Maschen erzeugten. Dieses Sarcodegitterwerk wurde darauf durch Ablagerung von Kieselerde befestigt und zwar bildeten sich nach Mar- hall anfänglich zusammenhängende Gerüste mit durchlaufenden Axen- canälen (Sclerothamnus und fossile Hexactinelliden?), die später mehr oder weniger vollständig in vereinzelte Sechsstrahler zerfielen.

Nach dieser Auffassung zerlegt Marshall die Hexactinelliden in zwei Gruppen:

I. Synauloidae.

Das Lumen der Röhren der verschiedenen Nadeln hängt, wie diese selbst, continuirlich mit einander zusammen, so dass das ganze Giltergewebe des Schwammes von einem gleichfalls zusammenhängenden Röhrensystem durchzogen ist.

Sclerothamnus. Marsh.

II. Asynauloidae.

Das Lumen der Schenkel verschiedener Nadeln hängt nie zusammen; jede Nadel ist, was den ÜOentralfaden betrifft, ein selbständig entwickeltes Individuum.

Die Asynauloiden zerfallen wieder in drei Familien:

a) Monakidae mit einer einzigen Nadelform, dem reinen Sechs- strahler.. Eurete. Marsh.

b) Pleionakidae, Hauptmasse des Skelets aus reinen, voll entwickelten Sechsstrahlern bestehend, daneben Besengabeln oder Rosetten oder

30) Ideen über die Verwandtschaftsverhältnisse der Hexactinelliden. 1. c. Bd. XXVII.

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beide zusammen. In den Maschen des Skelets herrscht die cubische Form vor. 1. Nadeln unverschmolzen. Lanuginella, Askonema.

2. Nadeln verschmolzen.

Farrea, Dactylocalyx, Periphragella, Aulodictyon, Fiel- dingia, Aphrocallistes.

c) Pollakide, Hexactinelliden mit zahlreichen Nadelformen, mit beson- derem Dermalskelet und Auskleidung der Magenhöhlungen, meist mit Wurzelschopf. In den Maschen, besonders des Dermalskelets, herrscht die einfach quadratische Form vor.

Holtenia, Crateromorpha, Rosetta, Sympagella, Phaco- dietyon, Euplectella, Habrodictyon, Labaria, Phero- nema, Semperella, Hyalonema.

Niemand wird die Vortheile verkennen können, welche die von Marshall vorgeschlagene Gruppirung der Gattungen besitzt. Namentlich die Aufstellung der Familie der Pollakiden scheint mir ein überaus glück- licher Griff zu sein. Sie umfasst unstreitig die am meisten differenzirten, mannichfaltigsten und zierlichsten Hexactinelliden, welche sich von den fossilen Vorläufern am weitesten entfernen. Obwohl der Erhaltung dieser Formen kein Hinderniss im Wege stünde, so sind bis jetzt in den Erd- schichten noch keine Ueberreste davon entdeckt worden. Die ganze Gruppe scheint auf die Gegenwart beschränkt zu sein und ihr spätes Auftreten würde somit auch für die Hexactinelliden eine fortschreitende Entwick- lung vom Unvollkommenen zum Vollkommneren andeuten.

In anderen Punkten freilich bin ich nicht in der Lage den Anschau- ungen Marshall’s zu folgen. Wäre die Annahme richtig, dass dem festen Hexactinellidenskelet ein aus weichen Sarcodezügen bestehendes Gitterwerk vorausging, so müssten die älteren fossilen Hexactinelliden nothwendiger Weise, wie dies Marshall auch voraussetzt, zu den Synauloiden gehören. Dies ist indess keineswegs der Fall. Meine Unter- suchungen der fossilen Formen haben gezeigt, dass die zusammenhängenden Gittergerüste ausnahmslos aus verschmolzenen Sechsstrahlern bestehen, deren Axencanäle zwar häufig übereinander liegen und dann anscheinend zusammenfliessende Röhren bilden, aber in Wirklichkeit sind sie stets

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getrennt und meist liegen sie auch wie bei den lebenden Gattungen Farrea, Eurete und Aphrocallistes in der Art neben einander, dass die zu den verschiedenen Sechsstrahlern gehörigen Axenfäden deutlich geschieden erscheinen, Dieses Verhalten der fossilen Formen veranlasste mich zu einer abermaligen Prüfung der Gattung Sclerothamnus, von welcher ich ein Fragment der Güte des Herrn Dr. Marshall verdanke. Die optischen Verhältnisse bei dem mir zur Verfügung stehenden Material sind leider sehr ungünstig, indem die Axencanäle nur bei gewisser Beleuchtung und auch dann nur sehr undeutlich zum Vorschein kommen. Nach Kochen des Skelets in Schwefelsäure oder Salpetersäure treten die äusserst feinen, von Axencylindern umgebenen Canäle jedoch etwas deutlicher hervor und man kann sich überzeugen, dass auch bei Sclerothamnus das Gitter- gerüst durch Verschmelzung einzelner Sechsstrahler zu Stande kam, deren Axencanäle sich begegnen und sich häufig so übereinander legen, dass sie scheinbar eine einzige Röhre bilden ohne jedoch wirklich in einander zu fliessen.

Damit wird aber die Abtheilung der Synauloiden überflüssig ?') und Sclerothamnus tritt in die Gruppe der Pleionakiden ein.

Es blieben also noch die drei Abtheilungen der Monakiden, Pleiona- kiden und Pollakiden, welche auf die grössere oder geringere Differen- zirung der Skelettheile basirt sind.

Ob es unter den lebenden Hexactinelliden überhaupt Monakiden gibt, scheint mir noch zweifelhaft. Von der einzigen hieher gerechneten Gattung Eurete Semp. ist nur ein „sehr stark gebleichtes und abge- spültes“ Exemplar vorhanden. Da nun das zusammenhängende Kieselskelet vollständig mit Farrea übereinstimmt und Bowerbank ®?) bei Farrea fistulata (welche vielleicht identisch mit Eurete siniplieissima Marsh. ist) nachgewiesen hat, dass „Spicula überall in grosser Zahl vorhanden sind, wo das Skelet mit dunkelbrauner Sarkode überzogen ist, dass aber nicht eine einzige Nadel zu sehen ist, wenn die Sarkode fehlt“, so halte ich die Gruppe der Monakiden in der Marshall’schen Auffassung für bedenklich.

31) Herr Dr. Marshall hat sich, wie er mir brieflich mittheilt, gleichfalls von dieser Thatsache überzeugt und wird die Synauloiden in einer demnächst zu veröffentlichtenden Abhandlung zurückziehen.

32) l. ce part. III. S. 276.

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Für den Palaeontologen ist überhaupt jede auf die freien Nadeln basirte Classification unbrauchbar, da sich nur in sehr seltenen Fällen die Zusammengehörigkeit von Hexactinelliden-Skeleten mit den benach- barten „Fleischnadeln“ beweisen lässt. Ueberdiess kommen, wie ich bereits in meiner Monographie von Coeloptychium gezeigt habe, unter den freien fossilen Kieselgebilden ungemein wenige von hexactinellidem Typus vor. Ich habe namentlich niemals eine Spur von „Rosetten, Tannenbäumchen, Besengabeln“ und von denanderen, allerdings meist winzig kleinen und sehr zerbrechlichen Formen auffinden können, von denen Carter bei Abrennung seiner Gattungen vorzugsweise Gebrauch macht.

Will man den „Fleischnadeln“ eine überwiegende systematische Bedeutung zuerkennen, so bleiben aber nicht allein die fossilen Hexacti- nelliden unbestimmbar, sondern auch alle diejenigen lebenden Formen, deren Skelete abgespült und nicht mehr mit Sarcode bekleidet sind.

Abgesehen von diesem praktischen Bedenken, stehen einem der- artigen Classificationsprineip auch noch innere Gründe gegenüber. Die Fleischnadeln bilden gewissermassen die äussere Verzierung des Schwamm- körpers, sie sind zu vergleichen mit dew Gefieder der Vögel und mit der Hautbedeckung der Fische, Reptilien und Säugethieren. Stellen wir uns auf den Boden der Transmutationstheorie, so haben wir in den Fleischnadeln sicherlich diejenigen Theile des Schwammkörpers vor uns, welche am leichtesten durch Anpassung sich verändern und welche darum den ursprünglichen: Typus am leichtesten ab- streifen. Ganz anders verhält es sich mit den Skeletnadeln. Schon ihr passend gewählter Name deutet an, dass ihnen eine ähnliche Bedeutung zukommt wie dem Knochengerüst der Vertebraten. Die Skeletnadeln der Hexactinelliden bilden den conservativsten Theil des Körpers dieser charakteristischen Schwämme. Mit ausserordentlicher Zähig- keit halten sie den Grundtypus des Sechsstrahlers fest und wenn auch bei dem höchsten Zweige des Stammes, bei den Pollakiden, durch Reduction der Strahlen mancherlei aberrante Formen vorkommen, so lassen sie sich doch stets auf den Sechsstrahler zurückführen.

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Eigene Beobachtungen.

Ist es möglich, die Skeletnadeln zur Grundlage eines Systemes zu machen, so dürfte ein solches unbedingt die vererbten Eigenthümlich- keiten und somit die natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen der Hex- actinelliden am schärfsten zum Ausdruck bringen. Wenn aber bisher von den Zoologen gerade den eigentlichen Skeletnadeln geringere Auf- merksamkeit, als den Fleischnadeln geschenkt wurde, so lag dies offenbar in der Gleichförmiekeit, welche selbst ziemlich entfernt stehende Gattungen in ihrer Skeletbildung besitzen. Bei den Fleischnadeln traten die Diffe- renzen bestimmter hervor und überdies mussten dieselben schon wegen ihrer wunderbaren Schönheit das Interesse der Entdecker am lebhaftesten fesseln. So finden wir denn in den Abhandlungen von 0. Schmidt und Carter die Fleischnadeln sehr sorgfältig, das Skelet nur wenig berücksichtigt. Grössere Aufmerksamkeit wurde demselben von W. Mar- shall und namentlich von Bowerbank geschenkt, welchem man die eingehendsten Analysen von lebenden Hexactinelliden mit zusammen- hängendem Gittergerüst und zahlreiche Abbildungen von unübertrefflicher Naturwahrheit verdankt.

Bei den fossilen Hexactinelliden sind die Skeletnadeln in der Regel das einzige, was überhaupt der Beobachtung zugänglich ist und schon aus diesem Grund muss denselben besondere Beachtung zugewendet werden. Sie sind aber auch in systematischer Hinsicht keineswegs so unbrauchbar, wie bisher vielfach angenommen wurde.

Für die ganze Entwickelung und Gestaltung der Skeletnadeln ist die Art und Weise, in welcher sie sich mit einander verbinden, massgebend.

In dieser Hinsicht zerfallen die Hexactinelliden in zwei natürliche und wie es scheint scharf getrennte Gruppen:

I. Lyssakina. Zitt. Formen, bei denen die Skeletnadeln in der Regel isolirt bleiben und nur durch Surcode verbunden sind.

II. Dietyonina. Zitt. Formen, bei denen die Skeleinadeln in regelmässiger Weise verschmolzen sind und ein zusammenhängendes Gitterwerk mit cubischen oder polyedrischen Maschen bilden.

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Die Lyssakinen unıfassen sämmtliche Sarcohexactinellidae Carter’s, ausserdem aber auch Euplectella Aspergillun und cucumer. Wie bereits Marshall gezeigt hat, erfolgt die Verkittung der Skeletnadeln bei den zwei letztgenannten Forınen durch ein Uebermaass von Kieselsäure, welche im Syneytium abgeschieden wird und welche die sonst durch Sarcode eingenommenen Zwischenräume der Nadeln wenigstens stellenweise ausfüllt. Die Skeletnadeln selbst werden durch diese Kieselausscheidung weder in ihrer Anordnung, noch in ihrer Ausbildung gehemmt und es kann daher dieser Erscheinung, welche ich als „Verkittung“ bezeichne, nur ganz secundäre Bedeutung beigeleet werden. Bei den Lyssakinen selbst würde sich eine weitere Gruppirung nach der grösseren oder geringeren Diffe- renzirung der Fleischnadeln, wie sie in ähnlicher Weise von W. Mar- shall für die Asynauloiden vorgeschlagen wurde, empfehlen. Die wenigen bis jetzt bekannten fossilen Repräsentanten dieser Unterordnung besitzen höchst wahrscheinlich nur eine Form von Skeletnadeln und wären darum als Monakiden den Pleionakiden und Pollakiden gegenüber zu stellen.

Die zweite Gruppe der Dietyoninen enthält die Hexactinelliden mit regelmässig verschmolzenen Sechsstrahlern. Bei normaler Ent- wicklung erfolgt die Verschmelzung in der Art, dass jeder Arm einer Nadel sich dicht an den entsprechenden Arm eines benachbarten Sechsstrahlers anlegt. Die beiden Strahlen werden sodann von einer gemeinsamen Kieselhülle, welche sich gleichförmig um dieselben ab- lagert. zusammengeschweisst und verschmelzen so vollständig mitein- ander, dass ıhre ehemalige Selbstständigkeit nur noch durch die Anwesenheit von zwei getrennten Axencanälen angedeutet wird. Auf diese Weise entstehen regelmässige zusammenhängende Gittergerüste, bei denen jeder Balken aus zwei Armen von zwei verschiedenen Nadeln besteht. Häufig treten nun Unregelmässigkeiten in der Anordnung der Gittermaschen dadurch ein, dass ein Sechsstrahler gewissermassen die Reihe verlässt und seine Arme in beliebiger Weise an das übrige Gerüst ankittet. Heften sich ein oder zwei Strahlen solcher unregelmässig gelagerter Nadeln zufällig an das verdickte Kreuzungscentrum eines Sechsstrahlers an, so können von einem derartigen Centralpunkt mehr als sechs Arme ausgehen. Eine * sorgsame Prüfung ergibt jedoch immer, dass die überzähligen Axencanäle zu einem benachbarten

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Sechsstrahler gehören und gewöhnlich auch das Centrum des Axenkreuzes nicht erreichen. Andere Unregelmässigkeiten werden dadurch veranlasst, dass sich einzelne Strahlen umbiegen oder ihre Richtung verlassen, wobei die beiden Arme einer Axe nicht mehr in gerader Linie verlaufen.

Die Stelle, wo sich die Axencanäle kreuzen, also das ideale Centrum, von welchem alle sechs Arme einer Nadel ausstrahlen und wo die Kieselröhren zusammentreffen, ist stets durch eine Anschwellung, „den Kreuzungsknoten“, angedeutet.

Für die Systematik der Hexactinelliden bietet die Beschaffenheit der Kreuzungsknoten wichtige Anhaltspunkte. Es treten hier zwei Modi--. ficationen auf.

1. Die Kreuzungsknoten bilden um das eingeschlossene sechsstrahlige Axenkreuz der Üentralcanäle eine einfache stärkere oder schwächere Verdickung. (Farrea, Aphrocallistes, Craticularia, Porospongia etc.)

2) Die Kreuzungsknoten haben die Gestalt eines hohlen Octaöders. Diese eigenthümliche Bildung entsteht dadurch, dass die Kieselausscheidung des Syneytiums an den Kreuzungsknoten in gerim- gerer Menge stattfindet. Die Centralcanäle der sechs Strahlen bilden ein von ganz dünnen Röhren umgebenes Axenkreuz in einem ‚hohlen octaödrischen Raum, welcher durch schräge Kieselbalken, womit die sechs verdickten Arme der verschmolzenen Sechsstrahler verbunden sind, begrenzt wird. Solcher schräger Verbindungsbalken gibt es stets 12 um einen Kreuzungsknoten und zwar liegen dieselben immer genau wie die Kanten eines regulären Octaöders. Je nach dem Umfang dieses von dichten Kieselstäben umschlossenen Hohlraumes, je nach der Stärke der octaödrischen Kanten und je nach der mehr oder weniger regelmässigen